3. Idee einer konkreten allgemeinen Einheit

[302] Das Resultat der französischen Philosophie ist, daß sie darauf drang, eine allgemeine Einheit zu erhalten, doch keine abstrakte, sondern eine konkrete. So setzte Robinet allgemeine organische Lebendigkeit, gleichförmige Weise des Entstehens. Dies Konkrete nannten sie Natur. Über diese wird Gott gesetzt, aber als das Unerkennbare; alle Prädikate, die von ihm ausgesprochen würden, enthielten Unpassendes. Man muß zugeben, daß große Vorstellungen der konkreten Einheit vorkommen, den abstrakten metaphysischen[302] Verstandesbestimmungen entgegengesetzt, – die Fruchtbarkeit der Natur. Auf der andern Seite soll, was gelten soll, Gegenwart haben und keine jenseitige Autorität sein. Die zwei Bestimmungen sind in aller Philosophie: die Konkretion der Idee und die Präsenz des Geistes darin. Dies Streben aber nach wirklich gegenwärtiger Lebendigkeit nahm Formen an, die als Abwege selbst einseitig wurden. In diesem Bestreben nach Einheit, aber konkreter Einheit, liegen auch die näheren Mannigfaltigkeiten des Inhalts.

In der theoretischen Seite ihrer Philosophie sind die Franzosen zum Materialismus oder Naturalismus fortgegangen. Denn das Bedürfnis des Verstandes, das abstrakte Denken, was aus einem festgehaltenen Prinzip die ungeheuersten Konsequenzen ziehen läßt, hat sie getrieben, ein Prinzip als das Letzte zu setzen, aber ein solches, das zugleich Gegenwart habe und der Erfahrung ganz naheliege. So nehmen sie die Empfindung und die Materie als das einzig Wahre an, worauf alles Denken, alles Moralische, wie eine bloße Modifikation des Empfindens, zurückgeführt wird.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 20, Frankfurt am Main 1979, S. 302-303.
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