[154] 17. Bauernglück

Ein Sprichwort aus Dschou sagt: »Den Bauer kann man durch Sitzen umbringen.« Morgens geht er hinaus, und nachts kommt er zurück, und er selber sieht darin die unabänderliche Naturordnung. Er schlürft seinen Bohnenbrei, ißt seine Kräuter und Wurzeln und hält das für die feinsten Gerichte. Seine Muskeln sind rauh und dick; seine Sehnen und Gelenke sind verzogen und steif. Läßt man ihn auch nur einen Morgen lang ruhen in einem weichen Bett mit seidenen Vorhängen und reicht ihm feinen Reis und Fleisch und Orchideen und Apfelsinen, so wird's ihm übel zu Mut; sein Leib wird unruhig, er bekommt Fieber und wird krank. Wenn die Fürsten von Schang und Lu in dieselbe Lage gebracht würden wie ein Bauer, so könnten sie's auch keine Stunde lang aushalten, ohne zu ermatten. Darum ist den gemeinen Leuten in dem, wodurch sie sich befriedigt fühlen und was sie für schön halten, auf der ganzen Welt niemand über.

Es war einmal ein Bauer im Staate Sung, der immer in groben, hänfenen Kleidern ging, so daß er kaum sich durch den Winter brachte. Als der Frühling kam, ging er aufs Feld hinaus zu arbeiten und wurde warm im Sonnenschein. Er wußte gar nicht, daß es auf der Welt weite Hallen und warme Häuser, prächtige Kleider und Fuchs- und Dachspelze gäbe. Darum sagte er zu seinem Weib und sprach: »Wenn einem die Sonne auf den Rücken scheint, dann wird man warm; das hat noch kein Mensch entdeckt; das Mittel will ich unserem Herrn anbieten, der wird mich sicher reichlich dafür belohnen.« Ein reicher Mann in seinem Weiler sprach da zu ihm[154] also: »Es war einmal ein Mann, dem schmeckten wilde Bohnen, und er hielt Nesselstengel, Sellerie und Wasserlinsen für vorzüglich und lobte sie vor den angesehenen Männern des Orts. Die angesehenen Männer nahmen davon und kosteten, aber es brannte sie im Mund und machte ihnen Leibgrimmen; alle lachten ihn aus und verachteten ihn, und er schämte sich gewaltig darob. Ihr seid wohl auch so einer von diesem Schlag.«

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 154-155.
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