6. Kapitel
Aufsuchung der Ursachen für Unruhen / Yüan Luan

[414] Eine Unruhe hat stets eine bestimmte Reihenfolge. Der Staat Tsin hatte fünf große Unruhen, drei kleine Unruhen und drei Unruhen, die mit Waffengewalt niedergeschlagen werden mußten. Darum heißt es in den Liedern: »Geh nicht am Tor des Aufruhrs vorbei.« Dadurch bleibt man der Verwirrung fern. Das Glück läßt sich durch Sorgen nicht unter allen Umständen erlangen, aber das[414] Unglück läßt sich durch Sorgen unter allen Umständen vermeiden. Der König Wu erhielt die Weltherrschaft durch kriegerische Erfolge, aber er hielt sie fest durch Künste des Friedens. Er ließ die Speere umkehren und die Bogen abspannen, um so der Welt zu zeigen, daß er nicht mehr Krieg führen wolle. Dadurch bewahrte er das Weltreich.

Herzog Hiän von Dsin ernannte die Nebenfrau Li zur Palastdame und machte ihren Sohn Hi Tsi zum Kronprinzen. Da führte Li Ko die Bürger des Staates an, um Hi Tsi zu töten (nach dem Tode von Herzog Hiän). Darauf setzte Sün Si den Bruder des Ermordeten, den Prinzen Dscho, ein. Nachdem Hi Tsi begraben war, da führte Li Ko abermals die Bürger des Staates gegen Prinz Dscho und tötete ihn. So hatte Dsin keinen Fürsten. Da bestach der Prinz I Wu durch Versprechen reichlicher Landabtretungen den Staat Tsin, um ihm auf den Thron zu verhelfen. Der Herzog Mu von Tsin sandte ein Heer, um ihm auf den Thron zu verhelfen. Und die Leute von Dsin setzten ihn als ihren Fürsten ein. Das war Herzog Hui. Als Herzog Hui eingesetzt war, da vergaß er die Hilfe Tsins und gab ihm kein Land. Da führte Herzog Mu von Tsin ein Heer gegen Dsin. Der Herzog Hui von Dsin trat ihm entgegen. Es kam zur Schlacht mit Tsin bei Han Yüan. Das Heer von Dsin erlitt eine große Niederlage. Tsin nahm den Herzog Hui gefangen mit zurück. Er wurde in Ling Tai gefangen gehalten. Nach zehn Monaten war der Friede mit Dsin hergestellt. Der Herzog Hui wurde zurückgesandt, doch mußte er den Thronfolger Yü als Geisel in Tsin zurücklassen. Der Thronfolger Yü entfloh und kam zurück. Als Herzog Hui starb, wurde Yü als Fürst eingesetzt. Das war Herzog Huai. Der Herzog Mu von Tsin war böse auf ihn, weil er heimlich entflohen war, darum ließ er den Prinzen Tschung Örl mit einem Heere den Herzog Huai angreifen. Er tötete den Herzog Huai bei Gau Liang und setzte Tschung Örl ein. Das war Herzog Wen. Der Herzog Wen spendete sein Vermögen, um Darniederliegenden zu helfen, Arme und Hilflose zu unterstützen und Leute, die von Plagen und Unglück betroffen worden, zu retten. Er verbot Ausschweifung und Luxus, er machte Steuern und Abgaben[415] gering und verzieh den Verbrechern, er beschränkte die öffentlichen Ausgaben, benützte das Volk der Zeit gemäß und schlug daher das Keer von Tschu bei Tschong Pu und half dem König Siang von Dschou zu seinem Recht. Er befreite Sung und vertrieb die Besatzung, die Tschu nach Gu (in Tsi) gelegt hatte. Innen und außen fielen ihm alle zu. So kam es, daß die Verwirrung von Dsin ein Ende nahm.

Der Herzog Hiän hörte auf die Nebenfrau Li und hielt sich an Liang Wu und Yu Schï, tötete den Thronfolger Schen Schong und infolge davon entstanden im Staate fünf große Unruhen, drei Fürsten wurden getötet, ein Fürst geriet in Gefangenschaft. Von den hohen Beamten und Großfürsten starben Hunderte, und der Staat war zwanzig Jahre lang im Unglück. Von alters her kommen die Unruhen nicht auf dieselbe Weise, aber die Not, in die Unruhe stiftende Menschen geraten, ist immer dieselbe.

Das kommt daher, daß die Dinge und die Gedanken in Beziehung auf die Tatsachen nicht übereinstimmen. Daß Dinge und Gedanken nicht übereinstimmen kommt davon her, daß das Gemüt abwesend ist. Darum kommt es selten vor, daß ein Mensch, der Unruhe stiftet, persönlich dem Unglück entgeht.

Fußnoten

1 Er soll ihn in einen Ledersack eingenäht haben.


2 Es gingen zwei Männer, ein alter und ein junger, vorm Schloß durchs Wasser. Der Alte fror und der Junge nicht, da ließ der König nachsehen, ob ihr Mark verschieden sei.


3 König Min von Tsi.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 414-416.
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