Form, Farbe, Abstand der Objekte

[136] Freilich strömen ja nun die erwähnten Bilder der Dinge

Überallher und verteilen sich dann nach jeglicher Richtung.

Aber dieweil wir allein mit den Augen zu sehen vermögen,

Kommt es, daß Form und Farbe nur da von sämtlichen Dingen

Unserem Blicke sich zeigt, wohin er gerade gewandt ist.

Weiterhin läßt uns das Bild auch den Abstand sehen und schätzen,

Der uns jedesmal trennt von dem Gegenstande des Bildes.

Denn sobald es von ihm sich gelöst, da stößt es und treibt es

Alle Luft vor sich her, die zwischen ihm liegt und dem Auge.

Und so dringt denn diese durch unsere Augen ins Innre

Und durchstreicht die Pupille und geht so durch bis ans Ende.

Daher kommt's, daß wir wissen den Abstand jeglichen Urbilds

Einzuschätzen. Je größer die vor uns erschütterte Luftschicht,

Und je länger ihr Strom durch unsere Augen hindurchstreicht,

Desto weiter entfernt erscheint uns ein jegliches Urbild.

Doch dies alles vollzieht sich natürlich so wunderbar schnelle,

Daß wir mit einem Blick die Beschaffenheit sehn und den Abstand.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 136.
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