Vorgeschichte 1845-1860

[134] 1845. Blütezeit der Baumwollindustrie. Sehr niedriger Baumwollpreis. L. Horner sagt darüber:

»Während der letzten 8 Jahre ist mir keine so lebhafte Geschäftsperiode vorgekommen, wie sie im letzten Sommer und Herbst vorgeherrscht hat. Besonders in der Baumwollspinnerei. Das ganze halbe Jahr durch habe ich jede Woche Anmeldungen neuer Kapitalanlagen in Fabriken erhalten; bald waren es neue Fabriken, die gebaut wurden, bald hatten die wenigen leerstehenden neue Mieter gefunden, bald wurden im Betrieb befindliche Fabriken ausgedehnt, neue stärkre Dampfmaschinen und vermehrte Arbeitsmaschinerie aufgestellt.« (»Rep. Fact., Oct. 1845«, p. 13.)

1846. Die Klagen beginnen.

»Schon seit längrer Zeit höre ich von den Baumwollfabrikanten sehr verbreitete Klagen über den gedrückten Stand ihres Geschäfts... während der letzten 6 Wochen haben verschiedne Fabriken angefangen kurze Zeit zu arbeiten, gewöhnlich 8 Stunden täglich statt 12; dies scheint sich zu verbreiten... es hat ein großer Preisaufschlag der Baumwolle stattgefunden und... nicht nur keine Preiserhöhung des Fabrikats, sondern... seine Preise sind niedriger als vor dem Aufschlag in Baumwolle. Die große Vermehrung in der Zahl der Baumwollfabriken während der letzten 4 Jahre muß zur Folge gehabt haben einerseits eine stark vermehrte Nachfrage nach dem Rohstoff und andrerseits eine stark vermehrte Zufuhr von Fabrikaten auf den Markt; beide Ursachen müssen gemeinsam zur Herabdrückung des Profits gewirkt haben, solange die Zufuhr des Rohstoffs und die Nachfrage nach dem Fabrikat unverändert blieb; aber sie haben noch weit stärker gewirkt, weil einerseits die Zufuhr von Baumwolle neuerdings ungenügend war und andrerseits die Nachfrage nach den Fabrikaten in verschiednen inländischen und ausländischen Märkten abgenommen hat.« (»Rep. Fact., Oct. 1846«, p. 10.)

Die steigende Nachfrage nach Rohstoff und die Überfüllung des Markts mit Fabrikat gehn natürlich Hand in Hand. – Beiläufig beschränkte sich die damalige Ausdehnung der Industrie und nachfolgende Stockung nicht auf die Baumwolldistrikte. Im Kammwolldistrikt von Bradford waren 1836 nur 318 Fabriken, 1846 dagegen 490. Diese Zahlen drücken bei weitem nicht die wirkliche Steigerung der Produktion aus, da die bestehenden Fabriken gleichzeitig bedeutend erweitert wurden. Dies gilt besonders auch von Flachsspinnereien.[134]

»Sie alle haben mehr oder weniger während der letzten 10 Jahre beigetragen zu der Überführung des Markts, der die jetzige Stockung des Geschäfts großenteils zugeschrieben werden muß... Der gedrückte Geschäftsstand folgt ganz natürlich aus einer so raschen Erweitrung der Fabriken und der Maschinerie.« (»Rep. Fact., Oct. 1846«, p.30.)

1847. Im Oktober Geldkrisis. Diskonto 8%. Vorher schon Zusammenbruch des Eisenbahnschwindels, der ostindischen Wechselreiterei. Aber:

»Herr Baker gibt sehr interessante Details über die in den letzten Jahren gestiegne Nachfrage für Baumwolle, Wolle und Flachs infolge der Ausdehnung dieser Industrien. Er hält die vermehrte Nachfrage nach diesen Rohstoffen, namentlich da sie zu einer Zeit eintrat, wo deren Zufuhr weit unter den Durchschnitt gefallen ist, für fast genügend, den gegenwärtigen gedrückten Stand dieser Geschäftszweige zu erklären, auch ohne daß man die Zerrüttung des Geldmarkts zu Hilfe nimmt. Diese Ansicht wird vollständig bestätigt durch meine eignen Beobachtungen und durch das, was ich von geschäftskundigen Leuten erfahren habe. Diese verschiednen Geschäftszweige waren alle schon sehr gedrückt, als Diskontierungen noch leicht zu 5% und weniger zu bewirken waren. Dagegen war die Zufuhr von Rohseide reichlich, die Preise mäßig und das Geschäft demgemäß lebhaft, bis... in den letzten 2 oder 3 Wochen, wo unzweifelhaft die Geldkrisis nicht nur die Tramierer selbst, sondern noch mehr ihre Hauptkunden, die Fabrikanten von Modewaren, affiziert hat. Ein Blick auf die veröffentlichten amtlichen Berichte zeigt, daß die Baumwollindustrie in den letzten drei Jahren sich um beinahe 27% vermehrt hat. Infolgedessen ist Baumwolle, rund gesprochen, von 4 d. auf 6 d. per Pfund gestiegen, während Garn, dank der vermehrten Zufuhr, nur eine Kleinigkeit über seinem frühern Preise steht. Die Wollindustrie fing 1836 an, sich auszudehnen; seitdem ist sie in Yorkshire um 40% gewachsen und in Schottland noch mehr. Noch größer ist der Zuwachs in der Worsted-Industrie.18 Die Berechnungen ergeben hier für denselben Zeitraum eine Ausdehnung von über 74%. Der Verbrauch von Rohwolle ist daher enorm gewesen. Die Leinenindustrie zeigt seit 1839 einen Zuwachs von ungefähr 25% in England, 22% in Schottland und beinahe 90% in Irland19; die Folge hiervon, bei gleichzeitigen schlechten Flachsernten, war, daß der Rohstoff um 10 Pfd. St. per Tonne gestiegen, der Garnpreis dagegen 6 d. das Bündel gefallen ist.« (»Rep. Fact., Oct. 1847«, p.30. 31.)[135]

1849. Seit den letzten Monaten von 1848 lebte das Geschäft wieder auf.

»Der Flachspreis, der so niedrig war, daß er fast unter allen möglichen zukünftigen Umständen einen erträglichen Profit sicherstellte, hat die Fabrikanten veranlaßt, ihr Geschäft stetig fortzuführen. Die Wollfabrikanten waren im Anfang des Jahrs eine Zeitlang sehr stark beschäftigt... ich fürchte aber, daß Konsignationen von Wollenwaren oft die Stelle wirklicher Nachfrage vertreten und daß Perioden scheinbarer Prosperität, d.h. voller Beschäftigung, nicht immer mit den Perioden legitimer Nachfrage sich decken. Während einiger Monate ist das Worsted-Geschäft besonders gut gewesen... Im Anfang der erwähnten Periode stand Wolle besonders niedrig; die Spinner hatten sich zu vorteilhaften Preisen gedeckt und sicher auch in bedeutenden Quantitäten. Als der Wollpreis mit den Frühjahrsauktionen stieg, hatten die Spinner den Vorteil davon, und sie behielten ihn, da die Nachfrage nach Fabrikaten beträchtlich und unabweisbar wurde.« (»Rep. Fact., [April] 1849«, p.42.)

»Wenn wir die Variationen im Stand des Geschäfts ansehn, die in den Fabrikdistrikten seit jetzt 3 oder 4 Jahren vorgekommen sind, so müssen wir, glaube ich, zugeben, daß irgendwo eine große Störungsursache besteht... Kann da nicht die ungeheure Produktivkraft der vermehrten Maschinerie ein neues Element geliefert haben?« (»Rep. Fact., April 1849«, p.42, 43.)

Im November 1848, Mai und Sommer bis Oktober 1849 wurde das Geschäft immer schwunghafter.

»Am meisten gilt dies von der Fabrikation von Stoffen aus Kammgarn, die sich um Bradford und Halifax gruppiert; dies Geschäft hat zu keiner frühern Zeit auch nur annähernd seine jetzige Ausdehnung erreicht... Die Spekulation im Rohstoff und die Ungewißheit über seine wahrscheinliche Zufuhr hat von jeher größre Aufregung und häufigere Schwankung in der Baumwollindustrie hervorgerufen als in irgendeinem andern Geschäftszweig. Es findet hier augenblicklich eine Anhäufung von Vorräten gröbrer Baumwollwaren statt, die die kleinern Spinner beunruhigt und sie bereits benachteiligt, so daß mehrere von ihnen kurze Zeit arbeiten.« (»Rep. Fact., Oct. 1849«, p.64, 65.)

1850. April. Fortdauernd flottes Geschäft. Ausnahme:

»Große Depression in einem Teil der Baumwollindustrie infolge ungenügender Zufuhr des Rohstoffs gerade für grobe Garnnummern und schwere Gewebe... Es wird befürchtet, daß die für das Worsted-Geschäft neuerdings aufgestellte vermehrte Maschinerie eine ähnliche Reaktion herbeiführen wird. Herr Baker berechnet, daß allein im Jahre 1849 in diesem Geschäftszweig das Produkt der Webstühle um 40% und das der Spindeln um 25-30% gestiegen ist, und die Ausdehnung geht noch immer im selben Verhältnis voran.« (»Rep. Fact., April 1850«, p. 54.)[136]

1850. Oktober.

»Der Baumwollpreis fährt fort... eine beträchtliche Gedrücktheit in diesem Industriezweig zu verursachen, besonders für solche Waren, bei denen der Rohstoff einen beträchtlichen Teil der Produktionskosten ausmacht. Der große Preisaufschlag der Rohseide hat auch in diesem Zweig vielfach einen Druck herbeigeführt.« (»Rep. Fact., Oct. 1850«, p. 14.)

Nach dem hier zitierten Bericht des Komitees der königlichen Gesellschaft für Flachsbau in Irland hatte hier der hohe Flachspreis, bei niedrigem Preisstand andrer landwirtschaftlichen Produkte, eine bedeutende Vermehrung der Flachsproduktion für das folgende Jahr sichergestellt. (p. 33.)

1853. April. Große Prosperität.

»Zu keiner Zeit während der 17 Jahre, während denen ich amtliche Kenntnis genommen habe vom Stand des Fabrikdistrikts von Lancashire, ist mir eine solche allgemeine Prosperität vorgekommen; die Tätigkeit ist in allen Zweigen außerordentlich«, sagt L. Horner. (»Rep. Fact., April 1853«, p. 19.)

1853. Oktober. Depression der Baumwollindustrie. »Überproduktion.« (»Rep. Fact., October 1853«, p. 15.)

1854. April.

»Das Wollgeschäft, obwohl nicht flott, hat in allen Fabriken volle Beschäftigung geliefert; ebenso die Baumwollindustrie. Das Worsted-Geschäft war im ganzen vorigen Halbjahr durchweg unregelmäßig... In der Leinenindustrie fand Störung statt infolge der verminderten Zufuhren von Flachs und Hanf aus Rußland wegen des Krimkriegs.« (»Rep. Fact., [April] 1854«, p.37.)

1859.

»Das Geschäft in der schottischen Leinenindustrie ist noch gedrückt... da der Rohstoff selten und teuer ist; die geringe Qualität der vorigen Ernte in den Ostseeländern, woher wir unsre Hauptzufuhr bezogen, wird eine schädliche Wirkung auf das Geschäft dieses Bezirks ausüben; dagegen ist Jute, die in vielen groben Artikeln den Flachs allmählich verdrängt, weder ungewöhnlich teuer noch selten... ungefähr die Hälfte der Maschinerie in Dundee spinnt jetzt Jute.« (»Rep. Fact., April 1859«, p. 19.) – »Infolge des hohen Preises des Rohstoffs ist die Flachsspinnerei noch immer durchaus nicht lohnend, und während alle andern Fabriken die volle Zeit laufen, haben wir verschiedne Beispiele der Stillsetzung von Flachsmaschinerie... Die Jutespinnerei... ist in einer zufriedenstellendern Lage, da neuerdings dieser Stoff auf einen mäßigem Preis herabgegangen ist.« (»Rep. Fact., October 1859«, p.20.)[137]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 134-138.
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