7. Kapitel
Antworten / Ying Yän

[310] Bo Gui sagte zu dem König von Liang-We: »Wenn man einen Tiegel von Schï Kiu benützt, um Hühner zu kochen, und nimmt zu viel Fleischbrühe dazu, so werden sie fade und ungenießbar; nimmt man wenig Brühe dazu, so wird das Fleisch angebrannt und nicht gar. Aber sieht man den Tiegel an, so sieht er wundervoll aus, nur daß man ihn nicht brauchen kann. Die Worte des Hui Dsï gleichen auch einem solchen Tiegel.«

Hui Dsï hörte es und sprach: »Nein, wenn man drei Heere, die hungrig sind, neben dem Tiegel lagern läßt und ihnen darin Reis kocht, so gibt es nichts Praktischeres als solch einen Tiegel.«[310]

Bo Gui hörte es und sprach: »Er ist zu nichts nütze, höchstens, daß man vielleicht Reis darin kocht.«

Bo Gui's Worte waren ungehörig, er verachtete den König von We allzusehr. Indem er die Worte des Hui Dsï als wundervoll aber unbrauchbar bezeichnete, machte er dem König von We den Vorwurf, daß er einen Menschen, dessen Worte unbrauchbar waren, zum höchsten Minister gemacht habe; damit war gesagt, daß er einen Menschen, dessen Worte unbrauchbar waren, für gut hielt.

Gung-Sun Lung riet dem König Dschau von Yän abzurüsten. König Dschau sprach: »Sehr gut, ich will mit Euch die Sache beraten.« Gung-Sun Lung sprach: »Ich erlaube mir zu vermuten, daß Ew. Majestät das nicht tun werden.«

Der König sprach: »Weshalb?«

Gung-Sun Lung sprach: »Einst hattet Ihr die Absicht, Tsi zu vernichten, da hattet Ihr alle Staatsmänner auf Erden, die ein Interesse an der Vernichtung von Tsi hatten, in Eurem Sold. Alle, die um die Pässe und wichtigen festen Plätze von Tsi und die Uneinigkeiten zwischen Fürst und Beamten wußten, hattet Ihr auch in Eurem Sold. Wenn Ihr trotz dieser Kenntnisse Tsi nicht hättet vernichten wollen, so hättet Ihr sie wohl nicht alle besoldet. Schließlich vernichtetet Ihr tatsächlich Tsi und rechnetet es Euch zum Verdienst an. Wenn Ihr nun sagt: Ich bin sehr damit einverstanden abzurüsten, während die Staatsmänner aus aller Herren Länder, die sich an Eurem Hofe aufhalten, alle sich auf das Kriegswesen besonders gut verstehen, so schließe ich daraus, daß Ihr es doch nicht tun werdet.«

Der König wußte nichts zu erwidern.

Sï-Ma Hi21, der zeitweise am Hofe von Dschung Schan weilte, wollte einen Lehrer der Sekte des Mo in Verlegenheit bringen, indem er in Anwesenheit des Königs von Dschung Schan über die Abhandlung gegen den Angriffskrieg sprach.

Er sprach: »Ihr lehrt also die Verurteilung des Angriffskriegs?«

Der Anhänger des Mo Di sprach: »Ja.«

Sï-Ma Hi sprach: »Wenn der König ein Heer ausschickte, um den Staat Yän anzugreifen, so würdet Ihr ihn also verurteilen?«[311]

Jener sprach: »Ja. Würdet Ihr etwa seine Handlung billigen?«

Sï-Ma Hi sprach: »Ja.«

Jener sprach: »Wenn nun Dschau ein Heer ausrüstet und Dschung Schan angreift, so würdet Ihr das auch billigen. Nicht wahr?«

Sï-Ma Hi wußte nichts darauf zu erwidern.

Lu Yüo sagte zu Dschou Po22: »Wenn Ihr nicht durchaus auf Euer Vaterland Dschau versessen seid, so wird die ganze Welt Eurem Beispiel folgen.« Dschou Po sprach: »Wir möchten freilich, daß die ganze Welt unserm Beispiel folgt, aber wenn uns die Welt folgt, so hat den Vorteil davon der Staat Tsin.« Lu Yüo entgegnete ihm: »Nun, Ihr gönnt doch dem Staat Tsin seinen Vorteil.« Dschou Po sprach: »Ja.« Lu Yüo sprach: »Wenn Ihr damit einverstanden seid, warum schließt Ihr Euch dann nicht an Tsin an?«

Der Herzog von Liang-We beauftragte den Mong Ang23, die Kreise Giang, Fen und An I dem König von Tsin abzutreten. Der König war darüber erfreut und beauftragte den Ki Gia24, für den Mong Ang bei dem König von We die Stelle eines Landesinspektors zu beantragen. Der König von We war mißvergnügt darüber und entgegnete dem Ki Gia: »Mong Ang ist mein Beamter, ich möchte aber lieber den Dsang zum Landesinspektor machen als den Mong Ang. Ich bitte Euren König, mir jemand anderes zu empfehlen.« Ki Gia ging hinaus und begegnete dem Mong Ang im Hof. Mong Ang sprach: »Wie steht es mit Eurer Sache?« Ki Gia sprach: »Ihr seid bei Eurem Herrn sehr wenig gut angeschrieben. Euer Herr sagte, er wolle lieber den Dsang als Landesinspektor als Euch.«

Mong Ang trat vor den König und sprach: »Was hat der Gesandte von Tsin geredet?« Der König sprach: »Er hat für dich die Stelle eines Landesinspektors nachgesucht.« Mong Ang sprach: »Und was hat ihm Eure Majestät entgegnet?« Der König sprach: »Ich habe gesagt, daß ich lieber Dsang als dich wolle.«

Mong Ang seufzte tief auf und sprach: »Es geschieht Euch recht, daß Ihr unter die Herrschaft von Tsin kommen werdet. Warum habt Ihr Verdacht, daß Tsin mir wohlgesinnt ist? Wenn Ihr den Fu Niu mit der Abtretungsurkunde von Giang, Fen und An I nach Tsin geschickt hättet, so wäre Tsin dem Fu Niu wohl gesinnt. Wenn[312] ich auch nicht tüchtig bin, sollte ich denn nicht einmal so viel wert sein wie Fu Niu? Einst hat Eure Majestät drei Generäle zu Beamten genommen und hat bei ihrer Anstellung zu ihnen gesagt: Ihr müßt dem Ang gehorchen wie mir selbst. Damals hieltet Ihr mich hoch. Nun habt Ihr Eure Meinung geändert und schätzt mich gering und macht, daß ich von andern verachtet werde. Selbst wenn ich noch so tüchtig wäre, wie könnte ich mich dagegen wehren?«

Drei Tage später hörte der König auf die Vorschläge des Ki Gia (und machte Ang zum Landesinspektor).

Jeder Herrscher muß für den Vorteil seiner hohen Beamten sorgen. Nun hat Mong Ang wegen einer ganz geringen Landesabtretung ein hohes Amt bekommen. Woher wollte der Fürst von We schließlich Land genug her haben, da ein hohes Amt doch jeder seiner Diener gerne haben wollte. Mong Ang verschaffte dem Staate Tsin die Erfüllung seiner Wünsche. Tsin verschaffte seinerseits dem Mong Ang die Erfüllung seiner Wünsche. Auf diese Weise war das Verlangen schon belohnt. Weshalb sollte er noch mehr verlangen. Wenn We auch noch so stark gewesen wäre, hätte es dennoch nicht unaufhörlich solche Wünsche auf diese Weise entschädigen können. Und wie viel weniger, da es doch schwach war? Daß der König von We dem Mong Ang das Amt des Landesinspektors gab, um ihn vor dem Vorwurf von Tsin zu bewahren, war eine Torheit.

Als der König von Tsin auf den Thron gekommen war25, nannte er sich Kaiser in I Yang. Hü Guan beredete den König von Liang-We (daß er ihm huldigen solle). Der König von We war im Begriff Tsin zu huldigen, da sagte der Beamte We Ging zu ihm: »Was ist wichtiger, das Land Ho Ne oder die Hauptstadt Liang.« Der König sprach: »Liang ist wichtiger.« Er fragte wieder: »Was ist wichtiger, die Hauptstadt Liang oder Eure Person?« Der König sprach: »Meine Person ist wichtiger.« Er fragte wieder: »Wenn Tsin das Gebiet Ho Ne verlangte, würdet Ihr es ihm geben?« Der König sprach: »Ich würde es nicht geben!« We Ging sprach: »Das Gebiet von Ho Ne ist von den drei genannten Dingen das Geringste. Eure Person ist das Wertvollste der drei. Wenn Tsin das[313] Geringwertigste verlangen würde, so würdet Ihr ihm nicht willfahren, wenn er aber das Wertvollste verlangt, so wollt Ihr ihm willfahren. Ich erlaube mir, damit nicht einverstanden zu sein.« Der König sprach: »Ganz recht!« und ging nicht nach Tsin.

Obwohl Tsin in Tschang Ping einen großen Sieg errang, brauchte es doch drei Jahre, ehe der Sieg endgültig entschieden war. Die Truppen waren erschöpft, die Nahrungsmittel teuer. Zu jener Zeit waren für Liang We die beiden Dschou als Sicherheit im Norden. Liang We war noch vorhanden, es hatte Tau erobert und We verkleinert, im ganzen hatte es noch ein Gebiet von 600 Meilen im Geviert. So war die wirkliche Lage. Da war die Huldigung an Tsin noch verfrüht, da wäre es nicht nötig gewesen, erst den Rat des We Ging abzuwarten. Wenn man noch nicht zu huldigen braucht und dennoch huldigt, so entspringt daraus das Übel, daß, wenn es Zeit ist zum Huldigen, man die Huldigung versäumt. Darum muß man sich genau überlegen, ob es an der Zeit ist zu huldigen oder nicht.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 310-314.
Lizenz:

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