2. Das Lichtschloß

[62] Meister Kung besah das Lichtschloß9. Da erblickte er an den Mauern der vier Tore Bilder von Yau und Schun, von Gië und Dschou-Sin. Bei jedem trat in seinem Aussehen die Güte oder Bosheit zutage, sie waren mit Sprüchen versehen, die vom Lohn des Guten und der Strafe des Bösen handelten. Ferner war da ein Bild des Herzogs von Dschou, wie er dem König Tscheng als Kanzler diente. Er war dargestellt, wie er mit dem jungen König auf dem Arm vor einer mit Beilen geschmückten Wand auf dem Thron saß, die Lehnsfürsten um sich versammelnd. Meister Kung ging hin und her und schaute es an, dann sprach er zu denen, die ihm folgten: »Das zeigt den Grund, warum Dschou so zu Ehren kam. Ein Spiegel muß klar sein, um die Gestalten zu zeigen. Aus der grauen Vorzeit mag man die Gegenwart verstehen. Ein Herrscher der Menschen, der nicht darauf bedacht ist, in den Spuren solcher Männer zu wandeln und dadurch für Ruhe und Bestand zu sorgen, sondern auf nichts mehr aus ist als auf Dinge, die ihm Gefahr und Untergang bringen, gleicht einem Mann, der rückwärts geht und gerne seinen Vorgänger einholen möchte. Ist das nicht Selbstbetrug?10«

9

Über das Lichtschloß Ming Tang vgl. das Kapitel Ming Tang We des Li Gi, Legge 2 S. 29–39. Es wurde für sakrale Zeremonien sowohl wie für Audienzen benutzt.

10

Dieser Ausspruch Kungs findet sich ähnlich mehrfach in der älteren Literatur, u.a. im Da Dai Li Gi, Wilhelm, Buch der Sitte S. 229–230.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 62-63.
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