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*** Die vulgäre Ansicht betrachtet die historische Schule als Reaktion gegen den frivolen Geist des achtzehnten Jahrhunderts. Die Verbreitung dieser Ansicht steht in umgekehrtem Verhältnis zu ihrer Wahrheit. Das achtzehnte Jahrhundert hat vielmehr nur ein Produkt erzeugt, dessen wesentlicher Charakter die Frivolität ist, und dies einzig frivole Produkt ist die historische Schule.
Die historische Schule hat das Quellenstudium zu ihrem Schiboleth gemacht, sie hat ihre Quellenliebhaberei bis zu dem Extrem gesteigert, daß sie dem Schiffer anmutet, nicht auf dem Strome, sondern auf seiner Quelle zu fahren, sie wird es billig finden, daß wir auf ihre Quellen zurückgehen, auf Hugos Naturrecht. Ihre Philosophie geht ihrer Entwickelung voraus, man wird daher in ihrer Entwickelung selbst vergeblich nach Philosophie suchen.
Eine gangbare Fiktion des achtzehnten Jahrhunderts betrachtete den Naturzustand als den wahren Zustand der menschlichen Natur. Man wollte mit leiblichen Augen die Ideen des Menschen sehen und schuf Naturmenschen, Papagenos, deren Naivität sich bis auf ihre befiederte Haut erstreckt. In den letzten Dezennien des achtzehnten Jahrhunderts ahnte man Urweisheit bei Naturvölkern, und von allen Enden hörten wir Vogelsteller die Sangweisen der Irokesen, Indianer usw. nachzwitschern, mit der Meinung, durch diese Künste die Vögel selbst in die Falle zu locken. Allen diesen Exzentritäten lag der richtige Gedanke zugrunde, daß die rohen Zustände naive niederländische Gemälde der wahren Zustände sind.
Der Naturmensch der historischen Schule, den noch keine romantische Kultur beleckt, ist Hugo. Sein Lehrbuch des Naturrechts ist das alte Testament der historischen Schule. Herders Ansicht, daß die Naturmenschen Poeten und die heiligen Bücher der Naturvölker poetische Bücher sind, steht uns nicht im Wege, obgleich Hugo die allertrivialste, allernüchternste Prosa[78] spricht, denn wie jedes Jahrhundert seine eigentümliche Natur besitzt, so zeugt es seine eigentümlichen Naturmenschen. Wenn Hugo daher nicht dichtet, so fingiert er doch, und die Fiktion ist die Poesie der Prosa, die der prosaischen Natur des achtzehnten Jahrhunderts entspricht.
Indem wir aber Herrn Hugo als Ältervater und Schöpfer der historischen Schule bezeichnen, handeln wir in ihrem eigenen Sinne, die das Festprogramm des berühmtesten historischen Juristen zu Hugos Jubiläum beweist. Indem wir Herrn Hugo als ein Kind des achtzehnten Jahrhunderts begreifen, verfahren wir sogar im Geist des Herrn Hugo, wie er selbst bezeugt, indem er sich für einen Schüler Kants und sein Naturrecht für einen Sprößling der kantischen Philosophie ausgibt. Wir nehmen sein Manifest an diesem Punkte auf.
Hugo mißdeutet den Meister Kant dahin, daß, weil wir das Wahre nicht wissen können, wir konsequenterweise das Unwahre, wenn es nur existiert, für vollgültig passieren lassen. Hugo ist ein Skeptiker gegen das notwendige Wesen der Dinge, um ein Hoffmann gegen ihre zufällige Erscheinung zu sein. Er sucht daher keineswegs zu beweisen, daß das Positive vernünftig sei; er sucht zu beweisen, daß das Positive nicht vernünftig sei. Aus allen Weltgegenden schleppt er mit selbstgefälliger Industrie Gründe herbei, um zur Evidenz zu steigern, daß keine vernünftige Notwendigkeit die positiven Institutionen, z.B. Eigentum, Staatsverfassung, Ehe etc. beseelt, daß sie sogar der Vernunft widersprechen, daß sich höchstens dafür und dagegen schwatzen lasse. Man darf diese Methode keineswegs seiner zufälligen Individualität vorwerfen; es ist vielmehr die Methode seines Prinzips, es ist die offenherzige, die naive, die rücksichtslose Methode der historischen Schule. Wenn das Positive gelten soll, weil es positiv ist, so muß ich beweisen, daß das Positive nicht gilt, weil es vernünftig ist, und wie könnte ich dies evidenter als durch den Nachweis, daß das Unvernünftige positiv und das Positive nicht vernünftig ist? daß das Positive nicht durch die Vernunft, sondern trotz der Vernunft existiert? Wäre die Vernunft der Maßstab des Positiven, so wäre das Positive nicht der Maßstab der Vernunft. »Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode!« Hugo entheiligt daher alles, was dem rechtlichen, dem sittlichen, dem politischen Menschen heilig ist, aber er zerschlägt diese Heiligen nur, um ihnen den historischen Reliquiendienst erweisen zu können, er schändet sie vor den Augen der Vernunft, um sie hinterher zu Ehren zu bringen vor den Augen der Historie, zugleich aber auch, um die historischen Augen zu Ehren zu bringen.
Wie das Prinzip, so ist die Argumentation Hugos positiv, d.h. unkritisch. Er kennt keine Unterschiede. Jede Existenz gilt ihm für eine Autorität, jede Autorität gilt ihm für einen Grund. So werden denn zu einem Paragraphen[79] zitiert Moses und Voltaire, Richardson und Homer, Montaigne und Amnon, Rousseaus »Contrat social« und Augustinus »De civitate Dei«. Gleich nivellierend wird mit den Völkern verfahren. Der Siamite, der es für ewige Naturordnung hält, daß sein König einem Schwätzer den Mund zunähen und einem unbeholfenen Redner ihn bis an die Ohren aufschneiden läßt, ist nach Hugo so positiv als der Engländer, der es zu den politischen Paradoxien zählt, daß sein König eigenmächtig eine Auflage von einem Pfennig ausschreiben werde. Der schamlose Conci, der nackt umherläuft und sich höchstens mit Schlamm bedeckt, ist so positiv als der Franzose, der sich nicht nur kleidet, sondern elegant kleidet. Der Deutsche, der seine Tochter als das Kleinod der Familie erzieht, ist nicht positiver als der Rasbute, der sie tötet, um sich der Nahrungssorge für sie zu überheben. Mit einem Worte: der Hautausschlag ist so positiv als die Haut.
An einem Ort ist das positiv, am andern jenes, eins ist so unvernünftig als das andere, unterwirf dich dem, was in deinen vier Pfählen positiv ist.
Hugo ist also vollendeter Skeptiker. Die Skepsis des achtzehnten Jahrhunderts gegen die Vernunft des Bestehenden erscheint bei ihm als Skepsis gegen das Bestehen der Vernunft. Er adoptiert die Aufklärung, er sieht in dem Positiven nichts Vernünftiges mehr, aber nur, um in dem Vernünftigen nichts Positives mehr sehen zu dürfen. Er meint, man habe den Schein der Vernunft an dem Positiven ausgeblasen, um das Positive ohne den Schein der Vernunft anzuerkennen; er meint, man habe die falschen Blumen an den Ketten zerpflückt, um echte Ketten ohne Blumen zu tragen.
Hugo verhält sich zu den übrigen Aufklärern des achtzehnten Jahrhunderts, wie sich etwa die Auflösung des französischen Staats am liederlichen Hofe des Regenten zur Auflösung des französischen Staats in der Nationalversammlung verhält. Auf beiden Seiten Auflösung! Dort erscheint sie als liederliche Frivolität, welche die hohle Ideenlosigkeit der bestehenden Zustände begreift und verspottet, aber nur, um, aller vernünftigen und sittlichen Bande quitt, ihr Spiel mit den faulen Trümmern zu treiben und vom Spiel derselben getrieben und aufgelöst zu werden. Es ist die Verfaulung der damaligen Welt, die sich selbst genießt. In der Nationalversammlung dagegen erscheint die Auflösung als Loslösung des neuen Geistes von alten Formen, die nicht mehr wert und nicht mehr fähig waren, ihn zu fassen. Es ist das Selbstgefühl des neuen Lebens, welches das Zertrümmerte zertrümmert, das Verworfene verwirft. Ist daher Kants Philosophie mit Recht als die deutsche Theorie der französischen Revolution zu betrachten, so Hugos Naturrecht[80] als die deutsche Theorie des französischen ancien régime. Wir finden bei ihm die ganze Frivolität jener Roués wieder, die gemeine Skepsis, welche, frech gegen Ideen, allerdevotest gegen Handgreiflichkeiten, erst ihre Klugheit empfindet, wenn sie den Geist des Positiven erlegt hat, um nun das rein Positive als Residuum zu besitzen und in diesen tierischen Zuständen behaglich zu sein. Selbst wenn Hugo die Schwere der Gründe abwägt, so wird er mit unfehlbar sicherem Instinkt das Vernünftige und Sittliche an den Institutionen bedenklich für die Vernunft finden. Nur das Tierische erscheint seiner Vernunft als das Unbedenkliche. Doch hören wir unsern Aufklärer vom Standpunkt des ancien régime! Man muß Hugos Ansichten von Hugo hören. Zu allen seinen Kombinationen gehört ein: autos ephê.
»Das einzige juristische Unterscheidungsmerkmal des Menschen ist seine tierische Natur.«
»Selbst dies ist eine Einschränkung der Freiheit« (sc. des vernünftigen Wesens), »daß es nicht nach Belieben aufhören kann, ein vernünftiges Wesen zu sein, d.h. ein Wesen, das vernünftig handeln kann und soll.«
»Die Unfreiheit ändert an der tierischen und vernünftigen Natur des Unfreien und anderer Menschen nichts. Die Gewissenspflichten bleiben alle. Die Sklaverei ist nicht nur physisch möglich, sondern auch, sie ist nach der Vernunft möglich, und bei jeder Forschung, die uns das Gegenteil lehrt, muß irgendein Mißverständnis mit unterlaufen. Peremptorisch rechtlich ist sie freilich nicht, d.h., sie folgt nicht aus der tierischen Natur, nicht aus der vernünftigen und nicht aus der bürgerlichen. Daß sie aber so gut provisorisches Recht sein kann als irgend etwas von den Gegnern Zugegebenes, ergibt die Vergleichung mit dem Privatrechte und mit dem öffentlichen Rechte.« Beweis: »In Ansehung der tierischen Natur ist der offenbar mehr vor Mangel gesichert, welcher einem Reichen gehört, der etwas mit ihm verliert und seine Not gewahr wird, als der Arme, welchen seine Mitbürger benutzen, solange etwas an ihm zu benutzen ist etc.« »Das Recht, servi zu mißhandeln und zu verstümmeln, ist nicht wesentlich, und wenn es auch stattfindet, so ist es nicht viel schlimmer als das, was sich die Armen gefallen lassen, und was den Körper betrifft, nicht so schlimm als der Krieg, von welchem servi als solche überall frei sein müssen. Die Schönheit sogar findet sich eher bei einer zirkassischen Sklavin als bei einem Bettlermädchen.« (Hört den Alten!)
[81] »Für die vernünftige Natur hat die servitus vor der Armut den Vorzug, daß viel eher der Eigentümer an den Unterricht eines servus, der Fähigkeiten zeigt, selbst aus wohlverstandener Wirtschaft, etwas wenden wird, als dies bei einem Bettlerkinde der Fall ist. In einer Verfassung bleibt grade der servus mit sehr vielen Arten des Druckes verschont. Ist der Sklave unglücklicher als der Kriegsgefangene, den seine Bedeckung weiter gar nichts angeht, als daß sie eine Zeitlang für ihn verantwortlich ist, unglücklicher als der Baugefangene, über welchen die Regierung einen Aufseher gesetzt hat.«
»Ob die Sklaverei an sich der Fortpflanzung vorteilhaft oder nachteilig sei, darüber streitet man noch.«
»Die Ehe ist schon oft bei der philosophischen Betrachtung des positiven Rechtes für viel wesentlicher und der Vernunft viel gemäßer angesehen worden, als sie bei einer ganz freien Prüfung erscheint.«
Zwar die Befriedigung des Geschlechtstriebs in der Ehe konveniert Herrn Hugo. Er leitet sogar eine heilsame Moral aus diesem Faktum:
»Hieraus, wie aus unzähligen anderen Verhältnissen hätte man sehen sollen, daß es nicht immer unsittlich sei, den Körper eines Menschen als ein Mittel zu einem Zweck zu behandeln, wie man, und auch wohl Kant selbst, diesen Ausdruck falsch verstanden hat.«
Aber die Heiligung des Geschlechtstriebs durch die Ausschließlichkeit, die Bändigung des Triebs durch die Gesetze, die sittliche Schönheit, die das Naturgebot zu einem Moment geistiger Verbindung idealisiert – das geistige Wesen der Ehe – das eben ist dem Herrn Hugo das Bedenkliche an der Ehe. Doch ehe wir weiter seine frivole Schamlosigkeit verfolgen, hören wir einen Augenblick dem historischen Deutschen gegenüber den französischen Philosophen.
»C'est en renonçant pour un seul homme à cette réserve mystérieuse, dont la règle divine est imprimée dans son coeur, que la femme se voue à cet homme, pour lequel elle suspend, dans un abandon momentané, cette pudeur, qui ne la quitte jamais; pour lequel seul elle écarte des voiles qui sont d'ailleurs son asile et sa parure. De là cette confiance intime dans son époux, résultat d'une relation exclusive, qui ne peut exister qu'entre elle et lui, sans qu'aussitôt elle se sente flétrie; de la dans cet époux la reconnaissance pour un sacrifice et ce mélange de désir et de respect pour un être qui, même en partageant ses plaisirs, ne semble encore que lui céder; de là tout ce qu'il y a de régulier dans notre ordre social.«[82]
Also der liberale philosophische Franzose Benjamin Constant! Und nun hören wir den servilen, historischen Deutschen:
»Viel bedenklicher ist schon die zweite Beziehung, daß außer der Ehe die Befriedigung dieses Triebes nicht erlaubt ist! Die tierische Natur ist dieser Einschränkung zuwider. Die vernünftige Natur ist es noch mehr, weil« ... man rate! ... »weil ein Mensen beinahe allwissend sein müßte, um vorauszusehen, welchen Erfolg es haben werde, weil es also Gott versuchen heißt, wenn man sich verpflichtet, einen der heftigsten Naturtriebe nur dann zu befriedigen, wenn es mit einer bestimmten anderen Person geschehen kann!« »Das seiner Natur nach freie Gefühl des Schönen soll gebunden und, was von ihm abhängt, soll völlig davon losgerissen werden.«
Seht ihr, in welche Schule unsere Jungdeutschen gegangen sind!
»Gegen die bürgerliche Natur stößt diese Einrichtung insofern an, als... endlich die Polizei eine fast kaum zu lösende Aufgabe übernimmt!«
Ungeschickte Philosophie, keine solche Aufmerksamkeiten gegen die Polizei zu handhaben!
»Alles, was in der Folge von den näheren Bestimmungen des Eherechts vorkommen wird, lehrt uns, daß die Ehe, man mag dabei Grundsätze annehmen, welche man will, eine sehr unvollkommene Einrichtung bleibt.«
»Diese Einschränkung des Geschlechtstriebs auf die Ehe hat aber auch ihre wichtigen Vorteile, indem – dadurch gewöhnlich ansteckende Krankheiten vermieden werden. Der Regierung erspart die Ehe gar viel Weitläuftigkeit. Endlich tritt dann noch die überall so wichtige Betrachtung ein, daß hierin das Privatrechtliche nun schon einmal das einzig-gewöhnliche ist.« »Fichte sagt: Die unverheiratete Person ist nur zur Hälfte ein Mensch. Da tut es mir« (sc. Hugo) »aber ordentlich leid, einen solchen schönen Ausspruch, wodurch ja auch ich über Christus, Fénélon, Kant, Hume zu stehen käme, für eine ungeheure Übertreibung erklären zu müssen.«
»Was die Mono- und Polygamie betrifft, so kommt es dabei offenbar auf die tierische Natur des Menschen an«!!
Wir erfahren sogleich:
»Daß die Erziehungskunst gegen die darauf« (sc. Erziehung in der Familie) »sich beziehenden juristischen Verhältnisse nicht weniger einzuwenden hat als die Kunst zu lieben gegen die Ehe.«
[83] »Die Schwierigkeit, daß man nur in einem solchen Verhältnis erziehen darf, ist zwar hier lange nicht so bedenklich, wie bei der Befriedigung des Geschlechtstriebes, auch um deswillen, weil es erlaubt ist, die Erziehung vertragsweise einem Dritten zu überlassen, also, wer einen so großen Trieb fühlte, sehr leicht dazu kommen könnte, ihn zu befriedigen, nur freilich nicht gerade an der bestimmten Person, die er sich wünschte. Indes ist auch schon dies der Vernunft zuwider, daß jemand, dem gewiß nie ein Kind anvertraut werden würde, kraft eines solchen Verhältnisses erziehen und andere von der Erziehung ausschließen darf.« »Endlich tritt dann auch hier ein Zwang ein, teils insofern dem Erziehenden im positiven Recht gar oft nicht erlaubt Wird, dieses Verhältnis aufzugeben, teils insofern der zu Erziehende genötigt ist, sich grade von diesem erziehen zu lassen.« »Die Wirklichkeit dieses Verhältnisses beruht meistens auf dem bloßen Zufall der Geburt, welche auf den Vater durch die Ehe bezogen sein muß. Diese Entstehungsart ist offenbar nicht sehr vernünftig, auch um deswillen, weil hier gewöhnlich eine Vorliebe eintritt, welche allein schon einer guten Erziehung im Wege steht, und daß sie dann doch nicht durchaus notwendig ist, sieht man daraus, weil ja auch Kinder erzogen werden, deren Eltern bereits gestorben sind.«
§ 107 werden wir belehrt, daß die »Notwendigkeit des Privatrechts überhaupt eine vermeinte sei«.
»Es ist eine heilige Gewissenspflicht, der Obrigkeit zu gehorchen, welche die Gewalt in Händen hat.« »Was die Verteilung der Regierungsgewalt betrifft, so ist zwar keine einzelne Verfassung peremptorisch rechtlich; aber provisorisch rechtlich ist jede, die Regierungsgewalt sei verteilt, wie sie wolle.«
Hat Hugo nicht bewiesen, daß der Mensch auch die letzte Fessel der Freiheit abwerfen kann, nämlich die, ein vernünftiges Wesen zu sein?
Diese wenigen Exzerpte aus dem philosophischen Manifest der historischen Schule reichen hin, glauben wir, um ein historisches Urteil über diese Schule an die Stelle unhistorischer Einbildungen, unbestimmter Gemütsträume und absichtlicher Fiktionen zu setzen; sie reichen hin, um zu entscheiden, ob Hugos Nachfolger den Beruf haben, die Gesetzgeber unserer Zeit zu sein.
Allerdings ist dieser rohe Stammbaum der historischen Schule im Laufe der Zeit und der Kultur von dem Rauchwerke der Mystik in Nebel gehüllt, von der Romantik phantastisch ausgeschnitzelt, von der Spekulation inokuliert worden, und die vielen gelehrten Früchte hat man vom Baume geschüttelt,[84] getrocknet und prahlerisch in der großen Vorratskammer deutscher Gelehrsamkeit aufgespeichert; allein es gehört wahrlich nur wenig Kritik dazu, um hinter all den wohlriechenden modernen Phrasen die schmutzigen alten Einfälle unseres Aufklärers des ancien régime und hinter all der überschwenglichen Salbung seine liederliche Trivialität wiederzuerkennen.
Wenn Hugo sagt: »Das Tierische ist das juristische Unterscheidungsmerkmal des Menschen«, also: das Recht ist tierisches Recht, so sagen die gebildeten Modernen für das rohe, offenherzige »tierisch« etwa »organisches« Recht, denn wem fällt beim Organismus auch gleich der tierische Organismus ein? Wenn Hugo sagt, daß in der Ehe und den andern sittlich-rechtlichen Institutionen keine Vernunft ist, so sagen die modernen Herren, diese Institutionen seien zwar keine Bildungen der menschlichen Vernunft, aber Abbilder einer höhern »positiven« Vernunft, und so durch alle übrigen Artikel. Nur ein Resultat sprechen alle gleich roh aus: Das Recht der willkürlichen Gewalt.
Halters, Stahls, Leos und der Gleichgesinnten juristische und historische Theorien sind nur als codices rescripti des hugonischen Naturrechts zu betrachten, die nach einigen Operationen der kritischen Scheidekunst den alten Urtext wieder leserlich hervortreten lassen, wie wir bei gelegener Zeit weiter dartun wollen.
Um so vergeblicher bleiben alle Verschönerungskünste, als wir das alte Manifest noch besitzen, das, wenn auch nicht verständig, doch immerhin sehr verständlich ist.[85]
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