Wahrnehmbarkeit der Bilder und Ausflüsse

[135] Also mußt du gestehen, beständig lösen sich Körper

Ab, die ins Auge uns dringen und unseren Sehnerv reizen

Unaufhörlich entströmen gewissen Stoffen Gerüche,

Wie von den Flüssen die Kühle, die Glut von der Sonne, die Brandung

Sprüht von den Wogen des Meers, das Gemäuer der Küste zerfressend;

Unaufhörlich durchfliegen verschiedene Töne die Lüfte;

Oft auch dringt in den Mund, sobald in der Nähe des Meeres

Wir uns ergehn, der salzige Gischt, und wenn man nur zusieht,

Wie man den Wermut löset zum Mischtrank, schmeckt man das Bittre.

So fließt allenthalben aus allerhand Stoffen der Stoffe[135]

Ständiger Strom und verteilt sich sodann nach jeglicher Seite.

Nirgends gibt es da Ruhe noch Rast im beständigen Flusse.

Denn stets wach ist ja unser Gefühl und wir können beständig

Alles erblicken und riechen und alle Geräusche vernehmen.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 135-136.
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