I

[7] Im Frühlingshauch, mit frühlingsblumenzartem Leib,

Im Walde wallend, Kṛṣṇa suchend überall,

Von Kāma's Kummer schwer bedrängt, verwirrten Sinns,

Ward Rādhā von der Freundin angeredet so:

(26)


Unter malayischem, duftende Nelkengebüsche besuchendem Hauche,

Unter dem bienenumschwärmten, von Kokila's Rufen ertönenden Strauche,

Hari nun spielet im Lenze, dem frohen,

Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen.

(27)


Wo sich von Frau'n der Verreisten erheben aus sehnender Liebe die Klagen,

Bakula-Kronen den immenbelagerten Blütengeweben entragen;

Hari nun spielet im Lenze, dem frohen,

Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen.

(28)
[7]

Wo sich mit Moschusgedüfte berauschet das junge Gesproß der Tamālen,

Kimśuka-Blüten wie Madana's Nägel, die herzenzerreißenden, strahlen;

Hari nun spielet im Lenze, dem frohen,

Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen.

(29)


Wo wie die Zepter des Königs Anaṅga sind blühende Kesara's golden,

Bienengefüllet wie Köcher Kandarpa's sich zeigen die Pāṭali-Dolden;

Hari nun spielet im Lenze, dem frohen,

Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen.

(30)


Wo die entfesselte Schöpfung erblickend die sprießenden Karuṇa's lachen,

Ketakī-Stengel wie liebeverwundende Spieße die Gegend umwachen;

Hari nun spielet im Lenze, dem frohen,

Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die süß ist, wo Liebe geflohen.

(31)


Wo vom Gerank Atimukta's umarmet der Āmra, der knospende, schaudert,

Durch Vṛndāvana's Dickicht sich schlingend die schlängelnde Yámunā zaudert;

Hari nun spielet im Lenze, dem frohen,

Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen.

(33)
[8]

Nun in dem Mādhavī-Düfte verhauchenden, mālikabalsam-betauten,

Selber die Sinne des Büßers berauschenden, zaubrischen Jugendvertrauten –

Hari nun spielet im Lenze, dem frohen,

Tanzet, o Freundin, mit Mädchen, zur Zeit, die nicht süß ist, wo Liebe geflohen.

(32)


Aus Blumenstaube, der entstiebt gespaltnem Schoße

Der Malli-Blüte, webt ein hainbeflorend Florzelt

Er jetzt, der sengt das Herz wie Pañcabāṇa's Odem,

Ketakī's Duftgespiel, Duftwagenlenker Lenzwind.

(35)


Auf den, hundert Frauen zu umfangen

Geizenden, liebreizenden Murāri

In der Näh' hinzeigend, hat nun jene

Freundin wieder angeredet Rādhā'n:

(37)


Sandelgesalbeten bräunlichen Leibes im gelblichen Kleid, der Bekränzte,

Ringe des Ohres im Tanze bewegend um Wangen, von Lächeln beglänzte,

Hari im munteren Mädchengedräng,

Mit Scherzenden scherzt er im Freudengepräng.

(38)


Mit den erschwellenden wallenden Brüsten umfangend den Hari voll Preise

Singet ihm eine der Hirtinnen nach die gewirbelte Pañcama-Weise;

Hari im munteren Mädchengedräng,

Mit Scherzenden scherzt er im Freudengepräng.

(39)
[9]

Eine, die Lust hat aus lauschender Losheit der locken den Augen getrunken,

Steht in Gedanken nun in Madhusūdana's Antlitznymphäe versunken.

Hari im munteren Mädchengedräng,

Mit Scherzenden scherzt er im Freudengepräng.

(40)


Eine geschmiegt an die Seite der Wangen, um etwas ins Ohr ihm zu raunen,

Küsset geschwinde den Liebsten und machet den wonnedurchschauerten staunen.

Hari im munteren Mädchengedräng,

Mit Scherzenden scherzt er im Freudengepräng.

(41)


Eine des Wirbels der Wonne verlangende ziehet am Yamunā-Strande

Jenen zur luftigen Laube Gewandten zurück mit der Hand am Gewande.

Hari im munteren Mädchengedräng,

Mit Scherzenden scherzt er im Freudengepräng.

(42)


Wie die vom Taktschlag schütternden Spangen die Flöte begleiten im Schwunge,

Schwingt sich im rauschenden Reigen die andre, und Hari belobet die junge.

Hari im munteren Mädchengedräng,

Mit Scherzenden scherzt er im Freudengepräng.

(43)


Eine die halset er, eine die küsset er, herzet der herzigen eine,[10]

Blicket nach jener mit lieblichem Lächeln und haschet die andere feine.

Hari im munteren Mädchengedräng,

Mit Scherzenden scherzt er im Freudengepräng.

(44)


Er, der allgemeine Wonne ruft hervor durch seine Gunst,

Dessen zarter Lotosleib weiht des leiblosen Gottes Fest,

Den nach Wunsch allgegenwärtig die Hainmädchen rings umfahn,

Sieh, o Freundin, wie im Frühling unbefangen Hari spielt!

(45)

Quelle:
Gītagovinda: Das indische Hohelied des bengalischen Dichters Jayadeva. Leipzig [1920], S. 7-11.
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