Struktur der vier Elemente

[45] Dazu kommt noch das Neue, daß, ob auch die Körper des Urstoffs

Völlige Dichte besitzen, trotzdem die entstehenden Dinge

Luft, Feu'r, Erde und Wasser von lockrer Beschaffenheit werden.

All dies läßt sich verstehn durch das Leere, das allem sich beimischt.

Wären dagegen schon locker die Grundelemente der Dinge,

Woher stammten dann Eisen und härtlicher Kiesel, wie wären

Diese geworden, wo bliebe die Kraft, dies alles zu schaffen?

Niemand könnte das sagen. Es würde die ganze Natur dann

Völlig und ganz ermangeln des grundsteinlegenden Anfangs.

Also die Grundelemente sind einfach zwar und solide,

Aber durch ihren Verband, wenn sie fest aneinander sich schließen,

Können die vielen zusammen gewaltige Kräfte entfalten.

Wäre sodann kein Ende gesetzt der Vernichtung der Körper,

Müßten doch einige Körper zum mindesten übrig geblieben

Sein, die aus ewiger Zeit sich bis jetzt in den Dingen erhielten

Und entronnen zu sein aus allen Gefahren sich rühmten.

Aber da längst feststeht, sie seien zerbrechlichen Wesens,

Ist es ein Widerspruch, daß jene die ewige Zeit durch

Trotz unzähliger Stöße sich könnten am Leben erhalten.[45]

Endlich ist festgestellt, daß jedem Geschlechte das Ende

Seines Wachsens und Lebens von vornherein ist gegeben,

Und was jedes vermag den Naturgesetzen zu Folge

Oder was nicht, steht längst schon fest nach ewiger Satzung.

Daran ändert sich nichts, vielmehr bleibt alles beständig,

So, daß stets nach der Reihe die buntgefiederten Vögel

Je nach ihrem Geschlecht dieselbigen Tupfen vererben;

Also müssen sie wohl den nimmer sich ändernden Urstoff

Schon in dem Körper besitzen. Denn könnten die Urelemente

Irgendwie in den Dingen beliebig Veränderung leiden,

Dann wär' auch nicht klar, was eigentlich könnte entstehen

Oder was füglich auch nicht; und wie jedwedem umzirkt sei

Seine wirkende Kraft und der grundtief ruhende Markstein.

Nie auch könnten ererben nach Sippen getrennt die Geschöpfe

Bildung, Bewegung, Gesittung und Lebensführung der Eltern.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 45-46.
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