b. Momente des Werdens

[111] Das Werden, Entstehen und Vergehen, ist die Ungetrenntheit des Seins und Nichts; nicht die Einheit, welche vom[111] Sein und Nichts abstrahiert, sondern als Einheit des Seins und Nichts ist es diese bestimmte Einheit oder [die,] in welcher sowohl Sein als Nichts ist. Aber indem Sein und Nichts jedes ungetrennt von seinem Anderen ist, ist es nicht. Sie sind also in dieser Einheit, aber als Verschwindende, nur als Aufgehobene. Sie sinken von ihrer zunächst vorgestellten Selbständigkeit zu Momenten herab, noch unterschiedenen, aber zugleich aufgehobenen.

Nach dieser ihrer Unterschiedenheit sie aufgefaßt, ist jedes in derselben als Einheit mit dem anderen. Das Werden enthält also Sein und Nichts als zwei solche Einheiten, deren jede selbst Einheit des Seins und Nichts ist; die eine das Sein als unmittelbar und als Beziehung auf das Nichts; die andere das Nichts als unmittelbar und als Beziehung auf das Sein: die Bestimmungen sind in ungleichem Werte in diesen Einheiten.

Das Werden ist auf diese Weise in gedoppelter Bestimmung; in der einen ist das Nichts als unmittelbar, d.h. sie ist anfangend vom Nichts, das sich auf das Sein bezieht, d.h. in dasselbe übergeht, in der anderen ist das Sein als unmittelbar, d. i. sie ist anfangend vom Sein, das in das Nichts übergeht, – Entstehen und Vergehen.

Beide sind dasselbe, Werden, und auch als diese so unterschiedenen Richtungen durchdringen und paralysieren sie sich gegenseitig. Die eine ist Vergehen; Sein geht in Nichts über, aber Nichts ist ebensosehr das Gegenteil seiner selbst, Übergehen in Sein, Entstehen. Dies Entstehen ist die andere Richtung; Nichts geht in Sein über, aber Sein hebt ebensosehr sich selbst auf und ist vielmehr das Übergehen in Nichts, ist Vergehen. – Sie heben sich nicht gegenseitig, nicht das eine äußerlich das andere auf, sondern jedes hebt sich an sich selbst auf und ist an ihm selbst das Gegenteil seiner.[112]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 5, Frankfurt a. M. 1979, S. 111-113.
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