B. Das Bestehen des Dings aus Materien

[139] Der Übergang der Eigenschaft in eine Materie oder in einen selbständigen Stoff ist der bekannte Übergang, den an der sinnlichen Materie die Chemie macht, indem sie die Eigenschaften der Farbe, des Geruchs, des Geschmacks usf. als Lichtstoff, Färbestoff, Riechstoff, sauren, bittern usf. Stoff darzustellen sucht oder andere wie den Wärmestoff, die elektrische, magnetische Materie geradezu nur annimmt und damit die Eigenschaften in ihrer Wahrhaftigkeit zu handhaben überzeugt ist. – Ebenso geläufig ist der Ausdruck, daß die Dinge aus verschiedenen Materien oder Stoffen bestehen. Man hütet sich, diese Materien oder Stoffe Dinge zu nennen, ob man wohl auch einräumen wird, daß z.B. ein Pigment ein Ding ist; ich weiß aber nicht, ob z.B. auch der Lichtstoff, der Wärmestoff oder die elektrische Materie usf. Dinge genannt werden. Man unterscheidet die Dinge und ihre Bestandteile, ohne genau anzugeben, ob diese und inwieweit sie auch Dinge oder etwa nur Halbdinge seien; aber Existierende überhaupt sind sie wenigstens.

Die Notwendigkeit, von den Eigenschaften zu Materien überzugehen, oder daß die Eigenschaften in Wahrheit Materien sind, hat sich daraus ergeben, daß sie das Wesentliche und damit das wahrhaft Selbständige der Dinge sind. – Zugleich aber macht die Reflexion der Eigenschaft in sich nur die eine Seite der ganzen Reflexion aus, nämlich das Aufheben des Unterschieds und die Kontinuität der Eigenschaft, die eine Existenz für Anderes sein sollte, mit sich selbst. Die[139] Dingheit als die negative Reflexion-in-sich und das sich von Anderem abstoßende Unterscheiden ist dadurch zu einem unwesentlichen Momente herabgesetzt; zugleich aber hat es sich damit weiter bestimmt. Dies negative Moment hat sich erstens erhalten; denn die Eigenschaft ist nur insofern mit sich kontinuierlich und selbständige Materie geworden, als sich der Unterschied der Dinge aufgehoben hat; die Kontinuität der Eigenschaft in das Anderssein enthält also selbst das Moment des Negativen, und ihre Selbständigkeit ist zugleich als diese negative Einheit das wiederhergestellte Etwas der Dingheit, – die negative Selbständigkeit gegen die positive des Stoffes. Zweitens ist hierdurch das Ding aus seiner Unbestimmtheit zur vollkommenen Bestimmtheit gediehen. Als Ding-an-sich ist es die abstrakte Identität, die einfach negative Existenz oder sie bestimmt als das Unbestimmte; alsdann ist es bestimmt durch seine Eigenschaften, durch welche es sich von anderen unterscheiden soll; aber indem es durch die Eigenschaft vielmehr kontinuierlich mit anderen ist, so hebt sich dieser unvollkommene Unterschied auf; das Ding ist dadurch in sich zurückgegangen und nun bestimmt als bestimmt; es ist an sich bestimmt oder dieses Ding.

Aber drittens ist diese Rückkehr in sich zwar die sich auf sich beziehende Bestimmung, aber sie ist zugleich unwesentlich; das mit sich kontinuierliche Bestehen macht die selbständige Materie aus, in welcher der Unterschied der Dinge, ihre an und für sich seiende Bestimmtheit aufgehoben und ein Äußerliches ist. Das Ding als dieses ist also zwar vollkommene Bestimmtheit, aber es ist dies die Bestimmtheit im Elemente der Unwesentlichkeit.

Dies von Seite der Bewegung der Eigenschaft aus betrachtet, ergibt sich so. Die Eigenschaft ist nicht nur äußerliche Bestimmung, sondern an sich seiende Existenz. Diese Einheit der Äußerlichkeit und Wesentlichkeit stößt sich, weil sie die Reflexion-in-sich und die Reflexion-in-Anderes enthält, von sich selbst ab und ist einerseits die Bestimmung als einfaches,[140] sich identisch auf sich beziehendes Selbständiges, in welchem die negative Einheit, das Eins des Dinges ein Aufgehobenes ist, andererseits diese Bestimmung gegen Anderes, aber ebenfalls als in sich reflektiertes, an sich bestimmtes Eins, – die Materien also und dieses Ding. Dies sind die zwei Momente der mit sich identischen Äußerlichkeit oder der in sich reflektierten Eigenschaft. – Die Eigenschaft war das, wodurch sich die Dinge unterscheiden sollten; indem sie sich von dieser ihrer negativen Seite, einem Anderen zu inhärieren, befreit hat, so ist damit auch das Ding von seinem Bestimmtsein durch andere Dinge befreit worden und aus der Beziehung auf Anderes in sich zurückgegangen; aber es ist zugleich nur das sich Anderes gewordene Ding-an-sich, weil die mannigfaltigen Eigenschaften ihrerseits selbständig, hierin also ihre negative Beziehung in dem Eins des Dinges nur eine aufgehobene geworden ist; es ist darum die mit sich identische Negation nur gegen die positive Kontinuität des Stoffes.

Das Diese macht also so die vollkommene Bestimmtheit des Dinges aus, daß sie zugleich eine äußerliche ist. Das Ding besteht aus selbständigen Materien, die gegen ihre Beziehung im Dinge gleichgültig sind. Diese Beziehung ist daher nur eine unwesentliche Verknüpfung derselben, und der Unterschied eines Dinges von anderen beruht darauf, ob mehrere der besonderen Materien und in welcher Menge sie sich in ihm befinden. Sie gehen über dieses Ding hinaus, kontinuieren sich in andere, und diesem Dinge anzugehören, ist keine Schranke derselben. Ebensowenig sind sie ferner eine Beschränkung füreinander, weil ihre negative Beziehung nur das kraftlose Diese ist. Sie heben sich daher, indem sie in ihm verbunden werden, nicht auf; sie sind als Selbständige undurchdringlich füreinander, beziehen sich in ihrer Bestimmtheit nur auf sich und sind eine gegeneinander gleichgültige Mannigfaltigkeit des Bestehens; sie sind nur einer quantitativen Grenze fähig. – Das Ding als dieses ist diese ihre bloß quantitative Beziehung, eine bloße Sammlung, das Auch[141] derselben. Es besteht aus irgendeinem Quantum von einem Stoffe, auch aus dem eines anderen, auch anderen; diesen Zusammenhang, keinen Zusammenhang zu haben, macht allein das Ding aus.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 139-142.
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