1. Kapitel
Der mittlere Frühlingsmonat / Dschung Tschun

[14] Im mittleren Frühlingsmonat steht die Sonne im Zeichen Kui. Zur Zeit der Abenddämmerung kulminiert das Sternbild Hu. Zur Zeit der Morgendämmerung kulminiert das Sternbild Giän Sing. Seine Tage sind Gia und I. Sein göttlicher Herrscher ist Tai Hau (der große Leuchtende). Sein Schutzgeist ist Gou Mang (der Säer). Seine Tiere sind die Schuppentiere. Seine Note ist Güo. Seine Tonart ist Gia Dschung1. Seine Zahl ist acht. Sein Geschmack ist sauer. Sein Geruch ist muffig. Man opfert den Türgeistern. Unter den Opfergaben steht die Milz voran.

Der Regen beginnt zu fallen. Die Pfirsiche und Pflaumen blühen. Die Goldamsel singt. Die Habichte verwandeln sich in Turteltauben2.

Der Himmelssohn weilt in der Sonnenhalle in der Tsing Yang Halle im Tai Miau Raum3. Er fährt im Fasanenwagen, an dem große blauschwarze Drachenpferde angespannt sind. Es werden grüne Flaggen aufgesteckt. Man kleidet sich in grüne Kleider und trägt grünen Nephrit. Man ißt Weizen und Schaffleisch. Die Opfergefäße sind durchbrochen, um die Luft durchziehen zu lassen.

In diesem Monat schont man die Keime und Sprossen; man pflegt das Neugeborene und Junge und sorgt für alle Waisen.

Der Himmelssohn wählt einen günstigen Tag und läßt auf den Erdaltären Gebete darbringen4.

Er befiehlt den Beamten, die Gefängnisse zu besuchen5, die Hand- und Fußfesseln zu entfernen, ungerechtfertigte Prügelstrafen zu verhindern und Prozesse und Strafsachen einzustellen.

In diesem Monat kommt die dunkle Schwalbe zurück. Am Tag ihrer Rückkunft opfert man ein Vollopfer6 für den Gott der Ehen7. Der König geht persönlich hin. Die Königin führt ihm die Frauen des Hofes zu8. Diejenige, der sich der König genaht, wird geehrt; man reicht ihr einen Köcher, Bogen und Pfeile angesichts der Gottheit[14] der Ehen9. In diesem Monat ist die Tag- und Nachtgleiche. Der Donner erhebt seinen Laut, und der Blitz erscheint wieder. Die Tiere, die Winterschlaf gehalten, regen sich alle wieder; sie öffnen ihre Türen und beginnen hervorzukommen.

Drei Tage, ehe es zum erstenmale donnert, wird die Glocke geläutet, um die Volksmenge darauf aufmerksam zu machen. Man spricht dabei: Der Donner wird nun bald seine Stimme wieder ertönen lassen, wer nicht acht gibt auf sein Benehmen, wird Kinder bekommen, die Fehler haben; sicherlich wird es Elend und Unheil geben.

Am Tag der Tag- und Nachtgleiche vergleicht man die Längenmaße, die Hohlmaße, die Gewichte, die Wagebalken, Zentner, Malter, Scheffel und Eimer. Man bringt die Gewichtsteine in Ordnung.

In diesem Monat weilen die Pflüger wenig zu Hause. Man bringt die Türen und Türflügel in Ordnung; man setzt die Gemächer und Tempel instand; man beginnt keine großen Unternehmungen10, die die Landarbeit beeinträchtigen würden.

In diesem Monat trocknet man keine Wasserläufe und Seen aus; man läßt keine Fischteiche ablaufen; man brennt keine Wälder ab11. Der Himmelssohn opfert ein Lamm und läßt die Eiskeller öffnen, aus denen er zuerst ein Opfer im Ahnentempel darbringt12.

Am ersten Ding Tage13 erhält der Musikmeister den Auftrag, im Palast den Unterricht im Tanzen zu beginnen. Dabei werden bunte Stoffe vor ihn gebracht; der Himmelssohn geht in eigner Person an der Spitze der drei Großwürdenträger und neun hohen Räte und der Fürsten hin, um zuzuschauen. Am mittleren Ding Tage erhält der Musikmeister wiederum, den Befehl, sich zur Schule zu begeben und den Unterricht in der Musik zu beginnen.

In diesem Monat verwendet man bei den Bittopfern keine Opfertiere, sondern man verwendet Zepter und Ringe aus Nephrit, um sie zu ersetzen, und Felle und Seiden.

Wenn im zweiten Frühlingsmonat die für den Herbst gültigen Ordnungen befolgt würden, so würde im Lande große Überschwemmung entstehen, kalte Winde würden sich allenthalben erheben,[15] Räuber und Waffen würden das Land überschwemmen. Wenn die für den Winter gültigen Ordnungen befolgt würden, so würde die lichte Kraft nicht zum Sieg kommen; der Weizen würde nicht reifen und die Leute würden einander berauben. Wenn die für den Sommer gültigen Ordnungen befolgt würden, so würde große Dürre im Lande herrschen; die Hitze würde zu früh kommen und Heuschrecken und andere Insekten würden Schaden tun.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 14-16.
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