[96] 15. Erlösung vom Ich

Guan Yin Hi sprach: »Wer nicht an seinem Eignen haftet, dem gibt sich die Leiblichkeit und die Außenwelt kund. In seinen Handlungen ist er (schmiegsam) wie das Wasser. In seiner Ruhe ist er wie ein Spiegel. In seinen Gegenwirkungen ist er wie das Echo. Darum ist sein SINN ein treues Abbild der Außenwelt. Die Außenwelt widerstrebt wohl ihrerseits dem SINN, aber der SINN widerstrebt nicht der Außenwelt. Darum, wer sich auf diesen SINN versteht, der bedarf nicht des Ohrs, noch des Auges, noch der Stärke, noch des Bewußtseins.

Wer diesen SINN begehrt und sucht ihn mit Auge und Ohr, mit der Leiblichkeit und mit Erkenntnis, der ist auf falscher Fährte. Er starrt nach vorne, und plötzlich ist er hinter ihm. Gebraucht man ihn, so erfüllt er alle Leere, tut man ihn ab, so weiß man nicht, wo er geblieben ist. Er ist weder fern, daß man ihn durch bewußtes Suchen finden könnte, noch ist er nahe, daß man ihn durch unbewußten Zufall finden könnte. Nur schweigend erlangt man ihn. Und nur wer sein Wesen zur Vollendung gebracht, erlangt ihn.

Erkennen ohne Leidenschaft, Vermögen ohne Handlungen ist wahres Erkennen und wahres Vermögen. Wer die Aufhebung des Erkennens in sich ent wickelt, wie kann der noch leidenschaftlich sein? Wer die Beseitigung des Vermögens in sich entwickelt, wie kann der noch sich in Handlungen verstricken? Wer Irdisches sammelt und Staub aufhäuft, ist, ob er auch Geschäftigkeit meidet, noch nicht zur wahren Vernunft durchgedrungen.«

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 96.
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