5. Die Not des Gerechten in übler Zeit

[69] Meister Kung las in den Liedern. Als er im Lied »Vom ersten Monat«7 an die sechste Strophe kam, da sprach er ängstlich und voll Bestürzung: »Ein Edler, der keinen Erfolg hat, ist wirklich schlimm daran. Folgt er den Oberen und tut es der Welt gleich, so geht der Sinn (Tao) zugrunde, widersteht er den Oberen und scheidet er sich von den herrschenden Gebräuchen, so kommt sein Leben in Gefahr. Wer, wenn die Zeit seinem Aufstieg zuwider ist, für sich allein das Gute pflegt und sich unabhängig hält, der gilt entweder für einen Sonderling oder für einen Narren. Darum ist der Weise, wenn er nicht seine Zeit trifft, stets in Gefahr, vorzeitig ums Leben zu kommen. Solche Fälle wie die Ermordung Lung Pangs8 durch den Tyrannen Gië oder die Ermordung des Bi Gan9 durch den Tyrannen Dschou-Sin sind von dieser Art. In dem Liede heißt es:
[69]

Nennt man den Himmel noch so hoch,

Zu gehen nicht wag' ich aufgericht't.

Nennt man die Erde noch so fest,

Auch nur zu schleichen wag' ich nicht.


Das zeigt, wie man befürchten muß, nach oben und nach unten hin Anstoß zu erregen, so daß man schließlich nicht mehr weiß, wo bleiben.«

7

Schï Ging 192, Strauß S. 310. Die 6. Strophe ist die weiter unten zitierte. Das Lied wurde als die Klage eines verstoßenen Beamten zur Zeit des Königs Yu aufgefaßt.

8

Guan Lung Pang soll den letzten König der Hia ermahnt haben, sich zu bessern.

9

Der Prinz Bi Gan hatte durch seine Vorhaltungen den Zorn des letzten Königs der Schang erregt.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 69-70.
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