Mahnung an Memmius

[40] Vieles vermocht' ich dir noch zusammenzuscharren, um hierdurch

Unserer Lehre Beweis durch weitere Gründe zu stärken.

Aber dem spürsamen Geiste genügen auch diese geringen

Spuren der Fährte bereits, um das übrige selber zu finden.

Denn wie im Waldesrevier die Doggen mit witternder Nase

Häufig die Lager des Wildes, die laubverdeckten, erspüren,

Wenn sie nur erst einmal auf die sichere Fährte gelangt sind,

So wirst selber du nun bei derlei Fragen imstand sein,

Eins aus dem ändern zu lernen und in die verborgenen Winkel[40]

Einzudringen, um hieraus hervorzuziehen die Wahrheit.

Säumst du jedoch und willst von der Sache dich etwas zurückziehn,

Geb' ich dir dieses Versprechen, mein Memmius, offen und ehrlich:

Aus dem gewaltigen Quell, der überreich mir im Innern

Quillt, wird mein süßer Gesang dir volle Pokale kredenzen.

Eher noch kommt, wie ich fürchte, das Alter mir langsam geschlichen

Und löst leise die Riegel, die schützend mein Leben verwahren,

Als ich dein Ohr mit der Fülle der formgerechten Beweise

Voll gesättigt, wie solche für jeglichen Fall mir zur Hand sind.

Nun gilt's fortzuspinnen den eben begonnenen Faden.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 40-41.
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