4. Der alte Bekannte

[146] Meister Kung hatte einen alten Bekannten namens Yüan Jang4. Als dessen Mutter gestorben war, wollte ihm der Meister einen lackierten Außensarg beisteuern.

Dsï Lu sprach: »Ich habe Euch einst sagen hören, Meister, man solle keinen Freund haben, der nicht mit uns gleicher Gesinnung sei, und daß, wenn man einen Fehler gemacht habe, man sich nicht scheuen solle, ihn zu verbessern. Scheut Ihr Euch etwa? Wenn nicht, wäre es dann nicht richtiger, Schluß zu machen mit dieser Freundschaft?« Meister Kung sprach: »In den Liedern heißt es:


Traf irgendwen ein Trauerfall,

Ich kroch hinzu, um ihm zu helfen5.


Wieviel mehr muß ich einem alten Bekannten beispringen, wenn er auch nicht mein Freund ist. Ich will zu ihm.«

Und er schenkte ihm einen Außensarg. Yüan Jang stieg aber auf den Sarg und sprach: »Ich habe mir schon lange nicht mehr mit einem Liedchen Luft gemacht.« Darauf sang er:


»Gemasert ist das Holz wie der Kopf eines Pardels

Und glatt, als faßte man die Hand eines Mädchens.«


Der Meister übersah es und blickte weg, als hörte er es nicht. Dann ging er weiter. Dsï Lu sprach: »So weit beugt Ihr Eure Grundsätze, Meister, daß Ihr Euch das zuschulden[146] kommen laßt? Ist es immer noch nicht Zeit, Schluß zu machen?«

Meister Kung sprach: »Ein Verwandter bleibt immer ein Verwandter, und ein alter Bekannter bleibt immer ein alter Bekannter.«

4

Über die Taktlosigkeit dieses Mannes vgl. Lun Yü 14, 46; Wilhelm 5. 168.

5

Schï Ging 35, 4; Strauß S. 105.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 146-147.
Lizenz: