[Kommentare] [2]

[387] 1. Unter den Handlungen, deren Zwecke wahrgenommen und nicht wahrgenommen werden, ist, wenn ein wahrgenommener Zweck nicht da ist, der Zweck anzunehmen, welcher zur Erhebung, zur Erlangung des Himmels dient, oder dessen Frucht der Himmel ist, d.h. der Zweck, welcher im Verdienst besteht. Wahrgenommene Zwecke sind Pflügen, Säen, Pflanzen, Melken, Kochen u.s.w., nicht wahrgenommene Zwecke: Opfer, Schenken, Opfern im Feuer, Verehrung u.s.w., weil bei Opfern u.s.w. ein wahrgenommener Zweck nicht wahrscheinlich ist. Auch ist bei Opfern u.s.w. nicht etwa ein wahrgenommenes Uebel die Frucht, weil wegen des Nicht-Daseins eines Zweckes desselben ein Opfer u.s.w. nicht vollzogen werden würde. Noch wird eine Frucht bemerkt in dem, was man Verehrung (pûjâ) nennt, weil auch von dem, welcher sie (die Frucht) nicht erlangt, Opfer u.s.w. vollzogen werden. Noch sind Opfer u.s.w. ohne Frucht, weil in diesem Falle alle die, welche nach der künftigen Welt verlangen, sich auf Opfer u.s.w. nicht einlassen würden. Noch kann man sagen, dass die Leute, – durch Jemand getäuscht, welcher Opfer u.s.w. als Mittel, den Himmel zu erlangen sich ausgedacht, um Andere zu betrügen und diese selbst vollzogen hätte, – Opfer- und andere Handlungen unternähmen, dass aber in Wahrheit Opfer- und andere Handlungen nutzlos wären; – dies muss man nicht sagen, weil es unwahrscheinlich ist, dass Opfer- und andere Handlungen, welche so viele Ausgaben und Mühe erfordern, nur, um andere zu täuschen, vollzogen werden würden. Deshalb muss man anerkennen, dass dem Opfer u.s.w. die Frucht des Himmels nothwendig zukomme. Die Hervorbringung derselben (der Frucht des Himmels) gebührt nicht den schnell verschwindenden Handlungen, und man muss desshalb ein durch dasselbe (das Opfern u.s.w.) hervorgebrachtes, unvergleichliches Verdienst annehmen. V.

2. Die inhärirende Ursache des Verdienstes ist die Seele, die nichtinhärirende die Verbindung der Seele mit dem innern Sinn, und die Mittel-Ursache der Glaube und das Wissen um den Zweck, dessen Charakter der Himmel u.s.w. ist. U.

[385] Durch das »Sowie« werden die Vorschriften der Çruti und Smriti, welche nicht genannt sind, eingeschlossen. V.

4. Verlangen, Anhänglichkeit, Nachlässigkeit, Unglaube, Stolz, Misgunst u.s.w. sind Gesinnungsfehler. U.

Gesinnungsfehler sind Begehrung, Zorn, Gewinnsucht, Wahn, Trunksucht, Selbstsucht u.s.w.

5. Unter Nicht-Mangel ist auch das Reine inbegriffen. Was ist dies nun? Darauf antwortet das Sûtra. V.

7. Etwas anderes, ein anderes Ding. Durch das »Auch« wird alles vorhin Genannte eingeschlossen. Demnach, auch ein reines Ding, wenn durch Wort, oder Gesinnung verdorben, wird unrein. V.

8. Weil die Bezähmung etwas Anderes ist, weil die Bezähmung eine Mitursache ist. Deshalb das Essen des Reinen, mit Bezähmung verbunden, bringt Verdienst hervor, wenn nicht damit verbunden, Sünde. V.

9. Wenn Bezähmung vorhanden, aber das Essen von Reinem nicht vorhanden ist, so findet Erhebung nicht Statt. Demnach ist der Sinn: beides, Bezähmung und das Essen (des Reinen) ist die Ursache des Verdienstes.

10. Nach der Lust, welche durch den Genuas von Kränzen, Sandelholz, Frauen und anderen Gegenständen hervorgebracht wird, entsteht Anhänglichkeit, d.h. ein Verlangen nach einer derartigen Lust oder nach der Ursache derselben. Ebenso muss man verstehen, dass (nach) dem Schmerze, welcher durch Schlangen, Dornen u.s.w. hervorgebracht wird, ein Abscheu vor demselben und seiner Ursache (entsteht). Weil sie zum Handeln bewegen, werden Verlangen, Abscheu und Wahn Mängel genannt. Demgemäss wird in dem Sûtra des Gotama gesagt: Mängel sind alles das, was das Merkmal hat zum Handeln zu bewegen. U.

[386] 11. Aus dem nachhaltigen Eindrucke, welcher durch den wiederholten Genuss von Gegenständen hervorgebracht wird, entsteht Verlangen u.s.w. V.

12. Durch ein besonderes Geschick, hervorgebracht nämlich durch Handlungen in einem früheren Leben, entsteht das Verlangen oder der Abscheu Jemandes mit Bezug auf irgend einen Gegenstand, wie das Verlangen von Damayanti u.s.w. nach Nala u.s.w., oder des Duryodhana u.s.w. nach Bhîma. V.

13. Aus der besonderen Gattung hat der Mensch ein Verlangen nach gekochtem Reis, das Kameel u.s.w. nach Dornen u.s.w., das Ichneumon Abscheu vor der Schlange, der Büffel vor dem Pferde. Wenn auch hier das Geschick vermittelst der Gattung Verlangen u.s.w. hervorbringt, so ist doch die Gattung die unmittelbare Ursache. V.

14. Verdienst und Vergehen meinen figürlich Handlungen, welche sie hervorbringen, wie Opfer, Feindschaft u.s.w. Das Eingehen in diese (Handlungen) hängt ab von Verlangen und Abscheu, wird durch sie hervorgebracht. Demnach durch Verlangen entsteht Eingehen in die Opferhandlung u.s.w., sodann durch die Opferhandlung u.s.w. Verdienst; auf dieselbe Weise durch Abscheu Eingehen in Feindschaft; sodann durch Feindschaft u.s.w. Vergehen. So bringt das Verlangen, als Ursache des Einlassens, auch das Verdienst u.s.w. hervor. Dies gilt im Allgemeinen. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, dass auch ohne Verlangen, Abscheu u.s.w. durch eine plötzliche Berührung von Gangeswasser u.s.w. Verdienst u.s.w. hervorgebracht würde. V.

15. Verbindung mit neuen Körpern, Geburt, Trennung von dem letzten Körper, Tod.

Quelle:
Die Lehrsprüche der Vaiçeshika-Philosophie von Kaṇâda. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 22, Leipzig 1868, S. 383–442, S. 385-388.
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