Folgen der Liebesleidenschaft

[162] Dazu kommt noch der Kräfteverfall und vernichtende Mühsal,

Kommt noch ferner die Knechtschaft hinzu im Banne des ändern,

Und die Versäumnis der Pflicht; das Ansehn wanket und kranket.

Unterdessen zerrinnt das Vermögen. Aus Persien kauft man

Decken, am Fuß muß ein niedlicher Schuh aus Sikyon glänzen,

Große Smaragde, natürlich! mit grün durchscheinendem Lichte

Werden in Gold nun gefaßt, der Purpur wird ständiges Hauskleid

Und der mißhandelte Stoff saugt voll sich vom Schweiße der Liebe.

Was die Väter erwarben, verwandelt sich in Diademe[162]

Oder in Mäntel und Kleider aus Chios oder Alinda.

Prächtige Decken und Speisen erscheinen bei Tafel und Würfel;

Becher wechseln und Salben und Blumengewinde und Kränze:

Alles umsonst. Denn mitten vom Strudel der Freuden erhebt sich

Plötzlich ein Wermutstropfen, der unter den Blumen ihn ängstet,

Sei es, daß etwa er selbst von Gewissensbissen getroffen

Sieht, wie er müßig die Tage verlebt und im Schmutze versinket,

Oder daß sie ein bedenkliches Wort ließ fallen, das rief sich

Ihm in sein liebendes Herz wie brennendes Feuer gefressen,

Oder er meint, sie werfe die Augen und äugle nach ändern

Allzuviel, und entdeckt noch Spuren des Lächelns im Antlitz.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 162-163.
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