a. Äußere, geschichtliche Bedingung zum Philosophieren

[70] Zuerst ist zu bemerken, daß eine gewisse Stufe der geistigen Bildung eines Volkes dazu erforderlich ist, daß überhaupt philosophiert werde. »Erst nachdem für die Not des Lebens gesorgt ist, hat man zu philosophieren angefangen«, sagt Aristoteles; denn da die Philosophie ein freies, nicht selbstsüchtiges Tun ist, so muß vorerst die Angst der Begierden verschwunden, Erstarkung, Erhebung, Befestigung des Geistes in sich eingetreten sein, Leidenschaften müssen abgerieben, das Bewußtsein so weit fortgerückt sein, um an allgemeine Gegenstände zu denken. Die Philosophie kann man daher eine Art von Luxus nennen, eben insofern Luxus diejenigen Genüsse und Beschäftigungen bezeichnet, die nicht der äußeren Notwendigkeit als solcher angehören. Insofern ist die Philosophie allerdings entbehrlich. Es kommt aber darauf an, was man notwendig nennt. Von seiten des Geistes kann man die Philosophie gerade als das Notwendigste setzen.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 70.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie
Universal-Bibliothek, Nr. 4881: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte
Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Nr. 612: Georg Wilhelm Friedrich Hegel Werke Band 12: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 18: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 19: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 20: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)