Inhalt des IV. Buches, spätere Fassung

[129] Und nachdem ich des Geistes Natur und sein Wesen geschildert

Und aus welcherlei Stoff er zusammengefügt mit dem Körper[129]

Wirkt und von diesem getrennt in die Urelemente zurückkehrt,

Will ich dir jetzo die Lehre beginnen, die eng sich daranschließt,

Über die Bilder der Dinge: so nennen wir diese Gebilde,

Die von der Oberfläche der Körper wie Häutchen sich schälen

Und bald hierhin bald dorthin umher in den Lüften sich treiben.

Dies sind dieselben Gebilde, die nachts im Traum, wie im Wachen

Uns begegnen und schrecken. Da sehen wir öfter Gestalten

Wunderlich anzuschauen und Bilder dem Lichte Entrückter,

Die aus dem festesten Schlummer empor mit Entsetzen uns wecken.

Aber man bilde nicht etwa sich ein, die Seelen der Toten

Könnten dem Orkus entfliehn und als Schattengespenster umflattern

Uns Lebendige, oder es bliebe von uns noch was übrig

Nach dem Tod, wenn der Körper zugleich und die Seele geschieden

Und sich ein jedes von ihnen in seine Atome getrennt hat.

Also, behaupt' ich, es senden die Oberflächen der Dinge

Stets Abbilder der Dinge hinaus und dünne Figuren,

Was selbst der wohl begreift, deß Geisteskräfte nur stumpf sind.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 129-130.
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