b. Die Eigenschaft

[133] Die Qualität ist die unmittelbare Bestimmtheit des Etwas, das Negative selbst, wodurch das Sein Etwas ist. So ist die Eigenschaft des Dings die Negativität der Reflexion, wodurch die Existenz überhaupt ein Existierendes und, als einfache Identität mit sich, Ding-an-sich ist. Die Negativität der Reflexion, die aufgehobene Vermittlung, ist aber wesentlich selbst Vermittlung und Beziehung, nicht auf ein Anderes überhaupt, wie die Qualität als die nicht reflektierte Bestimmtheit, sondern Beziehung auf sich als auf ein Anderes oder Vermittlung, die unmittelbar ebensosehr Identität mit sich ist. Das abstrakte Ding-an-sich ist selbst dies aus Anderem in sich zurückkehrende Verhalten; es ist dadurch an sich selbst bestimmt; aber seine Bestimmtheit ist Beschaffenheit, die als solche selbst Bestimmung ist und als Verhalten zu Anderem nicht in das Anderssein übergeht und der Veränderung entnommen ist.

Ein Ding hat Eigenschaften; sie sind erstlich seine bestimmten Beziehungen auf Anderes; die Eigenschaft ist nur vorhanden als eine Weise des Verhaltens zueinander; sie ist daher die äußerliche Reflexion und die Seite des Gesetztseins des Dings. Aber zweitens ist das Ding in diesem Gesetztsein [133] an sich; es er hält sich in der Beziehung auf Anderes; es ist also allerdings nur eine Oberfläche, mit der die Existenz sich dem Werden des Seins und der Veränderung preisgibt; die Eigenschaft verliert sich darin nicht. Ein Ding hat die Eigenschaft, dies oder jenes im Anderen zu bewirken und auf eine eigentümliche Weise sich in seiner Beziehung zu äußern. Es beweist diese Eigenschaft nur unter der Bedingung einer entsprechenden Beschaffenheit des anderen Dinges, aber sie ist ihm zugleich eigentümlich und seine mit sich identische Grundlage; – diese reflektierte Qualität heißt darum Eigenschaft. Es geht darin in eine Äußerlichkeit über, aber die Eigenschaft erhält sich darin. Das Ding wird durch seine Eigenschaften Ursache, und die Ursache ist dies, als Wirkung sich zu erhalten. Jedoch ist hier das Ding nur erst das ruhige Ding von vielen Eigenschaften, noch nicht als wirkliche Ursache bestimmt; es ist nur erst die ansichseiende, noch nicht selbst die setzende Reflexion seiner Bestimmungen.

Das Ding-an-sich ist also, wie sich ergeben hat, wesentlich nicht nur so Ding-an-sich, daß seine Eigenschaften Gesetztsein einer äußerlichen Reflexion sind, sondern sie sind seine eigenen Bestimmungen, durch die es sich auf bestimmte Weise verhält; es ist nicht eine jenseits seiner äußerlichen Existenz befindliche bestimmungslose Grundlage, sondern ist in seinen Eigenschaften, als Grund vorhanden, d.h. die Identität mit sich in seinem Gesetztsein, – aber zugleich als bedingter Grund, d.h. sein Gesetztsein ist ebensosehr sich äußerliche Reflexion; es ist nur insofern in sich reflektiert und an sich, insofern es äußerlich ist. – Durch die Existenz tritt das Ding-an-sich in äußerliche Beziehungen, und die Existenz besteht in dieser Äußerlichkeit; sie ist die Unmittelbarkeit des Seins und das Ding dadurch der Veränderung unterworfen; aber sie ist auch die reflektierte Unmittelbarkeit des Grundes, das Ding somit an sich in seiner Veränderung. – Diese Erwähnung der Grundbeziehung ist jedoch hier nicht so zu nehmen, daß das Ding überhaupt als Grund seiner Eigenschaften bestimmt sei; die Dingheit selbst ist als solche[134] die Grundbestimmung, die Eigenschaft ist nicht von ihrem Grunde unterschieden, noch macht sie bloß das Gesetztsein aus, sondern ist der in seine Äußerlichkeit übergegangene und damit wahrhaft in sich reflektierte Grund; die Eigenschaft selbst als solche ist der Grund, an sich seiendes Gesetztsein, oder er macht die Form ihrer Identität mit sich aus; ihre Bestimmtheit ist die sich äußerliche Reflexion des Grundes; und das Ganze [ist] der in seinem Abstoßen und Bestimmen, in seiner äußerlichen Unmittelbarkeit sich auf sich beziehende Grund. – Das Ding-an-sich existiert also wesentlich, und daß es existiert heißt umgekehrt: die Existenz ist als äußerliche Unmittelbarkeit zugleich Ansichsein.


Anmerkung

Es ist schon oben (1. Bd., S. 129 f.) bei dem Momente des Daseins, dem Ansichsein, des Dings-an-sich erwähnt und dabei bemerkt worden, daß das Ding-an-sich als solches nichts anderes als die leere Abstraktion von aller Bestimmtheit ist, von dem man allerdings nichts wissen kann, eben darum, weil es die Abstraktion von aller Bestimmung sein soll. – Nachdem so das Ding-an-sich als das Unbestimmte vorausgesetzt wird, so fällt alle Bestimmung außerhalb desselben, in eine ihm fremde Reflexion, gegen welche es gleichgültig ist. Dem transzendentalen Idealismus ist diese äußerliche Reflexion das Bewußtsein. Indem dieses philosophische System alle Bestimmtheit der Dinge sowohl der Form als dem Inhalte nach in das Bewußtsein verlegt, so fällt es nach diesem Standpunkt in mich, in das Subjekt, daß ich die Baumblätter nicht als schwarz, sondern als grün, die Sonne rund und nicht viereckig sehe, den Zucker süß und nicht bitter schmecke; daß ich den ersten und zweiten Schlag einer Uhr als sukzedierend und nicht nebeneinander, noch den ersten als Ursache, auch nicht als Wirkung des zweiten bestimme usf. – Dieser grellen Darstellung des subjektiven Idealismus widerspricht unmittelbar das Bewußtsein der[135] Freiheit, nach welchem Ich mich vielmehr als das Allgemeine und Unbestimmte weiß, jene mannigfaltigen und notwendigen Bestimmungen von mir abtrenne und sie als ein für mich Äußerliches, nur den Dingen Zukommendes erkenne. – Ich ist in diesem Bewußtsein seiner Freiheit sich diejenige wahrhafte, in sich reflektierte Identität, welche das Ding-an-sich sein sollte. – Anderwärts habe ich gezeigt, daß jener transzendentale Idealismus über die Beschränktheit des Ich durch das Objekt, überhaupt über die endliche Welt nicht hinauskommt, sondern allein die Form der Schranke, die ihm ein Absolutes bleibt, ändert, indem er sie nämlich nur aus der objektiven Gestalt in die subjektive übersetzt und dasjenige zu Bestimmtheiten des Ich und einem in diesem als einem Dinge vorgehenden wilden Wechsel derselben macht, was das gewöhnliche Bewußtsein als eine ihm nur äußerlichen Dingen angehörige Mannigfaltigkeit und Veränderung weiß. – In der gegenwärtigen Betrachtung steht nur das Ding-an-sich und die ihm zunächst äußerliche Reflexion gegenüber; diese hat sich noch nicht als Bewußtsein bestimmt, wie auch das Ding-an-sich nicht als Ich. Aus der Natur des Dinges-an-sich und der äußerlichen Reflexion hat sich ergeben, daß dieses Äußerliche selbst sich zum Ding-an-sich bestimmt oder umgekehrt zur eigenen Bestimmung jenes ersten Dinges-an-sich wird. Das Wesentliche der Unzulänglichkeit des Standpunkts, auf dem jene Philosophie stehenbleibt, besteht nun darin, daß sie an dem abstrakten Ding-an-sich als einer letzten Bestimmung festhält und die Reflexion oder die Bestimmtheit und Mannigfaltigkeit der Eigenschaften dem Ding-an-sich gegenüberstellt, indem in der Tat das Ding-an-sich wesentlich jene äußerliche Reflexion an ihm selbst hat und sich zu einem mit eigenen Bestimmungen, mit Eigenschaften begabten bestimmt, wodurch sich die Abstraktion des Dinges, reines Ding-an-sich zu sein, als eine unwahre Bestimmung erweist.[136]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 133-137.
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