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[25] Materie ist das Bewegliche im Raume. Der Raum, der selbst beweglich ist, heißt der materielle, oder auch der relative Raum; der, in welchem alle Bewegung zuletzt gedacht werden muß (der mithin selbst schlechterdings unbeweglich ist), heißt der reine, oder auch absolute Raum.
Da in der Phoronomie von nichts als Bewegung geredet werden soll, so wird dem Subjekt derselben, nämlich der Materie, hier keine andere Eigenschaft beigelegt, als die Beweglichkeit. Sie selbst kann also so lange auch für einen Punkt gelten, und man abstrahiert in der Phoronomie von aller innern Beschaffenheit, mithin auch der Größe des Beweglichen, und hat es nur mit der Bewegung und dem, was in dieser als Größe betrachtet werden kann (Geschwindigkeit und Richtung), zu tun. – Wenn gleichwohl der Ausdruck eines Körpers hier bisweilen gebraucht werden sollte, so geschieht es nur, um die Anwendung der Prinzipien der Phoronomie auf die noch folgende bestimmtere Begriffe der Materie gewissermaßen zu antizipieren, damit der Vortrag weniger abstrakt und faßlicher sei.
Wenn ich den Begriff der Materie nicht durch ein Prädikat, was ihr selbst als Objekt zukommt, sondern nur durch das Verhältnis zum Erkenntnisvermögen, in welchem mir die Vorstellung allererst gegeben werden kann, erklären soll, so ist Materie ein jeder Gegenstand äußerer Sinne, und dieses wäre die bloß metaphysische Erklärung derselben. Der Raum aber wäre bloß die Form aller äußeren[25] sinnlichen Anschauung (ob eben dieselbe auch dem äußeren Objekt, das wir Materie nennen, an sich selbst zukomme, oder nur in der Beschaffenheit unseres Sinnes bleibe, davon ist hier gar nicht die Frage). Die Materie wäre, im Gegensatz der Form, das, was in der äußeren Anschauung ein Gegenstand der Empfindung ist, folglich das Eigentlich-empirische der sinnlichen und äußeren Anschauung, weil es gar nicht a priori gegeben werden kann. In aller Erfahrung muß etwas empfunden werden, und das ist das Reale der sinnlichen Anschauung, folglich muß auch der Raum, in welchem wir über die Bewegungen Erfahrung anstellen sollen, empfindbar, d.i. durch das, was empfunden werden kann, bezeichnet sein, und dieser, als der Inbegriff aller Gegenstände der Erfahrung und selbst ein Objekt derselben, heißt der empirische Raum. Dieser aber, als materiell, ist selbst beweglich. Ein beweglicher Raum aber, wenn seine Bewegung soll wahrgenommen werden können, setzt wiederum einen anderen erweitertern materiellen Raum voraus, in welchem er beweglich ist, dieser eben sowohl einen andern, und so forthin ins Unendliche.
Also ist alle Bewegung, die ein Gegenstand der Erfahrung ist, bloß relativ; der Raum, in dem sie wahrgenommen wird, ist ein relativer Raum, der selbst wiederum, und vielleicht in entgegengesetzter Richtung, in einem erweiterten Raume bewegt, mithin auch die in Beziehung auf den erstern bewegte Materie in Verhältnis auf den zweiten Raum ruhig genannt werden kann, und diese Abänderungen des Begriffs der Bewegungen gehen mit der Veränderung des relativen Raums so ins Unendliche fort. Einen absoluten Raum, d.i. einen solchen, der, weil er nicht materiell ist, auch kein Gegenstand der Erfahrung sein kann, als für sich gegeben annehmen heißt etwas, das weder an sich, noch in seinen Folgen (der Bewegung im absoluten Raum) wahrgenommen werden kann, um der Möglichkeit der Erfahrung willen annehmen, die doch jederzeit ohne ihn angestellt werden muß. Der absolute Raum ist also an sich nichts und gar kein Objekt, sondern bedeutet nur einen jeden andern[26] relativen Raum, den ich mir außer dem gegebenen jederzeit denken kann, und den ich nur über jeden gegebenen ins Unendliche hinausrücke, als einen solchen, der diesen einschließt und in welchem ich den ersteren als bewegt annehmen kann. Weil ich den erweiterten, obgleich immer noch materiellen, Raum nur in Gedanken habe und mir von der Materie, die ihn bezeichnet, nichts bekannt ist, so abstrahiere ich von dieser, und er wird daher wie ein reiner, nicht empirischer und absoluter Raum vorgestellt, mit dem ich jeden empirischen vergleichen und diesen in ihm als beweglich vorstellen kann, der also jederzeit als unbeweglich gilt. Ihn zum wirklichen Dinge zu machen, heißt die logische Allgemeinheit irgend eines Raums, mit dem ich jeden empirischen als darin eingeschlossen vergleichen kann, in eine physische Allgemeinheit des wirklichen Umfanges verwechseln, und die Vernunft in ihrer Idee mißverstehen.
Schließlich merke ich noch an: daß, da die Beweglichkeit eines Gegenstandes im Raum a priori und ohne Belehrung durch Erfahrung nicht erkannt werden kann, sie von mir eben darum in der Kritik der r. V. auch nicht unter die reine Verstandesbegriffe gezählt werden konnte, und daß dieser Begriff, als empirisch, nur in einer Naturwissenschaft, als angewandter Metaphysik, welche sich mit einem durch Erfahrung gegebenen Begriffe, obwohl nach Prinzipien a priori, beschäftigt, Platz finden könne.
Bewegung eines Dinges ist die Veränderung der äußeren Verhältnisse desselben zu einem gegebenen Raum.
Vorher habe ich dem Begriffe der Materie schon den Begriff der Bewegung zum Grund gelegt. Denn, da ich denselben selbst unabhängig vom Begriffe der Ausdehnung bestimmen wollte, und die Materie also auch in einem Punkte[27] betrachten könnte, so durfte ich einräumen, daß man sich daselbst der gemeinen Erklärung der Bewegung als Veränderung des Orts bedienete. Jetzt, da der Begriff einer Materie allgemein, mithin auch auf bewegte Körper passend, erklärt werden soll, so reicht jene Definition nicht zu. Denn der Ort eines jeden Körpers ist ein Punkt. Wenn man die Weite des Mondes von der Erde bestimmen will, so will man die Entfernung ihrer Örter wissen, und zu diesem Ende mißt man nicht von einem beliebigen Punkte der Oberfläche, oder des Inwendigen der Erde, zu jedem beliebigen Punkte des Mondes, sondern nimmt die kürzeste Linie vom Mittelpunkte des einen zum Mittelpunkte des andern, mithin ist von jedem dieser Körper nur ein Punkt, der seinen Ort ausmacht. Nun kann sich ein Körper bewegen, ohne seinen Ort zu verändern, wie die Erde, indem sie sich um ihre Achse dreht. Aber ihr Verhältnis zum äußeren Raume verändert sich hiebei doch; denn sie kehrt z.B. in 24 Stunden dem Monde ihre verschiedene Seiten zu, woraus denn auch allerlei wandelbare Wirkungen auf der Erde erfolgen. Nur von einem beweglichen, d.i. physischen Punkte kann man sagen: Bewegung sei jederzeit Veränderung des Orts. Man könnte wider diese Erklärung erinnern: daß die innere Bewegung, z.B. einer Gärung nicht in ihr mit eingeschlossen sei: aber das Ding, was man bewegt nennt, muß so fern als Einheit betrachtet werden. Die Materie, als z.B. ein Faß Bier, ist bewegt, bedeutet also etwas anderes, als das Bier im Fasse ist in Bewegung. Die Bewegung eines Dinges ist mit der Bewegung in diesem Dinge nicht einerlei, von der ersteren aber ist hier nur die Rede. Dieses Begriffs Anwendung aber auf den zweiten Fall ist nachher leicht.
Die Bewegungen können drehend (ohne Veränderung des Orts) oder fortschreitend, diese aber entweder den Raum erweiternd, oder auf einen gegebenen Raum eingeschränkte Bewegungen sein. Von der ersteren Art sind sie[28] geradlinichte, oder auch krummlinichte, in sich nicht zurückkehrende Bewegungen. Die von der zweiten sind die in sich zurückkehrende. Die letztern sind wiederum entweder zirkulierende oder oszillierende, d.i. Kreis-, oder schwankende Bewegungen. Die erstern legen eben denselben Raum immer in derselben Richtung, die zweiten immer wechselsweise in entgegengesetzter Richtung zurück, wie schwankende Penduln. Zu beiden gehört noch Bebung (motus tremulus), welche nicht eine fortschreitende Bewegung eines Körpers, dennoch aber eine reziprozierende Bewegung einer Materie ist, die dabei ihre Stelle im Ganzen nicht verändert, wie die Zitterungen einer geschlagenen Glocke, oder die Bebungen einer durch den Schall in Bewegung gesetzten Luft. Ich tue dieser verschiedenen Arten der Bewegung bloß darum in einer Phoronomie Erwähnung, weil man bei allen, die nicht fortschreitend sind, sich des Worts Geschwindigkeit gemeiniglich in anderer Bedeutung bedient, als bei den fortschreitenden, wie die folgende Anmerkung zeigt.
In jeder Bewegung sind Richtung und Geschwindigkeit die beiden Momente der Erwägung derselben, wenn man von allen anderen Eigenschaften des Beweglichen abstrahiert. Ich setze hier die gewöhnliche Definition beider voraus; allein die der Richtung bedarf noch verschiedener Einschränkungen. Ein im Kreise bewegter Körper verändert seine Richtung kontinuierlich, so, daß er bis zu seiner Rückkehr zum Punkte, von dem er ausging, alle in einer Fläche nur mögliche Richtungen eingeschlagen ist, und doch sagt man: er bewege sich immer in derselben Richtung, z.B. der Planet von Abend gegen Morgen.
Allein, was ist hier die Seite, nach der die Bewegung gerichtet ist? eine Frage, die mit der eine Verwandtschaft hat: worauf beruht der innere Unterschied der Schnecken, die sonst ähnlich und so gar gleich, aber davon eine Spezies rechts, die andere links gewunden ist; oder des Windens der[29] Schwertbohnen und des Hopfens, deren die erstere wie ein Pfropfenzieher, oder, wie die Seeleute es ausdrücken würden, wider die Sonne, der andere mit der Sonne um ihre Stange laufen? ein Begriff, der sich zwar konstruieren, aber, als Begriff, für sich durch allgemeine Merkmale und in der diskursiven Erkenntnisart gar nicht deutlich machen läßt, und der in den Dingen selbst (z.B. an denen seltenen Menschen, bei denen die Leicheneröffnung aller Teile nach der physiologischen Regel mit andern Menschen einstimmig, nur alle Eingeweide links oder rechts, wider die gewöhnliche Ordnung versetzt fand) keinen erdenklichen Unterschied in den innern Folgen geben kann und demnach ein wahrhafter mathematischer und zwar innerer Unterschied ist, womit der von dem Unterschiede zweier sonst in allen Stücken gleichen, der Richtung nach aber verschiedenen Kreisbewegungen, obgleich nicht völlig einerlei, dennoch aber zusammenhängend ist. Ich habe anderwärts gezeigt, daß, da sich dieser Unterschied zwar in der Anschauung geben, aber gar nicht auf deutliche Begriffe bringen, mithin nicht verständlich erklären (dari, non intelligi) läßt, er einen guten bestätigenden Beweisgrund zu dem Satze abgebe: daß der Raum überhaupt nicht zu den Eigenschaften oder Verhältnissen der Dinge an sich selbst, die sich notwendig auf objektive Begriffe müßten bringen lassen, sondern bloß zu der subjektiven Form unserer sinnlichen Anschauung von Dingen oder Verhältnissen, die uns, nach dem, was sie an sich sein mögen, völlig unbekannt bleiben, gehöre. Doch dies ist eine Abschweifung von unserem jetzigen Geschäfte, in welchem wir den Raum ganz notwendig als Eigenschaft der Dinge, die wir in Betrachtung ziehen, nämlich körperlicher Wesen, behandeln müssen, weil diese selbst nur Erscheinungen äußerer Sinne sind und nur als solche hier erklärt zu werden bedürfen. Was den Begriff der Geschwindigkeit betrifft, so bekommt dieser Ausdruck im Gebrauche auch bisweilen eine abweichende Bedeutung. Wir sagen: die Erde dreht sich geschwinder um ihre Achse als die Sonne, weil sie es in kürzerer Zeit tut; obgleich die Bewegung der[30] letzteren viel geschwinder ist. Der Blutumlauf eines kleinen Vogels ist viel geschwinder, als der eines Menschen, obgleich seine strömende Bewegung im ersteren ohne Zweifel weniger Geschwindigkeit hat, und so auch bei den Bebungen elastischer Materien. Die Kürze der Zeit der Wiederkehr, es sei der zirkulierenden oder oszillierenden Bewegung, macht den Grund dieses Gebrauchs aus, an welchem, wenn sonst nur die Mißdeutung vermieden wird, man auch nicht unrecht tut. Denn diese bloße Vergrößerung der Eile in der Wiederkehr, ohne Vergrößerung der räumlichen Geschwindigkeit, hat ihre eigene und sehr erhebliche Wirkungen in der Natur, worauf, in dem Zirkellauf der Säfte der Tiere, vielleicht noch nicht gnug Rücksicht genommen worden. In der Phoronomie brauchen wir das Wort Geschwindigkeit bloß in räumlicher Bedeutung C = S/T
Ruhe ist die beharrliche Gegenwart (praesentia perdurabilis) an demselben Orte; beharrlich aber ist das, was eine Zeit hindurch existiert, d.i. dauret.
Ein Körper, der in Bewegung ist, ist in jedem Punkte der Linie, die er durchläuft, einen Augenblick. Es frägt sich nun, ob er darin ruhe, oder sich bewege. Ohne Zweifel wird man das letztere sagen; denn er ist in diesem Punkte nur so fern, als er sich bewegt, gegenwärtig. Man nehme aber die Bewegung desselben so an:
daß der Körper mit gleichförmiger Geschwindigkeit die Linie AB vorwärts und rückwärts von B nach A zurücklege, so daß, weil der Augenblick, da er in B ist, beiden Bewegungen gemein ist, die Bewegung von A nach B in 1/2 Sek., die von B[31] nach A aber auch in 1/2 Sek., beide zusammen aber in einer ganzen Sekunde zurückgelegt worden, so daß auch nicht der kleinste Teil der Zeit auf die Gegenwart des Körpers in B aufgewandt worden: so wird, ohne den mindesten Zuwachs dieser Bewegungen, die letztere, die in der Richtung BA geschahe, in die nach der Richtung Ba, welches mit AB in einer geraden Linie liegt, verwandelt werden können, wo denn der Körper, indem er in B ist, darin nicht als ruhig, sondern als bewegt angesehen werden muß. Er mußte daher auch in der ersteren in sich selbst wiederkehrenden Bewegung in dem Punkte B als bewegt angesehen werden, welches aber unmöglich ist; weil, nach dem, was angenommen worden, es nur ein Augenblick ist, der zur Bewegung AB und zugleich zur gleichen Bewegung BA gehört, die der vorigen entgegengesetzt und mit ihr in einem und demselben Augenblicke verbunden ist, völligen Mangel der Bewegung, folglich, wenn dieser den Begriff der Ruhe ausmachte, auch in der gleichförmigen Bewegung Aa Ruhe des Körpers in jedem Punkte, z.B. in B, beweisen müßte, welches der obigen Behauptung widerspricht. Man stelle sich dagegen die Linie AB als über den Punkt A aufgerichtet vor, so, daß ein Körper von A nach B steigend, nachdem er durch die Schwere im Punkte B seine Bewegung verloren hat, von B nach A eben so wiederum zurückfalle: so frage ich, ob der Körper in B als bewegt, oder als ruhig angesehen werden könne. Ohne Zweifel wird man sagen, als ruhig: weil ihm alle vorherige Bewegung genommen worden, nachdem er diesen Punkt erreicht hat, und hernach eine gleichmäßige Bewegung zurück allererst folgen soll, folglich noch nicht da ist; der Mangel aber der Bewegung, wird man hinzusetzen, ist Ruhe. Aber in dem ersteren Falle einer angenommenen gleichförmigen Bewegung konnte die Bewegung BA auch nicht anders eintreten, als dadurch, daß vorher die Bewegung AB aufgehört hatte und die von B nach A noch nicht war, folglich, daß in B ein Mangel aller Bewegung, und, nach der gewöhnlichen Erklärung, Ruhe müßte angenommen[32] werden, aber man durfte sie doch nicht annehmen, weil, bei einer gegebenen Geschwindigkeit, kein Körper in einem Punkte seiner gleichförmigen Bewegung als ruhend gedacht werden muß. Worauf beruht denn im zweiten Falle die Anmaßung des Begriffs der Ruhe, da doch dieses Steigen und Fallen gleichfalls nur durch einen Augenblick von einander getrennt wird? Der Grund davon liegt darin, daß die letztere Bewegung nicht als gleichförmig mit gegebener Geschwindigkeit gedacht wird, sondern zuerst als gleichförmig verzögert und hernach als gleichförmig beschleunigt, so doch, daß die Geschwindigkeit im Punkte B nicht gänzlich, sondern nur bis zu einem Grad, der kleiner ist als jede nur anzugebende Geschwindigkeit, mit welcher, wenn, anstatt zurück zu fallen, die Linie seines Falles BA in die Richtung Ba gestellet, mithin der Körper immer noch als steigend betrachtet würde, er, als mit einem bloßen Moment der Geschwindigkeit (der Widerstand der Schwere wird alsdenn bei Seite gesetzt), in jeder noch so großen anzugebenden Zeit gleichförmig doch nur einen Raum, der kleiner ist als jeder anzugebende Raum, zurücklegen, mithin seinen Ort (für irgend eine mögliche Erfahrung) in alle Ewigkeit gar nicht verändern würde. Folglich wird er in den Zustand einer daurenden Gegenwart an demselben Orte, d.i. der Ruhe, versetzt, ob sie gleich wegen der kontinuierlichen Einwirkung der Schwere, d.i. der Veränderung dieses Zustandes, so fort aufgehoben wird. In einem beharrlichen Zustande sein und darin beharren (wenn nichts anderes ihn verrückt) sind zwei verschiedene Begriffe, deren einer dem anderen keinen Abbruch tut. Also kann die Ruhe nicht durch den Mangel der Bewegung, der sich, als = 0, gar nicht konstruieren läßt, sondern muß durch die beharrliche Gegenwart an demselben Orte erklärt werden, da denn dieser Begriff auch durch die Vorstellung einer Bewegung mit unendlich kleiner Geschwindigkeit, eine endliche Zeit hindurch konstruiert, mithin zu nachheriger Anwendung der Mathematik auf Naturwissenschaft genutzt werden kann.[33]
Den Begriff einer zusammengesetzten Bewegung konstruieren heißt eine Bewegung, so fern sie aus zweien oder mehreren gegebenen in einem Beweglichen vereinigt entspringt, a priori in der Anschauung darstellen.
Zur Konstruktion der Begriffe wird erfodert: daß die Bedingung ihrer Darstellung nicht von der Erfahrung entlehnt sei, also auch nicht gewisse Kräfte voraussetze, deren Existenz nur von der Erfahrung abgeleitet werden kann, oder überhaupt, daß die Bedingung der Konstruktion nicht selbst ein Begriff sein müsse, der gar nicht a priori in der Anschauung gegeben werden kann, wie z.B. der von Ursache und Wirkung, Handlung und Widerstand etc. Hier ist nun vorzüglich zu bemerken: daß Phoronomie durchaus zuerst Konstruktion der Bewegungen überhaupt als Größen, und, da sie die Materie bloß als etwas Bewegliches, mithin an welchem gar auf keine Größe derselben Rücksicht genommen wird, zum Gegenstande hat, diese Bewegungen allein als Größen, so wohl ihrer Geschwindigkeit als Richtung nach, und zwar ihrer Zusammensetzung nach a priori zu bestimmen habe. Denn so viel muß gänzlich a priori und zwar anschauend zum Behuf der angewandten Mathematik ausgemacht werden. Denn die Regeln der Verknüpfung der Bewegungen durch physische Ursachen, d.i. Kräfte, lassen sich, ehe die Grundsätze ihrer Zusammensetzung überhaupt vorher rein mathematisch zum Grunde gelegt worden, niemals gründlich vortragen.
Eine jede Bewegung, als Gegenstand einer möglichen Erfahrung, kann nach Belieben, als Bewegung des Körpers in einem ruhigen Raume, oder als Ruhe des Körpers und dagegen[34] Bewegung des Raumes in entgegengesetzter Richtung mit gleicher Geschwindigkeit angesehen werden.
Von der Bewegung eines Körpers eine Erfahrung zu machen, dazu wird erfodert: daß nicht allein der Körper, sondern auch der Raum, darin er sich bewegt, Gegenstände der äußern Erfahrung, mithin materiell sein. Eine absolute Bewegung also, d.i. in Beziehung auf einen nicht materiellen Raum, ist gar keiner Erfahrung fähig und für uns also nichts (wenn man gleich einräumen wollte, der absolute Raum sei an sich etwas). Aber auch in aller relativen Bewegung kann der Raum selbst, weil er als materiell angenommen wird, wiederum als ruhig oder bewegt vorgestellt werden. Das erstere geschieht, wenn mir über den Raum, in Beziehung auf welchen ich einen Körper als bewegt ansehe, kein mehr erweiterter und ihn einschließender gegeben ist (wie wenn ich in der Kajüte eines Schiffs eine Kugel auf dem Tische bewegt sehe); das zweite, wenn mir über diesen Raum hinaus noch ein anderer Raum, der ihn einschließt (wie im genannten Falle das Ufer des Flusses), gegeben ist, da ich denn in Ansehung des letzteren den nächsten Raum (die Kajüte) als bewegt und den Körper selbst allenfalls als ruhig ansehen kann. Da es nun schlechterdings unmöglich ist, von einem empirisch gegebenen Raume, wie erweitert er auch sei, auszumachen, ob er nicht in Ansehung eines in einem noch größeren Umfange ihn einschließenden Raumes selbst wiederum bewegt sei, oder nicht, so muß es aller Erfahrung und jeder Folge aus der Erfahrung völlig einerlei sein, ob ich einen Körper als bewegt, oder ihn als ruhig, den Raum aber in entgegengesetzter Richtung mit gleicher Geschwindigkeit bewegt ansehen will. Noch mehr; da der absolute Raum für alle mögliche Erfahrung nichts ist, so sind auch die Begriffe einerlei, ob ich sage: ein Körper bewegt sich in Ansehung dieses gegebenen Raumes in dieser Richtung mit dieser Geschwindigkeit,[35] oder ob ich ihn mir als ruhig denken, und dem Raum alles dieses, aber in entgegengesetzter Richtung, beilegen will. Denn ein jeder Begriff ist mit demjenigen, von dessen Unterschiede vom ersteren gar kein Beispiel möglich ist, völlig einerlei und nur in Beziehung auf die Verknüpfung, die wir ihm im Verstande geben wollen, verschieden.
Auch sind wir gar nicht im Stande, in irgend einer Erfahrung einen festen Punkt anzugeben, in Beziehung auf welchen, was Bewegung und Ruhe absolut heißen sollte, bestimmt würde; denn alles, was uns auf die Art gegeben wird, ist materiell, also auch beweglich, und (da wir im Raume keine äußerste Grenze möglicher Erfahrung kennen) vielleicht auch wirklich bewegt, ohne daß wir diese Bewegung woran wahrnehmen können. – Von dieser Bewegung eines Körpers im empirischen Raume kann ich nun einen Teil der gegebenen Geschwindigkeit dem Körper, den andern dem Raume, aber in entgegengesetzter Richtung, geben, und die ganze mögliche Erfahrung in Ansehung der Folgen dieser zwei verbundenen Bewegungen ist völlig einerlei mit derjenigen, da ich den Körper mit der ganzen Geschwindigkeit allein bewegt, oder ihn als ruhig und den Raum mit derselben Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung bewegt denke. Ich nehme hier aber alle Bewegungen als geradlinicht an. Denn, was die krummlinichte betrifft, da es nicht in allen Stücken einerlei ist, ob ich den Körper (z.B. die Erde in ihrer täglichen Umdrehung) als bewegt und den umgebenden Raum (den bestirnten Himmel) als ruhig, oder diesen als bewegt und jenen als ruhig anzusehen befugt bin, davon wird in der Folge besonders gehandelt werden. In der Phoronomie also, wo ich die Bewegung eines Körpers nur mit dem Raume (auf dessen Ruhe oder Bewegung jener gar keinen Einfluß hat) in Verhältnis betrachte, ist es an sich ganz unbestimmt und beliebig, ob und wie viel ich Geschwindigkeit dem einen oder dem andern von der gegebenen Bewegung beilegen will; künftig in der Mechanik, da ein bewegter Körper in wirksamer Beziehung auf andere Körper im Raume seiner Bewegung betrachtet werden soll, wird dieses nicht mehr so völlig einerlei sein, wie es an seinem Orte gezeigt werden soll.
[36] Die Zusammensetzung der Bewegung ist die Vorstellung der Bewegung eines Punkts als einerlei mit zweien oder mehreren Bewegungen desselben zusammen verbunden.
In der Phoronomie, da ich die Materie durch keine andere Eigenschaft als ihre Beweglichkeit kenne, mithin sie selbst nur als einen Punkt betrachten darf, kann die Bewegung nur als Beschreibung eines Raumes betrachtet werden, doch so, daß ich nicht bloß, wie in der Geometrie, auf den Raum, der beschrieben wird, sondern auch auf die Zeit darin, mithin auf die Geschwindigkeit, womit ein Punkt den Raum beschreibt, Acht habe. Phoronomie ist also die reine Größenlehre (mathesis) der Bewegungen. Der bestimmte Begriff von einer Größe ist der Begriff der Erzeugung der Vorstellung eines Gegenstandes durch die Zusammensetzung des Gleichartigen. Da nun der Bewegung nichts gleichartig ist, als wiederum Bewegung, so ist die Phoronomie eine Lehre der Zusammensetzung der Bewegungen eben desselben Punkts nach ihrer Richtung und Geschwindigkeit, d.i. die Vorstellung einer einzigen Bewegung, als einer solchen, die zwei und so mehrere Bewegungen zugleich in sich enthält, oder zweier Bewegungen eben desselben Punkts zugleich, so ferne sie zusammen eine ausmachen, d.i. mit dieser einerlei sind, und nicht etwa so fern sie die letztere, als Ursachen ihre Wirkung, hervorbringen. Um die Bewegung zu finden, die aus der Zusammensetzung von mehreren, so viel man will, entspringt, darf man nur, wie bei aller Größenerzeugung, zuerst diejenige suchen, die unter gegebenen Bedingungen aus zweien zusammengesetzt ist; darauf diese mit einer dritten verbunden u.s.w. Folglich läßt die Lehre der Zusammensetzung aller Bewegungen sich auf die von zweien zurückführen. Zwei Bewegungen aber eines und desselben Punkts, die zugleich an demselben angetroffen werden, können auf zwiefache Weise unterschieden[37] sein, und, als solche, auf dreifache Art an ihm verbunden werden. Erstlich geschehen sie entweder in einer und derselben Linie, oder in verschiedenen Linien zugleich; die letztere sind Bewegungen, die einen Winkel einschließen. Die, so in einer und derselben Linie geschehen, sind nun der Richtung nach entweder einander entgegengesetzt, oder halten einerlei Richtung. Da alle diese Bewegungen als zugleich geschehend betrachtet werden, so ergibt sich aus dem Verhältnis der Linien, d.i. der beschriebenen Räume der Bewegung, in gleicher Zeit, so fort auch das Verhältnis der Geschwindigkeit. Also sind der Fälle drei. 1) Da zwei Bewegungen (sie mögen von gleichen oder ungleichen Geschwindigkeiten sein), in einem Körper in derselben Richtung verbunden, eine daraus zusammengesetzte Bewegung ausmachen sollen. 2) Da zwei Bewegungen desselben Punkts (von gleicher oder ungleicher Geschwindigkeit) in entgegengesetzter Richtung verbunden durch ihre Zusammensetzung eine dritte Bewegung in derselben Linie ausmachen sollen. 3) Da zwei Bewegungen eines Punkts, mit gleichen oder ungleichen Geschwindigkeiten, aber in verschiedenen Linien, die einen Winkel einschließen, als zusammengesetzt betrachtet werden.
Die Zusammensetzung zweier Bewegungen eines und desselben Punkts kann nur dadurch gedacht werden, daß die eine derselben im absoluten Raume, statt der anderen aber eine mit der gleichen Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung geschehende Bewegung des relativen Raums, als mit derselben einerlei, vorgestellt wird.
Erster Fall. Da zwei Bewegungen in eben derselben Linie und Richtung einem und demselben Punkte zugleich zukommen.[38]
Es sollen in einer Geschwindigkeit der Bewegung zwei Geschwindigkeiten AB und ab als enthalten vorgestellt werden. Man nehme diese Geschwindigkeiten für diesmal als gleich an, so daß AB = ab ist, so sage ich, sie können in einem und demselben Raum (dem absoluten oder dem relativen) an demselben Punkte nicht zugleich vorgestellt werden. Denn, weil die Linien AB und ab, welche die Geschwindigkeiten bezeichnen, eigentlich die Räume sind, welche sie in gleichen Zeiten durchlaufen, so würde die Zusammensetzung dieser Räume AB und ab = BC, mithin die Linie AC, als die Summe der Räume, die Summe beider Geschwindigkeiten ausdrücken müssen. Aber die Teile AB und BC stellen, jede für sich, nicht die Geschwindigkeit = ab vor; denn sie werden nicht in gleicher Zeit wie ab zurückgelegt. Also stellt auch die doppelte Linie AC, die in derselben Zeit zurückgelegt wird, wie die Linie ab, nicht die zwiefache Geschwindigkeit der letztern vor, welches doch verlangt wurde. Also läßt sich die Zusammensetzung zweier Geschwindigkeiten in einer Richtung in demselben Raume nicht anschaulich darstellen.
Dagegen, wenn der Körper A mit der Geschwindigkeit AB im absoluten Raume als bewegt vorgestellt wird, und ich gebe überdem dem relativen Raume eine Geschwindigkeit ab = AB in entgegengesetzter Richtung ba = CB, so ist dieses eben dasselbe, als ob ich die letztere Geschwindigkeit dem Körper in der Richtung AB erteilt hätte (Grundsatz 1). Der Körper bewegt sich aber alsdenn in derselben Zeit durch die Summe der Linien AB und BC = 2 ab, in welcher er die Linie ab = AB allein würde zurückgelegt haben, und seine Geschwindigkeit ist doch als die Summe[39] der zweien gleichen Geschwindigkeiten AB und ab vorgestellt, welches das ist, was verlangt wurde.
Zweiter Fall. Da zwei Bewegungen in gerade entgegengesetzten Richtungen an einem und demselben Punkte sollen verbunden werden.
Es sei AB die eine dieser Bewegungen und AC die andere in entgegengesetzter Richtung, deren Geschwindigkeit wir hier der ersten gleich annehmen wollen: so würde der Gedanke selbst, zwei solche Bewegungen in einem und demselben Raume an eben demselben Punkte als zugleich vorzustellen, mithin der Fall einer solchen Zusammensetzung der Bewegungen selbst unmöglich sein, welches der Voraussetzung zuwider ist.
Dagegen denket euch die Bewegung AB im absoluten Raume, statt der Bewegung AC aber, in demselben absoluten Raume, die entgegengesetzte CA des relativen Raumes mit eben derselben Geschwindigkeit, die (nach Grundsatz 1) der Bewegung AC völlig gleich gilt und also gänzlich an die Stelle derselben gesetzt werden kann: so lassen sich zwei gerade entgegengesetzte und gleiche Bewegungen desselben Punkts zu gleicher Zeit gar wohl darstellen. Weil nun der relative Raum mit derselben Geschwindigkeit CA = AB in derselben Richtung mit dem Punkte A bewegt ist, so verändert dieser Punkt, oder der in ihm befindliche Körper, in Ansehung des relativen Raumes seinen Ort nicht, d.i. ein Körper, der nach zwei einander gerade entgegengesetzten Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit bewegt wird, ruhet, oder, allgemein ausgedrückt: seine Bewegung ist der Differenz der Geschwindigkeiten in der Richtung der größeren gleich (welches sich aus dem Bewiesenen leicht folgern läßt).
Dritter Fall. Da zwei Bewegungen eben desselben Punkts, nach Richtungen, die einen Winkel einschließen, verbunden vorgestellt werden.
Die zwei gegebenen Bewegungen sind AB und AC, deren Geschwindigkeit und Richtungen durch diese Linien, der Winkel aber, den die letztere einschließen, durch BAC ausgedruckt wird (er mag, wie hier, ein rechter, aber auch ein jeder beliebiger schiefer Winkel sein). Wenn nun diese zwei Bewegungen zugleich in den Richtungen AB und AC und zwar in einem und demselben Raume geschehen sollen: so würde sie doch nicht in diesen beiden Linien AB und AC zugleich geschehen können, sondern nur in Linien, die diesen parallel laufen. Es würde also angenommen werden müssen: daß eine dieser Bewegungen in der anderen eine Veränderung (nämlich die Abbringung von der gegebenen Bahn) wirkte, wenn gleich beiderseits Richtungen dieselbe blieben. Dieses ist aber der Voraussetzung des Lehrsatzes zuwider, welche unter dem Worte Zusammensetzung andeutet: daß beide gegebene Bewegungen in einer dritten enthalten, mithin mit dieser einerlei sein , und nicht, daß, indem eine die andere verändert, sie eine dritte hervorbringen.
Dagegen nehme man die Bewegung AC als im absoluten Raume vor sich gehend an, anstatt der Bewegung AB aber die Bewegung des relativen Raumes in entgegengesetzter Richtung. Die Linie AC sei in drei gleiche Teile AE, EF, FC geteilt. Während daß nun der Körper A im absoluten Raume die Linie AE durchläuft, durchläuft der relative Raum,[41] und mit ihm der Punkt E, den Raum Ee = MA; während daß der Körper die zwei Teile zusammen = AF durchläuft, beschreibt der relative Raum, und mit ihm der Punkt F, die Linie Ff = NA; während daß der Körper endlich die ganze Linie AC durchläuft, so beschreibt der Raum, und mit ihm der Punkt C, die Linie Cc = BA; welches alles eben dasselbe ist, als ob der Körper A in diesen drei Zeitteilen die Linien Em, Fn, und CD == AM, AN, AB und in der ganzen Zeit, darin er AC durchläuft, die Linie CD = AB durchlaufen hätte. Also ist er im letzten Augenblicke im Punkte D und in dieser ganzen Zeit nach und nach in allen Punkten der Diagonallinie AD, welche also sowohl die Richtung, als Geschwindigkeit der zusammengesetzten Bewegung ausdrückt. –
Die geometrische Konstruktion erfodert, daß eine Größe mit der andern, oder zwei Größen in der Zusammensetzung mit einer dritten einerlei sein, nicht daß sie als Ursachen die dritte hervorbringen, welches die mechanische Konstruktion sein würde. Die völlige Ähnlichkeit und Gleichheit, so fern sie nur in der Anschauung erkannt werden kann, ist die Kongruenz. Alle geometrische Konstruktion der völligen Identität beruht auf Kongruenz. Diese Kongruenz zweier zusammenverbundenen Bewegungen mit einer dritten (als dem motu composito selbst) kann nun niemals Statt haben, wenn jene beide in einem und demselben Raume, z.B. dem relativen vorgestellt werden. Daher sind alle Versuche, obigen Lehrsatz in seinen drei Fällen zu beweisen, immer nur mechanische Auflösungen gewesen, da man nämlich bewegende Ursachen durch die eine gegebene Bewegung mit einer andern verbunden eine dritte hervorbringen ließ, nicht aber Beweise, daß jene mit dieser einerlei sind, und sich, als solche, in der reinen Anschauung a priori darstellen lassen.
[42]
Wenn z.B. eine Geschwindigkeit AB doppelt genannt wird: so kann darunter nichts anders verstanden werden, als daß sie aus zwei einfachen und gleichen AB und BC (siehe Fig. 1) bestehe. Erklärt man aber eine doppelte Geschwindigkeit dadurch, daß man sagt, sie sei eine Bewegung, dadurch in derselben Zeit ein doppelt so großer Raum zurückgelegt wird, so wird hier etwas angenommen, was sich nicht von selbst versteht, nämlich: daß sich zwei gleiche Geschwindigkeiten eben so verbinden lassen, als zwei gleiche Räume, und es ist nicht für sich klar, daß eine gegebene Geschwindigkeit aus kleinem und eine Schnelligkeit aus Langsamkeiten eben so bestehe, wie ein Raum aus kleineren; denn die Teile der Geschwindigkeit sind nicht außerhalb einander, wie die Teile des Raumes, und wenn jene als Größe betrachtet werden soll, so muß der Begriff ihrer Größe, da sie intensiv ist, auf andere Art konstruiert werden, als der in der extensiven Größe des Raumes. Diese Konstruktion ist aber auf keine andere Art möglich, als durch die mittelbare Zusammensetzung zweier gleichen Bewegungen, deren eine die des Körpers, die andere des relativen Raumes in entgegengesetzter Richtung, aber eben darum mit einer ihr gleichen Bewegung des Körpers in der vorigen Richtung völlig einerlei ist. Denn in derselben Richtung lassen sich zwei gleiche Geschwindigkeiten in einem Körper gar nicht zusammensetzen, als nur durch äußere bewegende Ursachen, z.B. ein Schiff, welches den Körper mit einer dieser Geschwindigkeiten trägt, indessen daß eine andere mit dem Schiffe unbeweglich verbundene bewegende Kraft dem Körper die zweite, der vorigen gleiche, Geschwindigkeit eindrückt; wobei doch immer vorausgesetzt werden muß: daß der Körper sich mit der ersten Geschwindigkeit in freier Bewegung erhalte, indem die zweite hinzukommt; welches ein Naturgesetz bewegender Kräfte ist, wovon gar nicht die Rede sein kann, wenn die Frage lediglich ist, wie der Begriff der Geschwindigkeit[43] als eine Größe konstruieret werde. So viel von der Hinzutuung der Geschwindigkeiten zu einander. Wenn aber von der Abziehung einer von der anderen die Rede ist, so läßt sich zwar diese letztere leicht denken, wenn einmal die Möglichkeit einer Geschwindigkeit als Größe durch Hinzutuung eingeräumt worden, aber jener Begriff läßt sich nicht so leicht konstruieren. Denn zu dem Ende müssen zwei entgegengesetzte Bewegungen in einem Körper verbunden werden; aber wie soll dieses geschehen? Unmittelbar, d.i. in Ansehung eben desselben ruhenden Raumes ist es unmöglich, sich zwei gleiche Bewegungen in entgegengesetzter Richtung an demselben Körper zu denken; aber die Vorstellung der Unmöglichkeit dieser beiden Bewegungen in einem Körper ist nicht der Begriff von der Ruhe desselben, sondernder Unmöglichkeit der Konstruktion dieser Zusammensetzung entgegengesetzter Bewegungen, die doch im Lehrsatz als möglich angenommen wird. Diese Konstruktion ist aber nicht anders möglich, als durch die Verbindung der Bewegung des Körpers mit der Bewegung des Raums, wie gewiesen worden. Endlich, was die Zusammensetzung zweier Bewegungen, deren Richtung einen Winkel einschließt, betrifft, so läßt sie sich an dem Körper in Beziehung auf einen und denselben Raum gleichfalls nicht denken, wenn man nicht gar eine derselben durch äußere kontinuierlich einfließende Kraft (z. E. ein den Körper forttragendes Fahrzeug) gewirkt, die andern als sich selbst hiebei unverändert erhaltend, annimmt, oder überhaupt, man muß bewegende Kräfte und Erzeugung einer dritten Bewegung aus zwei vereinigten Kräften zum Grunde legen, welches zwar die mechanische Ausführung dessen, was ein Begriff enthält, aber nicht die mathematische Konstruktion derselben ist, die nur anschaulich machen soll, was das Objekt (als Quantum) sei; nicht wie es durch Natur oder Kunst vermittelst gewisser Werkzeuge und Kräfte hervorgebracht werden könne. – Die Zusammensetzung der Bewegungen, um ihr Verhältnis zu andern als Größe zu bestimmen, muß nach den Regeln der Kongruenz[44] geschehen, welches in allen dreien Fällen nur vermittelst der Bewegung des Raums, die mit einer der zwei gegebenen Bewegungen kongruiert, und dadurch beide mit der zusammengesetzten kongruieren, möglich ist.
Phoronomie, nicht als reine Bewegungslehre, sondern bloß als reine Größenlehre der Bewegung, in welcher die Materie nach keiner Eigenschaft mehr als der bloßen Beweglichkeit gedacht wird, enthält also nichts mehr als bloß diesen einzigen, durch die angeführte drei Fälle geführten Lehrsatz von der Zusammensetzung der Bewegung und zwar von der Möglichkeit der geradlinichten Bewegung allein, nicht der krummlinichten. Denn, weil in dieser die Bewegung kontinuierlich (der Richtung nach) verändert wird, so muß eine Ursache dieser Veränderung, welche nun nicht der bloße Raum sein kann, herbeigezogen werden. Daß man aber gewöhnlich unter der Benennung der zusammengesetzten Bewegung nur den einzigen Fall, da die Richtungen derselben einen Winkel einschließen, verstand, dadurch ward zwar wohl eben nicht der Physik, wohl aber dem Prinzip der Einteilung einer reinen philosophischen Wissenschaft überhaupt einiger Abbruch getan. Denn was die erstere betrifft, so lassen sich alle im obigen Lehrsatze behandelte drei Fälle im dritten allein hinreichend darstellen. Denn, wenn der Winkel, den die zwei gegebenen Bewegungen einschließen, als unendlich klein gedacht wird, so enthält er den ersten; wird er aber als von einer einzigen geraden Linie nur unendlich wenig unterschieden vorgestellt, so enthält er den zweiten Fall; so daß sich freilich in dem bekannten Lehrsatze der zusammengesetzten Bewegung alle drei von uns genannte Fälle, als in einer allgemeinen Formel, geben lassen. Man konnte aber auf diese Art nicht wohl die Größenlehre der Bewegung nach ihren Teilen a priori eingehen lernen, welches in mancher Absicht auch seinen Nutzen hat.
Hat jemand Lust, die gedachten drei Teile des allgemeinen phoronomischen Lehrsatzes an das Schema der Einteilung[45] aller reinen Verstandesbegriffe, namentlich hier der des Begriffs der Größe zu halten, so wird er bemerken: daß, da der Begriff einer Größe jederzeit den der Zusammensetzung des Gleichartigen enthält, die Lehre der Zusammensetzung der Bewegungen zugleich die reine Größenlehre derselben sei, und zwar nach allen drei Momenten, die der Raum an die Hand gibt, der Einheit der Linie und Richtung, der Vielheit der Richtungen in einer und derselben Linie, endlich der Allheit der Richtungen sowohl, als der Linien, nach denen die Bewegung geschehen mag, welches die Bestimmung aller möglichen Bewegung als eines Quantum enthält, wiewohl die Quantität derselben (an einem beweglichen Punkte) bloß in der Geschwindigkeit besteht. Diese Bemerkung hat nur in der Transzendentalphilosophie ihren Nutzen.[46]
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