c. Der Werkmeister

[508] Der Geist erscheint also hier als der Werkmeister, und sein Tun, wodurch er sich selbst als Gegenstand hervorbringt, aber den Gedanken seiner noch nicht erfaßt hat, ist ein instinktartiges Arbeiten, wie die Bienen ihre Zellen bauen.

Die erste Form, weil sie die unmittelbare ist, ist sie die abstrakte des Verstandes, und das Werk [ist] noch nicht an ihm selbst vom Geiste erfüllt. Die Kristalle der Pyramiden und Obelisken, einfache Verbindungen gerader Linien mit ebenen Oberflächen und gleichen Verhältnissen der Teile, an denen die Inkommensurabilität des Runden vertilgt ist, sind die[508] Arbeiten dieses Werkmeisters der strengen Form. Um der bloßen Verständigkeit der Form willen ist sie nicht ihre Bedeutung an ihr selbst, nicht das geistige Selbst. Die Werke empfangen also nur den Geist entweder in sich als einen fremden, abgeschiedenen Geist, der seine lebendige Durchdringung mit der Wirklichkeit verlassen [hat], selbst tot in diese des Lebens entbehrenden Kristalle einkehrt; oder sie beziehen sich äußerlich auf ihn als auf einen solchen, der selbst äußerlich und nicht als Geist da ist, – als auf das aufgehende Licht, das seine Bedeutung auf sie wirft.

Die Trennung, von welcher der arbeitende Geist ausgeht, des Ansichseins, das zum Stoffe wird, den er verarbeitet, und des Fürsichseins, welches die Seite des arbeitenden Selbstbewußtseins ist, ist ihm in seinem Werke gegenständlich geworden. Seine fernere Bemühung muß dahin gehen, diese Trennung der Seele und des Leibes aufzuheben, jene an ihr selbst zu bekleiden und zu gestalten, diesen aber zu beseelen. Beide Seiten, indem sie einander nähergebracht werden, behalten dabei die Bestimmtheit des vorgestellten Geistes und seiner umgebenden Hülle gegeneinander; seine Einigkeit mit sich selbst enthält diesen Gegensatz der Einzelheit und Allgemeinheit. Indem das Werk in seinen Seiten sich selbst [sich] nähert, so geschieht dadurch zugleich auch das andere, daß es dem arbeitenden Selbstbewußtsein nähertritt und dieses zum Wissen seiner, wie es an und für sich ist, in dem Werke gelangt. So aber macht es nur erst die abstrakte Seite der Tätigkeit des Geistes aus, welche nicht in sich selbst noch ihren Inhalt, sondern [ihn] an seinem Werke, das ein Ding ist, weiß. Der Werkmeister selbst, der ganze Geist, ist noch nicht erschienen, sondern ist das noch innere verborgene Wesen, welches als Ganzes, nur zerlegt in das tätige Selbstbewußtsein und in seinen hervorgebrachten Gegenstand, vorhanden ist.

Die umgebende Behausung also, die äußere Wirklichkeit, die[509] nur erst in die abstrakte Form des Verstandes erhoben ist, arbeitet der Werkmeister zur beseelteren Form aus. Er verwendet das Pflanzenleben dazu, das nicht mehr wie dem früheren ohnmächtigen Pantheismus heilig ist, sondern von ihm, der sich als das fürsichseiende Wesen erfaßt, als etwas Brauchbares genommen und zur Außenseite und Zierde zurückgesetzt wird. Es wird aber nicht unverändert verwendet, sondern der Arbeiter der selbstbewußten Form vertilgt zugleich die Vergänglichkeit, welche die unmittelbare Existenz dieses Lebens an ihm hat, und nähert seine organischen Formen den strengeren und allgemeineren des Gedankens. Die organische Form, die freigelassen in der Besonderheit fortwuchert, ihrerseits von der Form des Gedankens unterjocht, erhebt andererseits diese geradlinigen und ebenen Gestalten zur beseelteren Rundung, – eine Vermischung, welche die Wurzel der freien Architektur wird.

Diese Wohnung, die Seite des allgemeinen Elements oder der unorganischen Natur des Geistes, schließt nun auch eine Gestalt der Einzelheit in sich, die den vorher von dem Dasein abgeschiedenen, ihm inneren oder äußerlichen Geist der Wirklichkeit näherbringt und dadurch das Werk dem tätigen Selbstbewußtsein gleicher macht. Der Arbeiter greift zuerst zur Form des Fürsichseins überhaupt, zur Tiergestalt. Daß er sich seiner nicht mehr unmittelbar im Tierleben bewußt ist, beweist er dadurch, daß er gegen dieses sich als die hervorbringende Kraft konstituiert und in ihm als seinem Werke sich weiß; wodurch sie zugleich eine aufgehobene und die Hieroglyphe einer anderen Bedeutung, eines Gedankens wird. Daher wird sie auch nicht mehr allein und ganz vom Arbeiter gebraucht, sondern mit der Gestalt des Gedankens, mit der menschlichen, vermischt. Noch fehlt dem Werke aber die Gestalt und Dasein, worin das Selbst als Selbst existiert; – es fehlt ihm noch dies, an ihm selbst es auszusprechen, daß es eine innere Bedeutung in sich schließt, es fehlt ihm die Sprache, das Element, worin der erfüllende Sinn selbst vorhanden ist. Das Werk daher, wenn es sich von dem Tierischen[510] auch ganz gereinigt [hat] und die Gestalt des Selbstbewußtseins allein an ihm trägt, ist die noch tonlose Gestalt, die des Strahls der aufgehenden Sonne bedarf, um Ton zu haben, der, vom Lichte erzeugt, auch nur Klang und nicht Sprache ist, nur ein äußeres Selbst, nicht das innere zeigt.

Diesem äußeren Selbst der Gestalt steht die andere gegenüber, welche anzeigt, ein Inneres an ihr zu haben. Die in ihr Wesen zurückgehende Natur setzt ihre lebendige, sich vereinzelnde und in ihrer Bewegung sich verwirrende Mannigfaltigkeit zu einem unwesentlichen Gehäuse herab, das die Decke des Inneren ist; und dieses Innere ist zunächst noch die einfache Finsternis, das Unbewegte, der schwarze formlose Stein.

Beide Darstellungen enthalten die Innerlichkeit und das Dasein, – die beiden Momente des Geistes; und beide Darstellungen [enthalten sie] beide zugleich in entgegengesetztem Verhältnisse, das Selbst sowohl als Inneres wie als Äußeres. Beides ist zu vereinigen. – Die Seele der menschlich geformten Bildsäule kommt noch nicht aus dem Innern, ist noch nicht die Sprache, das Dasein, das an ihm selbst innerlich ist, – und das Innere des vielförmigen Daseins ist noch das Tonlose, sich nicht in sich selbst Unterscheidende und von seinem Äußeren, dem alle Unterschiede gehören, noch Getrennte. – Der Werkmeister vereint daher beides in der Vermischung der natürlichen und der selbstbewußten Gestalt, und diese zweideutigen, sich selbst rätselhaften Wesen, das Bewußte ringend mit dem Bewußtlosen, das einfache Innere mit dem vielgestalteten Äußeren, die Dunkelheit des Gedankens mit der Klarheit der Äußerung paarend, brechen in die Sprache tiefer, schwerverständlicher Weisheit aus.

In diesem Werke hört die instinktartige Arbeit auf, die dem Selbstbewußtsein gegenüber das bewußtlose Werk erzeugte; denn in ihm kommt der Tätigkeit des Werkmeisters, welche das Selbstbewußtsein ausmacht, ein ebenso selbstbewußtes, sich aussprechendes Inneres entgegen. Er hat sich darin zu der Entzweiung seines Bewußtseins emporgearbeitet, worin[511] der Geist dem Geiste begegnet. In dieser Einheit des selbstbewußten Geistes mit sich selbst, insofern er sich Gestalt und Gegenstand seines Bewußtseins ist, reinigen sich also seine Vermischungen mit der bewußtlosen Weise der unmittelbaren Naturgestalt. Diese Ungeheuer an Gestalt, Rede und Tat lösen sich zur geistigen Gestaltung auf, – einem Äußeren, das in sich gegangen, – einem Inneren, das sich aus sich und an sich selbst äußert; zum Gedanken, der sich gebärendes und seine Gestalt ihm gemäß erhaltendes und klares Dasein ist. Der Geist ist Künstler.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 3, Frankfurt a. M. 1979, S. 508-512.
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