4. Kapitel
Gerechte Belohnungen / Dang Schang

[424] Die Menschen haben keinen Weg den Himmel zu erkennen, deshalb erkennen die Menschen den Himmel an den vier Jahreszeiten, der Kälte und der Hitze, Sonne, Mond und Sternen. Wenn der Lauf der Jahreszeiten, der Kälte und Hitze, von Sonne, Mond und Sternen richtig ist, so erlangt alles, was Odem hat, seinen rechten Platz und freut sich seines Lebens.

Die Beamten haben auch keinen Weg ihren Herrscher zu erkennen, sie erkennen ihn an der Art, wie er Lohn und Strafen, Würden und Einkommen verteilt. Wenn der Herrscher Lohn und Strafen, Würden und Einkommen gerecht verteilt, so strengen Nahe und Ferne, Tüchtige und Untüchtige ihre ganze Kraft an, um dem Fürsten zur Verfügung zu stehen.

Als Herzog Wen von Dsin in sein Reich zurückkam, da teilte er Belohnungen aus an die, die ihm in die Verbannung gefolgt waren, aber Tau Hu ward übergangen. Seine Umgebung fragte den Fürsten: »Ihr seid in das Reich zurückgekehrt und habt schon dreimal Würden und Einkommen ausgeteilt, aber Tau Hu wurde übergangen, dürfen wir erfahren, was die Gründe dafür sind?«

Der Herzog Wen sprach: »Wer mir in Gerechtigkeit geholfen und mich im rechten Benehmen geleitet hat, dem habe ich höchsten Lohn verliehen. Wer mich im Guten belehrt und mich zur Weisheit ermahnt hat, den habe ich in zweiter Linie belohnt. Wer meinen Wünschen entgegentrat, wer mich häufig an meine Fehler erinnerte, den habe ich in letzter Linie belohnt. Diese drei Belohnungen waren für verdienstvolle Beamte. Wenn ich die Menschen, die sich um[424] unsern Staat Mühe gegeben haben, belohnen werde, so wird Tau Hu der erste unter ihnen sein.«

Der Geschichtsschreiber Hing von Dschou hörte das und sprach: »Der Herzog von Dsin wird wohl die Vorherrschaft auf Erden erringen. Die heiligen Könige des Altertums stellten die Tugend der Leistung voran, der Herzog von Dsin hat das richtig getroffen.«

Die Frau des jungen Herrn von Tsin5 namens Yung Yän Biän machte einen Aufstand. Alle tüchtigen Beamten waren darüber mißvergnügt und versteckten sich; die Leute des Volkes verurteilten voll Bitterkeit die Regierung.

Der Prinz Liän war nach Liang We geflohen und hörte von den Unruhen. Da wollte er zurückkommen und ging im Vertrauen auf die Beamten und die Bevölkerung nach der Festung von Dschong. Yu Dschu Jan war Kommandant der Festung und ließ ihn nicht ein. Er sprach: »Meine Pflicht erheischt es, nicht zwei Herren zu dienen. Geht weiter, Prinz!« Der Prinz Liän ging und kam in das Land der Di und wollte von dort aus durch die Feste Yän Schï eindringen. Kun Gai ließ ihn ein. Die Fürstin hörte es und erschrak sehr. Sie ließ im Namen der Regierung Soldaten gegen ihn marschieren. Der Befehl lautete: Ein Feind an der Grenze. Da sprachen die Soldaten und Offiziere, als sie zuerst aufgerufen wurden, alle: »Wir wollen den Feind bekämpfen!« Unterwegs änderten sie ihre Meinung und sprachen: »Wir wollen den eingefallenen Feind nicht bekämpfen, sondern als unsern Fürsten begrüßen.« So kam Prinz Liän mit den Soldaten gemeinsam nach Yung und schloß die Fürstin ein, die sich selbst den Tod gab. So wurde der Prinz Liän als Herzog Hiän eingesetzt. Er war böse auf Yu Dschu Jan und wollte ihn schwer bestrafen, er schätzte den Kun Gai und wollte ihn reich belohnen. Da erhob sich Giän Tu gegen ihn und sagte: »Das ist nicht recht! Prinzen von Tsin, die landesflüchtig sind, gibt es noch viele. Wenn man also handelt, dann werden die Beamten um die Wette die landesflüchtigen Prinzen hereinlassen. Das wäre für Eure Hoheit nicht vorteilhaft.« Herzog Hiän stimmte zu. Darum vergab er das Vergehen des Yu Dschu Jan und verlieh dem Kun Gai das[425] Amt eines hohen Rates und gab der Besatzung der Festung zwanzig Zentner Getreide pro Mann.

Von Herzog Hiän kann man sagen, daß er sich aufs Belohnen und Strafen verstand. Belohnungen dürfen nicht nach Gunst verliehen werden, Bestrafungen nicht nach Abneigung verhängt werden, sondern man muß darauf sehen, was sie für Wirkungen haben. Wenn die Wirkung gut ist, so muß man auch einen, dem man abgeneigt ist, belohnen, wenn die Wirkung nicht gut ist, so muß man auch einen, dem man geneigt ist, bestrafen. Das war der Grund, weshalb die alten Könige die Unruhen zu beseitigen und die Gefahren zu stillen verstanden.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 424-426.
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