a. Das relativ Unbedingte

[113] 1. Der Grund ist das Unmittelbare und das Begründete das Vermittelte. Aber er ist setzende Reflexion; als solche macht er sich zum Gesetztsein und ist voraussetzende Reflexion; so bezieht er sich auf sich als auf ein Aufgehobenes, auf ein Unmittelbares, wodurch er selbst vermittelt ist. Diese Vermittlung, als Fortgehen vom Unmittelbaren zum Grunde, ist nicht eine äußere Reflexion, sondern, wie sich ergeben, das eigene Tun des Grundes, oder, was dasselbe ist, die Grundbeziehung ist als Reflexion in die Identität mit sich ebenso wesentlich sich entäußernde Reflexion. Das Unmittelbare, auf das der Grund sich als auf seine wesentliche Voraussetzung bezieht, ist die Bedingung; der reale Grund ist daher wesentlich bedingt. Die Bestimmtheit, die er enthält, ist das Anderssein seiner selbst.

Die Bedingung ist also erstens ein unmittelbares, mannigfaltiges Dasein. Zweitens ist dieses Dasein bezogen auf ein Anderes, auf etwas, das Grund ist, nicht dieses Daseins, sondern in anderer Rücksicht; denn das Dasein selbst ist unmittelbar und ohne Grund. Nach jener Beziehung ist es ein Gesetztes; das unmittelbare Dasein soll als Bedingung nicht für sich, sondern für Anderes sein. Aber zugleich ist dies, daß es so für Anderes ist, selbst nur ein Gesetztsein; daß es ein Gesetztes ist, ist in seiner Unmittelbarkeit aufgehoben, und ein Dasein ist dagegen, Bedingung zu sein, gleichgültig. Drittens ist die Bedingung so ein Unmittelbares, daß sie die Voraussetzung des Grundes ausmacht. Sie ist in dieser Bestimmung die in die Identität mit sich zurückgegangene Formbeziehung des Grundes, hiermit der Inhalt desselben. Aber der Inhalt als solcher ist nur die gleichgültige Einheit des Grundes als in der Form, – ohne Form kein Inhalt. Er befreit sich noch von derselben, indem die Grundbeziehung im vollständigen Grunde zu einer gegen ihre Identität[113] äußerlichen Beziehung wird, wodurch der Inhalt die Unmittelbarkeit erhält. Insofern daher die Bedingung das ist, worin die Grundbeziehung ihre Identität mit sich hat, macht sie seinen Inhalt aus; aber weil er das gegen diese Form Gleichgültige ist, ist er nur an sich ihr Inhalt, ein solches, das erst Inhalt werden soll, hiermit das Material für den Grund ausmacht. Als Bedingung gesetzt, hat das Dasein nach dem zweiten Momente die Bestimmung, seine gleichgültige Unmittelbarkeit zu verlieren und Moment eines Anderen zu werden. Durch seine Unmittelbarkeit ist es gleichgültig gegen diese Beziehung; insofern es aber in dieselbe tritt, macht es das Ansichsein des Grundes aus und ist das Unbedingte für denselben. Um Bedingung zu sein, hat es am Grunde seine Voraussetzung und ist selbst bedingt; aber diese Bestimmung ist ihm äußerlich.

2. Etwas ist nicht durch seine Bedingung; seine Bedingung ist nicht sein Grund. Sie ist das Moment der unbedingten Unmittelbarkeit für den Grund, aber ist nicht selbst die Bewegung und das Setzen, das sich negativ auf sich bezieht und sich zum Gesetztsein macht. Der Bedingung steht daher die Grundbeziehung gegenüber. Etwas hat außer seiner Bedingung auch einen Grund. – Dieser ist die leere Bewegung der Reflexion, weil sie die Unmittelbarkeit als ihre Voraussetzung außer ihr hat. Sie ist aber die ganze Form und das selbständige Vermitteln; denn die Bedingung ist nicht ihr Grund. Indem dieses Vermitteln sich als Setzen auf sich bezieht, ist es nach dieser Seite gleichfalls ein Unmittelbares und Unbedingtes; es setzt sich zwar voraus, aber als entäußertes oder aufgehobenes Setzen; das, was es hingegen seiner Bestimmung nach ist, ist es an und für sich selbst. – Insofern so die Grundbeziehung selbständige Beziehung auf sich ist und die Identität der Reflexion an ihr selbst hat, hat sie einen eigentümlichen Inhalt gegen den Inhalt der Bedingung. Jener ist Inhalt des Grundes und darum wesentlich formiert; dieser hingegen ist nur unmittelbares Material, dem die Beziehung auf den Grund zugleich ebenso äußerlich[114] ist, als es auch das Ansichsein desselben ausmacht; es ist somit eine Vermischung von selbständigem Inhalt, der keine Beziehung auf den Inhalt der Grundbestimmung hat, und von solchem, der in sie eingeht und, als ihr Material, Moment derselben werden soll.

3. Die beiden Seiten des Ganzen, Bedingung und Grund, sind also einerseits gleichgültige und unbedingte gegeneinander, – das eine als das Unbezogene, dem die Beziehung, in welcher es Bedingung ist, äußerlich ist, das andere als die Beziehung oder Form, für welche das bestimmte Dasein der Bedingung nur als Material ist, als ein Passives, dessen Form, die es für sich an ihm hat, eine unwesentliche ist. Ferner sind auch beide vermittelte. Die Bedingung ist das Ansichsein des Grundes; sie ist so sehr wesentliches Moment der Grundbeziehung, daß sie die einfache Identität desselben mit sich ist. Aber dies ist auch aufgehoben; dies Ansichsein ist nur ein gesetztes; das unmittelbare Dasein ist gleichgültig dagegen, Bedingung zu sein. Daß die Bedingung das Ansichsein für den Grund ist, macht also ihre Seite aus, nach welcher sie eine vermittelte ist. Ebenso die Grundbeziehung hat in ihrer Selbständigkeit auch eine Voraussetzung und ihr Ansichsein außer sich. – Somit ist jede der beiden Seiten der Widerspruch der gleichgültigen Unmittelbarkeit und der wesentlichen Vermittlung, bei des in einer Beziehung, – oder der Widerspruch des selbständigen Bestehens und der Bestimmung, nur Moment zu sein.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 113-115.
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