III

[15] Doch es nahm der Kamsa-Feind die wollustbilderfesselnde

Spange, Rādhā, nun ans Herz, und wich vom Chor der Hirtinnen.

(1)
[15]

Dahin und dorthin ging er nach der Rhādikā

Anaṅga-Pfeileswunden fühlend in der Brust,

Herzreuevoll, und an Kalindanandinī's

Gestad' im Busche ließ sich nieder Mādhava.

(2)


O, sie ging, wie sie hier umrungen mich sah von Frauengestalten,

Im Gefühle der Schuld auch ward sie von mir zurück nicht gehalten;

Harihari! Die Gekränkte, gegangen ist sie im Zorne!

(3)


Was beginnet sie? Was wohl sinnet sie, die Verlaßne, voll Beben?

Was kann Gold nun und Gut mir gelten, was gelten Welt mir und Leben?

Harihari! Die Gekränkte, gegangen ist sie im Zorne!

(4)


Ihres Antlitzes denk' ich unter den Brau'n, vom Zorne verzogen,

Gleich der roten Nymphäe, dunkel von Bienenschwarm überflogen,

Harihari! Die Gekränkte, gegangen ist sie im Zorne!

(5)


Herzlich halt' ich sie hier umhegt, in des Herzens Räumen getragen;

Warum soll ich im Wald sie suchen, warum vergebens hier klagen?

Harihari! Die Gekränkte, gegangen ist sie im Zorne!

(6)
[16]

Schmächt'ge! Deines von Gram zerbrochenen Herzens muß ich gedenken,

Kann – ich weiß nicht, wohin du gingest – nach dir die Schritte nicht lenken.

Harihari! Die Gekränkte, gegangen ist sie im Zorne!

(7)


Du erscheinest mir! Ja, ich sehe vor meinen Augen dich schweben;

Warum willst du mit froher Hast mir wie sonst Umarmung nicht geben?

Harihari! Die Gekränkte, gegangen ist sie im Zorne!

(8)


O verzeih' mir! Und nimmer wieder von mir soll solches geschehen.

Gib, o Schönste, mir deinen Blick! Ich vergeh' in Manmatha's Wehen.

Harihari! Die Gekränkte, gegangen ist sie im Zorne!

(9)


Dies Fasernband am Herzen mir, nicht ist's der Fürst der Schlangen;

Dies Lotoslaubgewind am Hals, nicht ist's der Glanz des Giftes;

Nur Sandelstaub, nicht Asch' ist dies: befehde nicht mich kranken,

Mit Hara mich verwechselnd, was voll Grimm, Anaṅga, tobst du?

(11)
[17]

Nimm zur Hand den Āmra-Pfeil nicht! Spanne den Bogen straff!

Spielender Weltbesieger! Ist Ohnmächt'ge fällen Heldentat?

Schon vom Liebesblickgeschosse der Gazellenäugigen

Ist dies Herz genug verwundet, das bis heut sich nicht erholt.

(12)


Ist Brau' ein Bogen, Wimperblickes Schwingung

Ein Pfeil, Ohrläppchen eine Sehn', o Smara,

Wie hast du zum Triumphzug dieser Schönen

Geliehen alle Weltbesiegungswaffen!

(13)


Vom Brauenbogen Streifblickschuß, richt' er nur Gliederweh an!

Das schwarzgewundne Haarnetz auch, üb' es nur Zauberkünste!

Berückung spend', o Schmächtige, die rote Bimba- Lippe!

Doch deine zartgewölbte Brust, wie spielt mit meinem Geist sie!

(14)


Die lieblichen Berührungen, das holde schwanke Blickespiel der Augen,

Der Mundnymphäe würz'ger Duft, die Nektarträufelung der losen Worte,

Der Bimba-Lippe Süßigkeit! Da in Vergegenwärt'gung all der Reize

Mit Andacht das Gemüt an sie sich schmiegt; wie kann der Trennung Pein doch walten!

(15)

Quelle:
Gītagovinda: Das indische Hohelied des bengalischen Dichters Jayadeva. Leipzig [1920], S. 15-18.
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