b. Der reale mechanische Prozeß

[419] Der mechanische Prozeß geht in Ruhe über. Die Bestimmtheit nämlich, welche das Objekt durch ihn erhält, ist nur eine äußerliche. Ein ebenso Äußerliches ist ihm diese Ruhe selbst, indem dies die dem Wirken des Objekts entgegengesetzte Bestimmtheit, aber jede dem Objekte gleichgültig ist; die Ruhe kann daher auch angesehen werden als durch eine äußerliche Ursache hervorgebracht, sosehr es dem Objekte gleichgültig war, wirkendes zu sein.

Indem nun ferner die Bestimmtheit eine gesetzte und der Begriff des Objekts durch die Vermittlung hindurch zu sich selbst zurückgegangen ist, so hat das Objekt die Bestimmtheit als eine in sich reflektierte an ihm. Die Objekte haben daher nunmehr im mechanischen Prozesse und dieser selbst ein näher bestimmtes Verhältnis. Sie sind nicht bloß verschiedene, sondern bestimmt unterschiedene gegeneinander. Das Resultat des formalen Prozesses, welches einerseits die bestimmungslose Ruhe ist, ist somit andererseits durch die in sich reflektierte Bestimmtheit die Verteilung des Gegensatzes, den das Objekt überhaupt an ihm hat, unter mehrere sich mechanisch zueinander verhaltende Objekte. Das Objekt, einerseits das Bestimmungslose, das sich unelastisch und unselbständig verhält, hat andererseits eine für andere undurchbrechbare Selbständigkeit. Die Objekte haben nun auch gegeneinander diesen bestimmteren Gegensatz der selbständigen Einzelheit und der unselbständigen Allgemeinheit. – Der nähere Unterschied kann als ein bloß quantitativer der verschiedenen Größe der Masse im Körperlichen oder der Intensität oder auf vielfache andere Weise gefaßt werden. Überhaupt aber ist er nicht bloß in jener Abstraktion festzuhalten; beide sind auch als Objekte positive Selbständige.

Das erste Moment dieses realen Prozesses ist nun wie vorhin die Mitteilung. Das Schwächere kann vom Stärkeren nur insofern gefaßt und durchdrungen werden, als es dasselbe[419] aufnimmt und eine Sphäre mit ihm ausmacht. Wie im Materiellen das Schwache gegen das unverhältnismäßig Starke gesichert ist (wie ein in der Luft freihängendes Leintuch von einer Flintenkugel nicht durchschossen, eine schwache organische Rezeptivität nicht sowohl von den starken als von den schwachen Reizmitteln angegriffen wird), so ist der ganz schwache Geist sicherer gegen den starken als ein solcher, der diesem nähersteht; wenn man sich ein ganz Dummes, Unedles vorstellen will, so kann auf dasselbe hoher Verstand, kann das Edle keinen Eindruck machen; das einzig konsequente Mittel gegen die Vernunft ist, sich mit ihr gar nicht einzulassen. – Insofern das Unselbständige mit dem Selbständigen nicht zusammengehen und keine Mitteilung zwischen ihnen stattfinden kann, kann das letztere auch keinen Widerstand leisten, d.h. das mitgeteilte Allgemeine nicht für sich spezifizieren. – Wenn sie sich nicht in einer Sphäre befänden, so wäre ihre Beziehung aufeinander ein unendliches Urteil und kein Prozeß zwischen ihnen möglich.

Der Widerstand ist das nähere Moment der Überwältigung des einen Objekts durch das andere, indem er das beginnende Moment der Verteilung des mitgeteilten Allgemeinen und des Setzens der sich auf sich beziehenden Negativität, der herzustellenden Einzelheit ist. Der Widerstand wird überwältigt, insofern seine Bestimmtheit dem mitgeteilten Allgemeinen, welches vom Objekte aufgenommen worden und sich in ihm singularisieren soll, nicht angemessen ist. Seine relative Unselbständigkeit manifestiert sich darin, daß seine Einzelheit nicht die Kapazität für das Mitgeteilte hat, daher von demselben zersprengt wird, weil es sich an diesem Allgemeinen nicht als Subjekt konstituieren, dasselbe nicht zu seinem Prädikate machen kann. – Die Gewalt gegen ein Objekt ist nur nach dieser zweiten Seite Fremdes für dasselbe. Die Macht wird dadurch zur Gewalt, daß sie, eine objektive Allgemeinheit, mit der Natur des Objekts identisch ist, aber ihre Bestimmtheit oder Negativität[420] nicht dessen eigene negative Reflexion-in-sich ist, nach welcher es ein Einzelnes ist. Insofern die Negativität des Objekts nicht an der Macht sich in sich reflektiert, die Macht nicht dessen eigene Beziehung auf sich ist, ist sie gegen dieselbe nur abstrakte Negativität, deren Manifestation der Untergang ist.

Die Macht, als die objektive Allgemeinheit und als Gewalt gegen das Objekt, ist, was Schicksal genannt wird, – ein Begriff, der innerhalb des Mechanismus fällt, insofern es blind genannt, d.h. dessen objektive Allgemeinheit vom Subjekte in seiner spezifischen Eigenheit nicht erkannt wird. – Um einiges Weniges hierüber zu bemerken, so ist das Schicksal des Lebendigen überhaupt die Gattung, welche sich durch die Vergänglichkeit der lebendigen Individuen, die sie in ihrer wirklichen Einzelheit nicht als Gattung haben, manifestiert. Als bloße Objekte haben die nur lebendigen Naturen wie die übrigen Dinge von niedrigerer Stufe kein Schicksal; was ihnen widerfährt, ist eine Zufälligkeit; aber sie sind in ihrem Begriffe als Objekte sich äußerliche; die fremde Macht des Schicksals ist daher ganz nur ihre eigene unmittelbare Natur, die Äußerlichkeit und Zufälligkeit selbst. Ein eigentliches Schicksal hat nur das Selbstbewußtsein, weil es frei, in der Einzelheit seines Ich daher schlechthin an und für sich ist und seiner objektiven Allgemeinheit sich gegenüberstellen und sich gegen sie entfremden kann. Aber durch diese Trennung selbst erregt es gegen sich das mechanische Verhältnis eines Schicksals. Damit also ein solches Gewalt über dasselbe haben könne, muß es irgendeine Bestimmtheit gegen die wesentliche Allgemeinheit sich gegeben, eine Tat begangen haben. Hierdurch hat es sich zu einem Besonderen gemacht, und dies Dasein ist als die abstrakte Allgemeinheit zugleich die für die Mitteilung seines ihm entfremdeten Wesens offene Seite; an dieser wird es in den Prozeß gerissen. Das tatlose Volk ist tadellos; es ist in die objektive, sittliche Allgemeinheit eingehüllt und darin aufgelöst, ohne die Individualität, welche das Unbewegte[421] bewegt, sich eine Bestimmtheit nach außen und eine von der objektiven abgetrennte abstrakte Allgemeinheit gibt, womit aber auch das Subjekt zu einem seines Wesens Entäußerten, einem Objekte wird und in das Verhältnis der Äußerlichkeit gegen seine Natur und des Mechanismus getreten ist.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 419-422.
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