5. Fiat justitia

[162] Meister Kung las in der Geschichte des Staates Dsin. Dschau Tschuan hatte den Herzog Ling von Dsin getötet. Dschau Dun, der vor dem Fürsten auf der Flucht war, hatte in diesem Augenblick noch nicht die Grenzberge überschritten gehabt. Er kehrte zurück. Der Geschichtsschreiber zeichnete den Vorfall folgendermaßen auf:

»Dschau Dun hat seinen Fürsten ermordet.« Dschau Dun sprach: »So ist es nicht gewesen.« Da sprach der Geschichtsschreiber: »Ihr seid der höchste Beamte im Land.[162]

Ihr waret geflohen und hattet noch nicht die Grenze überschritten. Ihr kamet zurück und habt den Mörder4 nicht bestraft. Wenn Ihr es nicht gewesen seid, wer war es dann?« Dschau Dun sprach: »Wehe mir. Auf mich treffen die Worte des Liedes:


Den ich liebe,

Der hat sich selbst ins Leid gebracht5


Meister Kung sprach seufzend: »Dung Hu6 war ein echter Geschichtsschreiber von alter Art. Er schrieb seine Geschichte so gerecht, daß er keinen Fehler verhüllte. Dschau Dun war ein echter Minister von alter Art, der um der Gerechtigkeit willen also leiden mußte. Daß er zu leiden hatte, ist zu bedauern. Wäre er schon außer Landes gewesen, so wäre er allem entgangen.«

4

der sein Verwandter war.

5

Schï Ging 33, 1; Strauß S. 102.

6

Name des Geschichtsschreibers von Dsin.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 162-163.
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