2. Hugo Grotius

[224] Hugo Grotius hat zur selben Zeit das Recht der Völker betrachtet. Die eben angeführte Weise ist es, die sich bei Hugo Grotius zeigt; sie hat sich einseitig auf die physikalischen und auf die politisch-rechtlichen Gegenstände gelegt. Er legte auch die Erfahrung zugrunde für das, was gelten solle; dies ist ein Hauptmoment in der Bildung.

Hugo van Groot, geboren 1583 zu Delft, war Jurist, Generaladvokat und Syndikus; 1619 mußte er jedoch, in den Barneveldschen Prozeß verflochten, fliehen, hielt sich längere Zeit in Frankreich auf, bis er 1634 in die Dienste der Königin Christina von Schweden trat. Er wurde 1635 schwedischer Gesandter in Paris und starb 1645 in Rostock auf einer Reise von Stockholm nach Holland.

Sein Hauptwerk ist De iure belli et pacis, 1625; es liest es jetzt niemand mehr, aber es ist von der höchsten Wirksamkeit gewesen. Er hat geschichtlich und zum Teil aus dem Alten Testament zusammengestellt, wie die Völker in den verschiedenen Verhältnissen des Krieges und des Friedens gegeneinander gehandelt haben, – was gilt unter den Völkern. Er fällt ganz in empirisches Räsonieren und Zusammentragen herab. Diese empirische Zusammenstellung des Verhaltens der Völker zueinander, verbunden mit empirischem Räsonnement – z.B. Gefangene dürfen nicht getötet werden, denn der Zweck sei, den Feind zu entwaffnen dieser sei erreicht, es sei daher nicht weiterzugehen usf - , diese empirische Zusammenstellung hat die Wirkung gehabt,[224] daß allgemeine Grundsätze, verständige und vernünftige Grundsätze zum Bewußtsein gebracht sind, daß man sie anerkannt hat, daß sie mehr oder weniger annehmbar gemacht worden sind. Wir sehen Aufstellung allgemeiner Gesetze, Prinzipien, z.B. über die Berechtigung der königlichen Gewalt; das Denken hat sich an alles gewendet. Wir sind bei solchen Beweisen, Deduktionen unbefriedigt; aber wir dürfen nicht verkennen, was dadurch geleistet ist; und dies ist das Feststellen von allgemeinen Grundsätzen, die ihren letzten Grund in den Gegenständen selbst haben, – im Geist, Gedanken gegründete, bewährte Grundsätze.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 20, Frankfurt am Main 1979, S. 224-225.
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