5. Das Brettspiel und der Edle

[28] Herzog Ai fragte den Meister Kung und sprach: »Es heißt, der Edle halte sich dem Brettspiel fern; ist das wahr?«

Meister Kung sprach: »Ja.«

Der Herzog sprach: »Warum?«

Der Meister erwiderte: »Weil es zwei Arten zu ziehen gestattet.«1

Der Herzog sprach: »Warum soll man deshalb nicht das Brettspiel spielen, weil es zwei Arten von Zügen hat?«

Der Meister sprach: »Weil man dabei gleichzeitig auch den schlechten Weg wählen darf.«

Der Herzog erschrak. Nach einer Weile fragte er wieder: »So gründlich haßt also der Edle den schlechten Weg?«

Meister Kung sprach: »Wenn der Edle den schlechten Weg[28] nicht gründlich haßte, so würde er auch den guten Weg nicht von Grund auf lieben. Wenn er aber den guten Weg nicht von Grund auf liebte, so würde das Volk seinem Fürsten auch nicht von Grund auf zugetan sein. Im Buch der Lieder heißt es:


Wenn ich meinen Herrn nicht sehe,

Ist mein Herz von Trauer schwer.

Wenn ich ihn sehen kann,

Wenn ich ihn treffen kann,

Dann wird mein Herz still2.


So sehr liebt das Buch der Lieder den guten Weg.«

Der Herzog sprach: »Wundervoll! Der Edle hilft dem anderen zum Guten, er hilft ihm nicht zum Schlechten. Wenn Ihr, mein Meister, nicht zu mir gesprochen, so hätte ich nie etwas darüber erfahren.«

1

Das Brettspiel Bo hatte 36 Wege und zwei Arten zu ziehen, eine direkte und eine indirekte. Die indirekte hieß der schlechte Weg. Es ist auch im Lun Yü 17, 22 (Wilhelm S. 198), hier als ein zulässiger Zeitvertreib, erwähnt.

2

siehe Schï Ging 14, Strauß S. 80.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 28-29.
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