1. Kapitel
Der Mittlere Herbstmonat / Dschung Tsiu

[92] Im mittleren Herbstmonat steht die Sonne im Zeichen Güo1. Zur Zeit der Abenddämmerung kulminiert das Sternbild Kiän Niu. Zur Zeit der Morgendämmerung kulminiert das Sternbild Dsiu Hi. Seine Tage sind Gong und Sin. Sein göttlicher Herrscher ist Schau Hau. Sein Schutzgeist ist Jou Schou. Seine Tiere sind die behaarten Tiere, seine Note ist Schang, seine Tonart Nan Lü2. Seine Zahl ist neun. Sein Geschmack ist scharf; sein Geruch ist metallisch. Man opfert dem Torgeist. Unter den Opfergaben steht die Leber obenan.

Der kühle Wind entsteht, die Wandergans kommt. Der dunkle Vogel3 kehrt heim. Alle Vögel pflegen ihr Gefieder.

Der Himmelssohn weilt in der Dsung Dschang-Halle im großen Tempel4. Er fährt im Kriegswagen, an dem Schimmel mit schwarzen Schwänzen angespannt sind. Es werden weiße Flaggen aufgesteckt. Man kleidet sich in weiße Kleider und trägt weißen Nephritschmuck. Man ißt Sesam und Hundefleisch. Die Gefäße sind kantig und tief.

In diesem Monat pflegt man die Alten und Schwachen. Man verleiht ihnen Armstützen und Stäbe. Man gibt ihnen Reisbrei, Speise und Trank.

Dann erhält auch der Kleidermeister den Befehl, die Unter- und Oberkleider und ihre verschiedenen Verzierungen bereitzustellen. Die Stickereien haben ihre bestimmten Regeln in Beziehung auf Größe; die Kleider haben ihr bestimmtes Maß in Beziehung auf Länge. Das Maß der Kleider muß mit dem Hergebrachten übereinstimmen. Die Kopfbedeckungen und Gürtel haben ihre bestimmte Form.

Die ritterlichen Beamten erhalten den Befehl, die Prüfung der Strafen fortzuführen, damit Enthauptung und sonstige Todesstrafen stets nur die Schuldigen treffen und nicht etwa ein Unschuldiger[92] darunter zu leiden habe. Wenn die Strafen über Unschuldige in unrichtiger Weise verhängt werden, so bewirken sie als Vergeltung Unheil vom Himmel.

In diesem Monat erhält der Opferpriester und der Liturg den Befehl, die zum Opfer bestimmten Tiere zu untersuchen, zu sehen, ob sie vollkommen sind, und dafür zu sorgen, daß sie in der richtigen Weise mit Stroh oder Korn gefüttert werden5, zu prüfen, ob sie fett oder mager sind, und die Farbe der Haare zu untersuchen, damit sie sicher von der rechten Art sind, die rechte Größe haben und die rechte Länge an ihnen erblickt wird, so daß alles mit dem festen Maße übereinstimmt. Wenn diese fünf Stücke in Ordnung sind, so sind die Opfertiere dem höchsten Gott genehm.

Der Himmelssohn bringt Opfer dar zur Vertreibung der feindseligen Krankheitsdünste6, um der Herbstluft zum Durchzug zu verhelfen. Er kostet Sesam mit Hundefleisch und bringt zuerst davon im Ahnentempel dar.

In diesem Monat mag man Stadtmauern und Türme bauen, Hauptstädte und Städte gründen, unterirdische Kanäle und Abzugsgräben graben und runde und eckige Scheunen bauen.

Die Steuerbeamten erhalten die Anweisung, vom Volke den Tribut einzutreiben, Korn und Bohnen einzusammeln und große Vorräte aufzuhäufen.

Darauf ermahnen sie das Volk, den Weizen zu säen, damit nicht etwa jemand die Zeit versäume. Wer es aber dennoch tut, der soll ohne Zögern bestraft werden.

In diesem Monat findet die Tag- und Nachtgleiche statt. Der Donner beginnt seinen Laut einzuziehen. Die Winterschläfer schließen die Öffnungen ihrer Zufluchtsorte. Der Todeshauch wird immer kräftiger, der Lebenshauch nimmt täglich ab. Das Wasser beginnt auszutrocknen.

An der Tag- und Nachtgleiche führt man die Einheit der Längen- und Hohlmaße durch. Man vergleicht die Gewichte und Wagebalken. Man berichtigt die 30 und 20 Pfund-Gewichte, man eicht die Scheffel und Eimer.

In diesem Monat erleichtert man die Abgaben an den Zollschranken[93] und auf den Märkten, um die reisenden Kaufleute anzulocken, damit sie ihre Waren und Schätze anbringen zur Deckung der Bedürfnisse des Volkes. Wenn sie von allen Seiten herbeiströmen und aus fernen Landen herzukommen, so ist kein Mangel an Waren da, die Regierung entbehrt nicht ihrer Bedürfnisse und alle Geschäfte erledigen sich leicht. Bei der Unternehmung irgendeiner Arbeit darf man der Bestimmung des Himmels nicht widerstreben. Man muß sich nach seiner Zeit richten und sich an seine Art anpassen.

Wenn man diese Ordnung befolgt, so fällt in allen drei Dekaden weißer Tau. Wenn im mittleren Herbstmonat die für den Frühling gültigen Ordnungen befolgt würden, so würde der Herbstregen nicht fallen, die Pflanzen würden zu blühen beginnen und im Lande gäbe es große Befürchtungen. Wenn die für den Sommer gültigen Ordnungen befolgt würden, so würde es Dürre im Lande geben, die Winterschläfer würden sich nicht zurückziehen, das Getreide würde wieder ausschlagen. Wenn die für den Winter gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden häufige Sturmschäden eintreffen, der Donner, der sich zurückgezogen, würde sich vorzeitig wieder äußern und die Pflanzen würden frühe sterben.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 92-94.
Lizenz: