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Periodenbau

[352] Der Periodenbau ist so meisterhaft, dass er ein eignes Studium verdiente. Er schildert überall den Gegenstand selbst, folgt ihm in allen seinen Bewegungen, besitzt dabei einen so vollen Numerus des Wohlklangs, schlingt sich so schön durch alle Theile des Rhythmus und durch die Verse hin und verbindet mit allen diesen Vorzügen eine so ungezwungene und natürliche Leichtigkeit, dass er dadurch allein gewiss sehr viel zu der Objectivität beiträgt, die wir mit so vielem Recht an diesem Gedichte bewundern. Sich hiervon im Einzelnen zu überführen, vergleiche man nur die Beschreibung des verwirrten Gepäcks auf den Wagen der Ausgewanderten und des Umschlagens eines derselben. (S. 16.)

Unter den Constructionen sind mehrere, welche eine Grammatik, die streng am alten Gebrauch hängt, Neuerungen nennen würde. So hat der Dichter z.B. die Trennung des Genitivs von dem Substantivum, das ihn regiert, sehr häufig und an einigen Stellen sehr glücklich gebraucht. Wer fühlt z.B. nicht den grösseren Nachdruck, den durch diese Wendung folgende Worte der Mutter erhalten:


Denn mir gab der Tag den Gemahl; es haben die ersten

Zeiten der wilden Zerstörung den Sohn mir der Jugend gegeben.


Aber auch da, wo sie nicht gerade diese Wirkung hervorbringt, hat sie einen Reiz, der sich manchmal besser empfinden, als erklären lässt.

Quelle:
Wilhelm von Humboldt: Werke in fünf Bänden. Band 2, Darmstadt 1963, S. 352.
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