b. Theodoros

[546] Von den späteren Kyrenaikern ist noch erstlich Theodor zu erwähnen, als Ausbilder gerühmt. Er hat sich dadurch berühmt gemacht, »daß er das Dasein der Götter leugnete und deswegen aus Athen verbannt wurde«. Ein solches Datum kann aber weiter kein Interesse, spekulative Bedeutung haben, denn die positiven Götter, die er leugnete, sind selbst kein Gegenstand der spekulativen Vernunft. Er hat sich noch dadurch ausgezeichnet, daß er in die Vorstellung dessen, was dem Bewußtsein das Wesen war, mehr das Allgemeine hineinbrachte, indem er »Freude und Leid als den Endzweck bestimmte, – so aber, daß jene dem Verstande zugehöre, dieses dem Unverstande«. Er unterschied das Gute, seiner Form nach, vom Zwecke, seiner Realität und Inhalt nach, und bestimmte das formelle »Gute als Verstand und Gerechtigkeit, das Böse aber als das Entgegengesetzte, Vergnügen und Schmerz aber als gleichgültig«. Wenn dies[546] zum Bewußtsein kommt, daß das Einzelne, Sinnliche, Empfindung, wenigstens wie sie unmittelbar ist, nicht als Wesen zu betrachten ist, so wird also gesagt, sie müsse mit Verstand genossen werden; d.h. eben die Empfindung als das, was sie ist, ihre Unmittelbarkeit, ist nicht das Wesen. Das Sinnliche überhaupt als Empfindung theoretisch oder als praktisch ist nämlich etwas ganz Unbestimmtes, dies oder jenes Einzelne; die Beurteilung dieses Einzelnen wird notwendig, d.h. eben dasselbe in der Form der Allgemeinheit betrachten, und somit kommt diese notwendig wieder herein. Denn harmonische Empfindungen, Vergnügen haben, wo die Einzelheit beschränkt wird, ist Bildung, Allgemeinheit, – zunächst über die Einzelheit hinausgehen, berechnend, wobei größeres Vergnügen zu finden sei. Unter den vielen Vergnügen, welches ist nun das befriedigendste? – Worin die größte Harmonie mit mir ist. – Was bin Ich? – Ich bin ein Vielseitiger. Die größte Harmonie mit mir ist nur in der Übereinstimmung meines besonderen Daseins und Bewußtseins mit meinem wesentlichen substantiellen Sein. Was ist also dieses? – Verstand, Gerechtigkeit; damit man erkenne, worin das Vergnügen zu suchen sei. Wenn nun gesprochen wird, daß mit Verstand genossen werden müsse oder daß die Glückseligkeit mit Besonnenheit, mit Überlegung gesucht werden müsse, so sind dies leere Worte, gedankenloses Sprechen. Denn die Empfindung und die Glückseligkeit umfaßt sie, ist ihrem Begriffe nach das Einzelne, sich Verändernde, ohne Allgemeinheit und Bestand. Das Allgemeine (der Verstand) hängt als eine leere Form an einem ihm ganz unangemessenen Inhalte.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 546-547.
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