1. Dsï Lus erste Begegnung mit dem Meister

[99] Als Dsï Lu zum erstenmal den Meister Kung besuchte1, sprach der Meister: »An was hast du die meiste Freude?«

Er erwiderte: »Am meisten freut mich mein langes Schwert.« Der Meister sprach: »Nicht danach habe ich gefragt. Ich dachte nur, wenn man deine Fähigkeiten noch durch Bildung vermehren würde, so würde niemand dir gleichkommen.«

Dsï Lu sprach: »Was hat denn die Bildung für einen Wert?«

Meister Kung sprach: »Ein Fürst der Menschen, der keinen Diener hat, der ihn ermahnt, verliert den rechten Weg. Ein[99] Gebildeter, der keinen Freund hat, der ihn belehrt, verliert die Fähigkeit, auf andre zu hören. Ein wildes Pferd muß stets im Zügel gehalten werden, ein guter Bogen muß in der Presse gehalten werden. Holz, das nach der Richtschnur geschnitten wird, ist gerade. Ein Mensch, der Ermahnungen empfängt, wird gut. Wer sich belehren läßt und das Fragen wichtig nimmt, dem gelingt alles. Wer die Güte verachtet und die Gebildeten haßt, bekommt mit dem Strafgesetz zu tun. Darum darf es der Edle nicht unterlassen, sich zu bilden.«

Dsï Lu sprach: »Auf den Bergen des Südens wächst der Bambus. Der ist von selber gerade, ohne daß man ihn erst zurechtbiegt. Haut man ihn ab, so kann man damit auch eines Nashorns Haut durchbohren. Wenn man es von dieser Seite nimmt, was hat da die Bildung für einen Wert?«

Meister Kung sprach: »Wenn du den Bambus mit einer Kerbe versiehst und fiederst, ihn mit einer Spitze versiehst und schleifst, wird er dann nicht noch tiefer eindringen?«

Da verneigte sich Dsï Lu zweimal und sprach: »Ich will ehrfurchtsvoll Eure Lehren empfangen.«

1

vgl. 10,5

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 99-100.
Lizenz: