1. Einteilung

[123] Indem wir wissenschaftlich zu Werke gehen, muß diese Einteilung selbst sich als notwendig darstellen. Im allgemeinen haben wir eigentlich nur zwei Epochen der Geschichte der Philosophie zu unterscheiden, die griechische und germanische Philosophie, wie antike und moderne Kunst. Die germanische Philosophie ist die Philosophie innerhalb des Christentums, insofern es den germanischen Nationen angehört. Die christlich-europäischen Völker haben, insofern sie der Welt der Wissenschaft angehören, in ihrer Gesamtheit germanische Bildung; denn Italien, Spanien, Frankreich, England usw. haben durch die germanischen Nationen eine neue Gestalt erhalten. Das Griechentum reicht auch in die römische Welt hinein, und wir haben von der Philosophie auf dem Boden der römischen Welt zu sprechen; aber die Römer haben keine eigentümliche Philosophie hervorgebracht, sowenig als sie eigentümliche Dichter haben. Sie haben nur empfangen, nachgeahmt, oft geistreich. Selbst ihre Religion kommt von der griechischen her; die Eigentümlichkeit der römischen Religion macht keine Annäherung an die Philosophie und Kunst, sondern ist unphilosophischer und unkünstlerischer. Wenn nun der Ausgangspunkt der Geschichte der Philosophie so ausgedrückt werden kann, daß Gott als die unmittelbare, noch nicht entwickelte Allgemeinheit gefaßt wird und ihr Ziel (das Ziel unserer Zeit) ist, daß das Absolute als Geist zu fassen ist durch die dritthalbtausendjährige Arbeit des insofern trägen Weltgeistes, so macht es sich für uns leicht, von einer Bestimmung zur anderen fortzugehen, durch Aufzeigung des Mangels; im Verlauf der Geschichte ist dies aber schwierig.

Die näheren Bestimmungen jener beiden Hauptgegensätze sind anzugeben. Die griechische Welt hat den Gedanken bis[123] zur Idee entwickelt, die christlich-germanische Welt hat dagegen den Gedanken als Geist gefaßt; Idee und Geist sind die Unterschiede. Das Nähere dieses Fortgangs ist folgendes. Indem das noch unbestimmte und unmittelbare Allgemeine (Gott), das Sein, der objektive Gedanke, welcher als eifrig nichts neben sich bestehen läßt, die substantielle Grundlage aller Philosophie ist, die sich nicht verändert, sondern nur tiefer in sich geht und durch diese Entwicklung der Bestimmungen sich manifestiert, zum Bewußtsein bringt, so können wir den besonderen Charakter der Entwicklung in der ersten Periode der Philosophie so bezeichnen, daß dies Entwickeln unbefangenes Hervorgehen der Bestimmungen, Figurationen, abstrakten Qualitäten aus dem einfachen Grunde ist, der an sich schon alles enthält.

Die zweite Stufe auf dieser allgemeinen Grundlage ist das Zusammenfassen dieser so herausgesetzten Bestimmungen in ideelle, konkrete Einheit, in Weise der Subjektivität. Jene ersten Bestimmungen waren nämlich Abstraktionen, jetzt wird das Absolute, als das sich selbst bestimmende Allgemeine, als der tätige Gedanke, nicht als das Allgemeine in dieser Bestimmtheit gefaßt. So ist es als Totalität der Bestimmtheiten, als konkrete Einzelheit bestimmt. Es fängt mit dem nous des Anaxagoras, noch mehr bei Sokrates, eine subjektive Totalität an, in der das Denken sich erfaßt, wo die denkende Tätigkeit die Grundlage ist.

Das Dritte ist dann, daß diese zunächst abstrakte Totalität, indem sie durch den tätigen, bestimmenden, unterscheidenden Gedanken realisiert wird, selbst sich in ihre unterschiedenen Bestimmungen setzt, die als ideelle ihr angehören. Da diese Bestimmungen ungetrennt in der Einheit enthalten sind, also jede in ihr auch die andere ist, so werden diese entgegengesetzten Momente selbst zu Totalitäten erhoben. Die ganz allgemeinen Formen des Gegensatzes sind das Allgemeine und das Einzelne oder, in anderer Form, das Denken als solches und die äußerliche Realität, die Empfindung, das Wahrnehmen. Der Begriff ist die Identität des[124] Allgemeinen und Besonderen. Diese beiden werden dann selbst als konkret in sich gesetzt, so daß das Allgemeine in ihm selbst Einheit der Allgemeinheit und Besonderheit ist, und ebenso die Besonderheit. Die Einheit ist so in beiden Formen gesetzt. Das ganz konkrete Allgemeine ist nun der Geist, das ganz konkrete Einzelne die Natur. Die abstrakten Momente können nur durch ihre Einheit selbst erfüllt werden. Hier ist also dies eingetreten, daß die Unterschiede jeder selbst zu einem Systeme der Totalität erhoben sind, die als stoische und epikureische Philosophie sich gegenübertreten. Im Stoizismus entwickelt sich das reine Denken zur Totalität. Wird die andere Seite zum Geist, das natürliche Sein, die Empfindung zur Totalität gemacht, so haben wir Epikureismus. Jede Bestimmung ist zur Totalität des Denkens, zu einem System der Philosophie ausgebildet. Nach der Weise der Unbefangenheit dieser Sphäre erscheinen diese Prinzipien für sich selbständig als zwei Philosophien, die in Widerstreit miteinander kommen. An sich sind beide identisch, sie nehmen sich selbst aber als das Entgegengesetzte; und die Idee ist auch, wie sie gewußt ist, in einer einseitigen Bestimmtheit.

Das Höhere ist dann die Vereinigung dieser Unterschiede. Dies kann in der Vernichtung geschehen, im Skeptizismus; das Höhere ist aber das Affirmative, die Idee im Verhältnis zum Begriff. Der Begriff ist das Allgemeine, das sich in sich bestimmt, aber auch darin in seiner Einheit bleibt, in der Idealität und Durchsichtigkeit seiner Bestimmungen, die nicht selbständig werden. Das Weitere ist die Realität des Begriffs, daß die Unterschiede selbst zu Totalitäten gebracht werden. Die vierte Stufe ist die Vereinigung der Idee, daß alle diese Unterschiede als Totalitäten, doch zugleich in eine konkrete Einheit des Begriffs verwischt sind. Dieses Zusammenfassen geschieht zuerst selbst nur auf eine allgemeine Weise in diesem unbefangenen Elemente der Allgemeinheit; das allgemeine Ideal wird auf unbefangene Weise aufgefaßt.[125]

Bis zu dieser Idee ist die griechische Welt fortgegangen. Sie hat eine ideale Intellektualwelt ausgebildet, und dies ist die alexandrinische Philosophie; damit hat sich die griechische Philosophie vollführt, ihre Bestimmung erreicht. Wenn wir diesen Fortgang bildlich darstellen wollen, so ist A. das Denken α) überhaupt abstrakt, wie der allgemeine Raum; so wird der leere Raum oft für den absoluten Raum genommen. β) Dann erscheinen die einfachsten Raumbestimmungen; wir fangen mit dem Punkte an, gehen zur Linie, Winkel über. γ) Das Dritte ist ihre Verbindung zum Dreieck; es ist zwar konkret, aber noch in diesem abstrakten Elemente der Fläche gehalten, – die erste noch formelle Totalität, Begrenzung; es entspricht dem nous. B. Das Weitere ist, daß, indem wir jede der umschließenden Linien des Dreiecks selbst wieder zur Fläche werden lassen, sie sich zur Totalität des Dreiecks, zur ganzen Figur ausbildet, der sie angehört, -Realisierung in den Seiten des Ganzen, wie Skeptizismus, Stoizismus. C. Das Letzte ist, daß diese Flächen, Seitendreiecke, sich zusammen zu einem Körper, zur Totalität schließen. Der Körper ist erst vollkommene räumliche Bestimmung, das ist Verdoppelung des Dreiecks; insofern das Dreieck außerhalb des Körpers ist, paßt dies Beispiel nicht.

Der Schluß der griechischen Philosophie in den Neuplatonikern ist ein vollendetes Reich des Gedankens, der Seligkeit, eine an sich seiende Welt der Ideale, die aber unwirklich ist, weil das Ganze nur im Elemente der Allgemeinheit überhaupt steht. Dieser Welt fehlt noch die Einzelheit als solche, die ein wesentliches Moment des Begriffes ist. Zur Wirklichkeit gehört, daß in der Identität der beiden Seiten der Idee die selbständige Totalität auch als negativ gesetzt werde. Durch diese für sich seiende Negation, welche Subjektivität, absolutes Fürsichsein ist, wird die Idee erst zum Geist erhoben. Der Geist ist die Subjektivität, sich zu wissen; aber ist nur als Geist, indem er das, was ihm Gegenstand – und das ist er selbst –, als Totalität weiß und für sich Totalität ist. D.h. die zwei Dreiecke, die oben und unten am Prisma[126] sind, sollen nicht zwei sein als verdoppelt, sondern sie sollen in durchdringender Einheit sein; – oder mit dem Körper entsteht der Unterschied zwischen dem Zentrum und der übrigen körperlichen Peripherie. Dieser Gegensatz der realen Körperlichkeit gegen das Zentrum als das Einfache tritt jetzt hervor, und die Totalität ist die Vereinigung des Zentrums und der Substantialität, – aber nicht unbefangene Vereinigung, sondern daß es wissend ist gegen das Objektive, daß es das Subjektive ist gegen das Substantielle. So ist dann die Idee diese Totalität und die sich wissende Idee wesentlich unterschieden von der Subjektivität. Diese ist für sich sich setzend, aber so, daß sie als solche für sich substantiell gedacht wird. Sie ist zuerst nur formell; aber sie ist die reale Möglichkeit des Substantiellen, des an sich Allgemeinen, hat die Bestimmung, sich zu realisieren, sich identisch zu setzen mit der Substanz. Durch diese Subjektivität, negative Einheit, absolute Negativität ist das Ideal nun nicht mehr nur uns Gegenstand, sondern sich selbst Gegenstand. Dies Prinzip ist in der christlichen Welt aufgegangen. Im modernen Prinzip wird so das Subjekt für sich frei, der Mensch als Mensch frei; auf diese Bestimmung bezieht sich die Vorstellung, daß er die unendliche Bestimmung hat, substantiell zu werden durch seine Anlage, daß er Geist ist. Gott wird als Geist gewußt, der sich für sich selbst verdoppelnd diesen Unterschied aber ebenso aufhebt, für sich, bei sich in demselben ist. Das Geschäft der Welt überhaupt ist, sich mit dem Geiste auszusöhnen, sich darin zu erkennen. Dies Geschäft ist der germanischen Welt übertragen.

Der erste Beginn dieses Geschäfts ist in der Religion vorhanden; sie ist Anschauen und Glauben dieses Prinzips als eines wirklichen Daseins, ehe es zur Erkenntnis dieses Prinzips gekommen ist. In der christlichen Religion liegt dies Prinzip mehr als Gefühl, als Vorstellung; es liegt darin, daß der Mensch als Mensch bestimmt ist für die ewige Seligkeit, ein Gegenstand der göttlichen Gnade, Barmherzigkeit, des göttlichen Interesses ist, d.h. daß der Mensch[127] absolut unendlichen Wert hat. Näher liegt dies Prinzip darin, daß im Christentum das durch Christus den Menschen geoffenbarte Dogma von der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur enthalten ist: Mensch und Gott, die objektive und die subjektive Idee sind hier eins. In anderer Gestalt findet sich dies in der alten Erzählung vom Sündenfall; die Schlange hat den Menschen danach nicht betrogen, denn Gott sagt: »Siehe, Adam ist worden wie unsereiner; er weiß, was gut und böse ist.« Um diese Einheit des subjektiven Prinzips und der Substantialität ist es zu tun; es ist der Prozeß des Geistes, daß dies Eins des Subjekts sich seine unmittelbare Weise abtue und sich hervorbringe als identisch mit dem Substantiellen. Der Zweck des Menschen ist ausgesprochen als die höchste Vollkommenheit. Wir sehen hieraus, daß die religiösen Vorstellungen und die Spekulation nicht so weit voneinander entfernt sind, als man sonst wohl glaubt. Und ich führe diese Vorstellungen an, damit wir uns ihrer nicht schämen, obgleich wir hineingehören, und, wenn wir darüber hinaus sind, daß wir unserer Voreltern der früheren christlichen Zeit uns nicht schämen, die so hohe Achtung für diese Vorstellungen hatten.

Das Erste ist, daß zwei Totalitäten sind, – eine Verdoppelung der Substanz, die aber nun den Charakter hat, daß die zwei Totalitäten nicht mehr außereinanderfallen, sondern schlechthin in ihrer Beziehung aufeinander gefordert werden. Wenn früher Stoizismus und Epikureismus selbständig auftraten – deren Negativität der Skeptizismus war – und zuletzt auch die an sich seiende Allgemeinheit beider statt fand, so werden jetzt diese Momente als unterschiedene Totalitäten gewußt und sollen in ihrem Gegensatze als eins gesetzt werden. Hier haben wir die eigentliche spekulative Idee, den Begriff in seinen Bestimmungen, deren jede zur Totalität realisiert und schlechthin aufeinander bezogen ist. Wir haben also eigentlich zwei Ideen: die subjektive Idee als Wissen und dann die substantielle, konkrete Idee; und[128] die Entwicklung, Ausbildung dieses Prinzips, daß es zum Bewußtsein des Gedankens kommt, ist das Interesse der modernen Philosophie. Da sind denn die Bestimmungen konkreterer Art als bei den Alten. Dieser Gegensatz, zu dem die Seiten zugespitzt sind, in seiner allgemeinsten Bedeutung aufgefaßt, ist der Gegensatz von Denken und Sein, von Individualität und Substantialität – daß im Subjekt selbst seine Freiheit wieder im Kreise der Notwendigkeit stehe –, von Subjekt und Objekt, von Natur und Geist, insofern dieser nämlich, als endlicher, der Natur entgegengesetzt ist. Die Forderung ist, daß ihre Einheit in ihrem Gegensatze gewußt werde; das ist die Grundlage der im Christentum aufgegangenen Philosophie.

Das griechische Philosophieren ist unbefangen, weil es auf diesen Gegensatz von Sein und Denken noch nicht Rücksicht nimmt, derselbe noch nicht für es ist. Es wird philosophiert, gedacht, durch den Gedanken räsoniert, so daß im Denken die bewußtlose Voraussetzung liegt, daß das Denken auch das Sein sei. Man trifft auch Stufen der griechischen Philosophie, die auf demselben Standpunkt wie christliche Philosophien zu stehen scheinen. Wir werden bei den Griechen nicht nur die sophistische, sondern auch die neuakademische und skeptische Philosophie finden, welche die Lehre überhaupt aufstellten, daß sich das Wahre nicht erkennen lasse. Sie könnten also dasselbe als die neueren Philosophien der Subjektivität sein insofern, daß alle Denkbestimmungen nur subjektiver Art seien, wodurch über die Objektivität noch nicht entschieden würde. Es ist aber wesentlich ein Unterschied vorhanden. In den alten Philosophien, die sagten, wir wissen nur von Scheinendem, ist damit das Ganze geschlossen; es liegt nicht im Hintergrunde noch ein Ansich, ein Jenseits, von welchem auch gewußt werde, aber nicht auf begreifende, erkennende Weise. Für das Praktische überhaupt gaben die neue Akademie und die Skeptiker zu, man müsse sich nach dem Scheinenden richten. Das Scheinende aber zur Regel und Maßstab im Leben annehmen und[129] hiernach recht, sittlich, verständig (in der Arzneikunst auch z.B.) handeln, ist nicht ein Wissen von Seiendem; es ist nur Scheinendes zugrunde gelegt. Es wird also nicht zugleich damit behauptet, auch ein Wissen von dem Wahren zu sein. Die nur subjektiven Idealisten der neueren Zeit haben noch ein anderes Wissen – ein Wissen, welches nicht durchs Denken, den Begriff sei, ein unmittelbares Wissen, Glauben, Schauen, Sehnsucht nach einem Jenseits (so Jacobi). Die alten Philosophen haben keine solche Sehnsucht, sondern vielmehr vollkommene Befriedigung und Ruhe in jener Gewißheit, daß nur Scheinendes für das Wissen sei. Man muß in dieser Rücksicht genau die Standpunkte festhalten, sonst fällt man durch die Gleichheit der Resultate darein, in jenen alten Philosophien ganz die Bestimmtheit der modernen Subjektivität zu sehen. Da bei der Unbefangenheit des alten Philosophierens das Scheinende selbst die ganze Sphäre war, so waren die Zweifel am Denken gegen das Objektive nicht vorhanden.

Die neuere Zeit hat als Totalität den bestimmten Gegensatz und die wesentliche Beziehung beider Seiten. So haben wir den Gegensatz der Vernunft und des Glaubens, der eigenen Einsicht und der objektiven Wahrheit, die ohne eigene Vernunft, ja selbst mit Hintansetzung und Verzichtleistung auf dieselbe aufgenommen werden soll, – des Glaubens im kirchlichen Sinne oder des Glaubens im modernen Sinne, d. i. eines Verwerfens der Vernunft gegen eine innere Offenbarung, unmittelbare Gewißheit, Anschauung, Instinkt, in sich gefundenes Gefühl. Dies Wissen, das sich erst zu entwickeln hat, hat besonderes Interesse, indem der Gegensatz desselben und des Wissens, das sich in sich entwickelt, da durch gebildet wird. In beiden ist gesetzt die Einheit des Denkens, der Subjektivität, und der Wahrheit, der Objektivität; nur daß in der ersten Form gesagt ist, daß der natürliche Mensch vom Wahren wisse, wie er es unmittelbar glaube, während in der zweiten Form zwar auch die Einheit des Wissens und der Wahrheit ist, zugleich aber, daß sich das[130] Subjekt erhebt über die unmittelbare Weise des sinnlichen Bewußtseins und die Wahrheit erst durch Denken erringt.

Das Ziel ist, das Absolute als Geist zu denken, als Allgemeines, das als die unendliche Güte des Begriffs in seiner Realität seine Bestimmungen frei aus sich entläßt, sich ihnen ganz einbildet und mitteilt, so daß sie selbst gleichgültig außereinander sein können oder gegeneinander kämpfend; so aber, daß diese Totalitäten nur eins sind und nicht nur an sich (das wäre nur unsere Reflexion), sondern als für sich identisch, – die Bestimmungen ihres Unterschiedes sind für sich selbst nur ideelle.

Wir haben also im ganzen zwei Philosophien: die griechische und die germanische. Bei der letzten müssen wir unterscheiden die Zeit, wo die Philosophie förmlich als Philosophie hervorgetreten ist, und die Periode der Bildung und Vorbereitung für die moderne Zeit. Die germanische Philosophie können wir erst anfangen, wo sie in eigentümlicher Form als Philosophie hervortritt. Zwischen die erste Periode und die neuere Zeit fällt als Mittelperiode jenes Gären einer neuen Philosophie, das sich einerseits in dem substantiellen Wesen hält, nicht zur Form gelangt, andererseits den Gedanken als bloße Form einer vorausgesetzten Wahrheit ausbildet, bis er wieder sich als freien Grund und Quelle der Wahrheit er kennt. Die Geschichte der Philosophie zerfällt daher in die drei Perioden: der griechischen Philosophie, der Philosophie der mittleren Zeit und der Philosophie der neueren Zeit, deren die erste durch den Gedanken überhaupt bestimmt ist, die zweite in das Wesen und die formelle Reflexion zerfällt, in der dritten aber der Begriff zugrunde liegt. Dies ist nicht so zu verstehen, als ob die erste nur Gedanken enthielte; sie enthält auch Begriffe und Ideen, so wie die letztere von abstrakten Gedanken, aber vom Dualismus anfängt.

Erste Periode: von Thales Zeiten (ungefähr 600 vor Christi Geburt) bis zur neuplatonischen Philosophie (Plotin im dritten Jahrhundert) und ihrer weiteren Fortsetzung und Ausbildung (durch Proklos im fünften Jahrhundert), bis[131] alle Philosophie erlischt (diese Philosophie ist später ins Christentum hineingetreten; viele Philosophien innerhalb des Christentums haben nur neuplatonische Philosophie zur Grundlage) – ein Zeitraum von um 1000 Jahre, dessen Ende mit der Völkerwanderung und dem Untergang des Römischen Reichs zusammenfällt.

Zweite Periode: die des Mittelalters; hierher gehören die Scholastiker, geschichtlich sind auch Araber und Juden zu erwähnen; aber vornehmlich fällt diese Philosophie innerhalb der christlichen Kirche – ein Zeitraum von etwas über 1000 Jahren.

Dritte Periode: die Philosophie der neuen Zeit, für sich hervorgetreten erst seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges mit Bacon, Jakob Böhme und Cartesius (dieser fängt mit dem Unterschiede an: cogito ergo sum) – ein Zeitraum von ein paar Jahrhunderten; diese Philosophie ist so noch etwas Neues.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 123-132.
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