2. Der Weg des Wirkens

[46] Bo-Tschang Kiën2 befragte den Meister Kung und sprach: »Ich bin freilich nur ein niedriger Diener des Hauses Dschou, doch halte ich mich nicht für unwürdig, einem Edlen ehrfürchtig zu dienen, deshalb erlaube ich mir eine Frage: Wollte man dem rechten Weg (Tao) entsprechend handeln, so findet man keine Anerkennung unter diesem Geschlecht; wollte man den rechten Weg verleugnen bei seinen Handlungen, so widerspricht das unserem Gefühl.[46] Nun möchte ich wissen, gibt es einen Weg, auf dem man so handeln kann, daß man selbst nicht zur Erfolglosigkeit verdammt ist und doch auch den rechten Weg nicht zu verleugnen braucht?«

Meister Kung sprach: »Vortrefflich ist Eure Frage. Ich habe noch nie einen Menschen gehört, der wie Ihr, mein Herr, in seinen Worten so einsichtig gewesen wäre. Ich habe einst gehört, daß der Edle, wenn er vom Wege spricht, beachtet, daß, wenn der Hörer nicht aufmerkt, der Weg keinen Eingang findet, und daß man, wenn man zu sehr ins Große und Außerordentliche geht, das sich nicht nachprüfen läßt, keinen Glauben findet für den Weg.

Wiederum habe ich gehört, daß, wenn der Edle von Regierungsangelegenheiten redet, er beachtet, daß, wenn die Ordnungen keine festen Regeln haben, die Regierungsangelegenheiten sich nicht durchführen lassen und daß, wenn die Regierung allzu kleinlich und genau ist, das Volk nicht zur Ruhe kommt.

Wiederum habe ich gehört, daß, wenn der Edle von seinen Entschlüssen redet, er beachtet, daß, wer zu hart und unbeugsam ist, nichts zu Ende bringt, wer zu bequem und lässig ist, häufig zu Schaden kommt, wer hochmütig und herrisch ist, keine Liebe findet, und wer auf Vorteil aus ist, unter allen Umständen zugrunde geht.

Wiederum habe ich gehört, daß der Edle, dem es um das Wohl seiner Zeit zu tun ist, sich nicht vordrängt, wo es einem leicht gemacht wird, und sich nicht hintan hält, wo es einem schwer gemacht wird, daß er ein Ideal zeigt, aber niemand zu seiner Befolgung zwingt, und daß er den rechten Weg vor Augen stellt, ohne Rechthaberei. Diese vier Dinge sind es, die ich gehört habe.«

2

Bo-Tschang Kiën ist als ein Beamter des Dschou-Hauses oder auch als ein Beamter des Staates Tsi erwähnt. In der einzigen Parallelstelle zu diesem Abschnitt, dem Yen Dsï Tschun Tsiu, ist sein Gegenspieler nicht Kung, sondern Meister Yen Ping Dschung, der bekannte Minister von Tsi, ein Zeitgenosse von Kung, von dem Kung mit Hochachtung gesprochen hat. Siehe Lun Yü 5, 16, Wilhelm S. 44.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 46-47.
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