d. Die Wärme
§ 303

[185] Die Wärme ist das Sichwiederherstellen der Materie in ihre Formlosigkeit, ihre Flüssigkeit, der Triumph ihrer abstrakten Homogeneität über die spezifischen Bestimmtheiten; ihre abstrakte, nur an sich seiende Kontinuität als Negation der Negation ist hier als Aktivität gesetzt. Formell, d.i. in Beziehung auf Raumbestimmung überhaupt, erscheint die Wärme daher als ausdehnend, als aufhebend die Beschränkung, welche das Spezifizieren des gleichgültigen Einnehmens des Raums ist.
[185]

§ 304

Diese reale Negation der Eigentümlichkeit des Körpers ist daher sein Zustand, in seinem Dasein nicht sich selbst affirmativ anzugehören; diese seine Existenz ist so vielmehr die Gemeinschaft mit anderen und die Mitteilung an sie, – äußere Wärme. Die Passivität des Körperlichen für dieselbe beruht auf der in der spezifischen Schwere und Kohäsion an sich vorhandenen Kontinuität des Materiellen, durch welche ursprüngliche Idealität die Modifikation der spezifischen Schwere und Kohäsion für jene Mitteilung, für das Setzen der Gemeinschaft, keine wirkliche Grenze sein kann.

Inkohärentes, wie Wolle, und an sich Inkohärentes (d.i. Sprödes wie Glas) sind schlechtere Wärmeleiter als die Metalle, deren Eigentümlichkeit ist, gediegene, ununterbrochene Kontinuität in sich zu besitzen. Luft, Wasser sind schlechte Wärmeleiter um ihrer Kohäsionslosigkeit willen, überhaupt als noch unkörperliche Materien. – Die Mitteilbarkeit, nach welcher die Wärme von dem Körper, in dem sie zunächst vorhanden ist, trennbar und somit als ein gegen ihn Selbständiges sowie als ein an ihn von außen Kommendes erscheint, ferner die damit zusammenhängenden weiteren mechanischen Determinationen, welche in das Verbreiten gesetzt werden können[187] (z.B. die Reperkussion durch Hohlspiegel), ingleichen die quantitativen Bestimmungen, die bei der Wärme vorkommen, – sind es vornehmlich, die zur Vorstellung der Wärme als eines selbständig Existierenden, einer Wärme-Materie geführt haben. Man wird aber wenigstens Anstand nehmen, die Wärme einen Körper oder auch nur ein Körperliches zu nennen; worin schon liegt, daß die Erscheinung von besonderem Dasein sogleich verschiedener Kategorien fähig ist. So ist auch die bei der Wärme erscheinende beschränkte Besonderheit und Unterscheidbarkeit von den Körpern, an denen sie ist, nicht hinreichend, die Kategorie von Materie, die wesentlich so Totalität in sich ist, daß sie wenigstens schwer ist, auf sie anzuwenden. Jene Erscheinung der Besonderheit liegt vornehmlich nur in der äußerlichen Weise, in welcher die Wärme in der Mitteilung gegen die vorhandenen Körper erscheint. – Die Rumfordischen Versuche über die Erhitzung der Körper durch Reibung beim Kanonenbohren z.B. hätten die Vorstellung von besonderer, selbständiger Existenz der Wärme längst ganz entfernen können; hier wird sie gegen alle Ausreden rein in ihrer Entstehung und ihre Natur als eine Zustandsweise aufgezeigt. Die abstrakte Vorstellung der Materie enthält für sich die Bestimmung der Kontinuität, welche die Möglichkeit der Mitteilung und als Aktivität die Wirklichkeit derselben ist, und Aktivität wird diese ansichseiende Kontinuität als die Negation gegen die Form, – die spezifische Schwere und Kohäsion, wie weiterhin gegen die Gestalt.
[188]


§ 305

Die Mitteilung der Wärme an verschiedene Körper enthält für sich nur das abstrakte Kontinuieren dieser Determination durch unbestimmte Materialität hindurch, und insofern ist die Wärme nicht qualitativer Dimensionen in sich, sondern nur des abstrakten Gegensatzes von Positivem und Negativem und des Quantums und Grades fähig wie eines abstrakten Gleichgewichts, als eine gleiche Temperatur der Körper zu sein, unter welche sich der Grad verteilt. Da aber die Wärme Veränderung der spezifischen Schwere und Kohäsion ist, so ist sie zugleich an diese Bestimmungen gebunden, und die äußere, mitgeteilte Temperatur ist für die[190] Bestimmtheit ihrer Existenz durch die besondere spezifische Schwere und Kohäsion des Körpers bedingt, dem sie mitgeteilt wird; – spezifische Wärme-Kapazität.

Die spezifische Wärme-Kapazität, verbunden mit der Kategorie von Materie und Stoff, hat zur Vorstellung von latentem, unmerkbarem, gebundenem Wärmestoff geführt. Als ein nicht Wahrnehmbares hat solche Bestimmung nicht die Berechtigung der Beobachtung und Erfahrung, und als erschlossen beruht sie auf der Voraussetzung einer materiellen Selbständigkeit der Wärme (vgl. Anm. § 286). Diese Annahme dient auf ihre Weise, die Selbständigkeit der Wärme als einer Materie empirisch unwiderleglich zu machen, eben dadurch, daß die Annahme selbst nichts Empirisches ist. Wird das Verschwinden der Wärme oder ihr Erscheinen, wo sie vorher nicht vorhanden war, aufgezeigt, so wird jenes für ein bloßes Verbergen oder sich zur Unmerkbarkeit Binden, dieses für ein Hervortreten aus der bloßen Unmerkbarkeit erklärt; die Metaphysik von Selbständigkeit wird jener Erfahrung entgegengesetzt, ja a priori der Erfahrung vorausgesetzt.

Worauf es für die Bestimmung, die hier von der Wärme gegeben worden, ankommt, ist, daß empirisch bestätigt werde, daß die durch den Begriff für sich notwendige Bestimmung, nämlich der Veränderung der spezifischen Schwere und Kohäsion, in der Erscheinung sich als die Wärme zeige. Die enge Verbindung zunächst von beidem erkennt sich leicht in den vielfachen Erzeugungen (und in ebenso vielfachen Arten des Verschwindens) von Wärme, bei Gärungen, den anderen chemischen Prozessen, Kristallisationen und Auflösungen derselben, bei den schon erwähnten mechanischen inneren, mit äußerlichen verbundenen, Erschütterungen, Anschlagen der Glocken, Schlagen des Metalls, Reibungen usf. Die Reibung von zwei Hölzern oder im gewöhnlichen Feuerschlagen bringt das materielle Außereinander des einen Körpers durch die schnell drückende Bewegung des anderen in einen Punkt[191] momentan zusammen, – eine Negation des räumlichen Bestehens der materiellen Teile, die in Hitze und Flamme des Körpers oder einen sich davon abscheidenden Funken ausschlägt. – Die weitere Schwierigkeit ist, die Verbindung der Wärme mit der spezifischen Schwere und Kohäsion als die existierende Idealität des Materiellen zu fassen, – hierzu eine Existenz des Negativen, welche selbst die Bestimmtheit dessen enthält, was negiert wird, die ferner die Bestimmtheit eines Quantums hat und als Idealität eines Bestehenden sein Außersichsein und sein Sichsetzen in Anderem, die Mitteilung, ist. – Es handelt sich hier, wie überall in der Naturphilosophie, nur darum, an die Stelle der Verstandeskategorien die Gedankenverhältnisse des spekulativen Begriffes zu setzen und nach diesen die Erscheinung zu fassen und zu bestimmen.
[192]


§ 306

Die Wärme als Temperatur überhaupt ist zunächst die noch abstrakte und ihrer Existenz und Bestimmtheit nach bedingte Auflösung der spezifizierten Materialität. Sich aber ausführend, in der Tat realisiert, gewinnt das Verzehren der körperlichen Eigentümlichkeit die Existenz der reinen physischen Idealität, der frei werdenden Negation des Materiellen und tritt als Licht hervor, jedoch als Flamme, als an die Materie gebundene Negation der Materie. Wie das Feuer zuerst (§ 283) aus dem Ansich sich entwickelte, so wird es hier gesetzt, daß es sich als äußerlich bedingt aus den existierenden Begriffsmomenten innerhalb der Sphäre der bedingten Existenz erzeugt. – Es verzehrt sich ferner so als Endliches zugleich mit den Bedingungen, deren Verzehren es ist.


§ 307

Die Entwicklung der realen, d.i. die Form an ihr enthaltenden Materie geht so in ihrer Totalität in die reine Idealität ihrer Bestimmungen, in die mit sich abstrakt identische Selbstischkeit über, die in diesem Kreise der äußerlichen Individualität selbst (als Flamme) äußerlich wird und so verschwindet. Die Bedingtheit dieser Sphäre ist, daß die Form ein Spezifizieren der schweren Materie, und die Individualität als Totalität nur erst an sich war. In der Wärme ist gesetzt das Moment der realen Auflösung der Unmittelbarkeit und der zunächst vorhandenen Gleichgültigkeit des[195] spezifizierten Materiellen gegeneinander. Die Form ist daher jetzt als Totalität dem als gegen sie widerstandslosen Materiellen immanent. – Die Selbstischkeit als die unendliche sich auf sich beziehende Form ist als solche in die Existenz getreten; sie erhält sich in der ihr unterworfenen Äußerlichkeit und ist als die frei dies Materielle bestimmende Totalität, – die freie Individualität.[196]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 185-193,195-197.
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