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[7] Nach dem Fall der Pariser Kommune war die erste Tat des Generalrats, sein Manifest über den »Bürgerkrieg in Frankreich« zu veröffentlichen, in welchem er sich mit allen Handlungen der Kommune solidarisch erklärte, die gerade in diesem Augenblick der Bourgeoisie, der Presse und den Regierungen Europas dazu dienten, die Besiegten von Paris mit niederträchtigsten Verleumdungen zu überschütten. Selbst ein Teil der Arbeiterklasse hatte noch nicht verstanden, daß es ihr Banner war, das soeben unterlag. Der Generalrat erhielt dafür unter anderem eine Bestätigung durch den Rücktritt zweier seiner Mitglieder, der Bürger Odger und Lucraft, die jede Solidarität mit diesem Manifest ablehnten. Man kann sagen, daß von seiner[7] Veröffentlichung in allen zivilisierten Ländern die einheitliche Auffassung der Arbeiterklasse über die Pariser Ereignisse herrührt.

Andererseits fand die Internationale eins der mächtigsten Propagandamittel in der bürgerlichen Presse und besonders in der großen englischen Presse; das Manifest zwang sie, sich in eine Polemik einzulassen, die durch die Erwiderungen des Generalrats in Gang gehalten wurde.

Die Ankunft zahlreicher Flüchtlinge der Kommune in London verpflichtete den Generalrat, sich als Hilfskomitee zu konstituieren und mehr als 8 Monate hindurch diese völlig außerhalb seiner regulären Befugnisse liegende Funktion auszuüben. Man braucht nicht zu sagen, daß die Besiegten und Verbannten der Kommune nichts von der Bourgeoisie zu erhoffen hatten. Was die Arbeiterklasse anbelangt, so kamen die Bitten um Hilfe in einem schwierigen Augenblick. Die Schweiz und Belgien hatten schon ihr Kontingent an Flüchtlingen erhalten, die sie zu unterstützen oder denen sie die Überfahrt nach London zu ermöglichen hatten. Die in Deutschland, Österreich und Spanien gesammelten Summen wurden in die Schweiz geschickt. In England hatte der große Kampf für den Neunstundentag, dessen entscheidende Schlacht in Newcastle geliefert wurde, sowohl die persönlichen Beiträge der Arbeiter als auch die von den Trade-Unions organisierten Fonds verschlungen, Fonds, die übrigens nach den Statuten selbst nur für gewerkschaftliche Kämpfe verwandt werden dürfen. Indessen konnte der Generalrat durch unablässige Bemühungen und Korrespondenzen das Geld, das er jede Woche verteilte, in kleinen Beträgen zusammenbringen. Die amerikanischen Arbeiter haben auf seinen Appell großzügiger geantwortet. Wenn doch der Generalrat nur über die Millionen hätte verfügen können, die die erschreckte Einbildungskraft der Bourgeoisie so groß mütig im Geldschrank der Internationale deponiert!

Nach dem Mai 1871 wurde eine gewisse Anzahl von Flüchtlingen der Kommune in den Generalrat berufen, um das französische Element zu ersetzen, das infolge des Krieges nicht mehr in ihm vertreten war. Unter den so kooptierten Mitgliedern gab es alte Mitglieder der Internationale und eine Minderheit von Männern, die für ihre revolutionäre Energie bekannt waren und deren Wahl eine Huldigung der Pariser Kommune darstellte.

Mitten in diesen Sorgen mußte der Generalrat die Vorbereitungen für die Delegiertenkonferenz treffen, die er gerade einberufen hatte.

Die Gewaltmaßnahmen, die die bonapartistische Regierung gegen die Internationale ergriffen hatte, hatten die Durchführung des Kongresses in Paris, wie es vom Baseler Kongreß vorgesehen war, verhindert. Der[8] Generalrat machte von dem in Artikel 4 der Statuten verliehenen Recht Gebrauch und berief in seinem Zirkular vom 12. Juli 1870 den Kongreß nach Mainz ein. In den gleichzeitig an die verschiedenen Föderationen gerichteten Briefen schlug er ihnen vor, den Sitz des Generalrats von England in ein anderes Land zu verlegen, und forderte sie auf, die Delegierten mit imperativen Mandaten zu dieser Frage zu versehen. Die Föderationen sprachen sich einmütig für die Beibehaltung des Sitzes in London aus. Der wenige Tage darauf ausbrechende Deutsch-Französische Krieg machte jeden Kongreß unmöglich. Erst dann gaben uns die Föderationen, die wir befragt hatten, die Vollmacht, den Termin des nächsten Kongresses den Ereignissen entsprechend festzulegen.

Sobald es die politische Situation zu erlauben schien, berief der Generalrat eine interne Konferenz ein, wobei er sich auf die Präzedenzfälle der Konferenz von 1865 und der internen administrativen Sitzungen jedes Kongresses stützte. Ein öffentlicher Kongreß war unmöglich und hätte die Delegierten des Kontinents nur der Denunziation ausgesetzt in einem Augenblick, da die europäische Reaktion ihre Orgien feierte, da Jules Favre von allen Regierungen, selbst von der Regierung Englands, die Auslieferung der Flüchtlinge als gemeine Verbrecher forderte; da Dufaure der Krautjunker-Versammlung ein Gesetz unterbreitete, das die Internationale außerhalb des Gesetzes stellte und von dem später Malou den Belgiern eine scheinheilige Nachahmung lieferte; da in der Schweiz in Erwartung des Entscheids der Bundesregierung über die Auslieferungsforderung ein Flüchtling der Kommune bereits vorbeugend verhaftet wurde; da die Jagd auf die Mitglieder der Internationale die offensichtliche Grundlage eines Bündnisses zwischen Beust und Bismarck war, dessen gegen die Internationale gerichtete Klausel Viktor Emanuel eifrigst übernommen hat; da die spanische Regierung, die sich ganz den Versailler Henkern zur Verfügung stellte, den Madrider Föderalrat zwang, in Portugal Zuflucht zu suchen; in dem Augenblick schließlich, da es die erste Pflicht der Internationale war, sich straffer zu organisieren und den von den Regierungen hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen.

Alle mit dem Generalrat in regelmäßiger Verbindung stehenden Sektionen wurden in angemessener Zeit zur Konferenz eingeladen, die, obwohl sie kein öffentlicher Kongreß war, auf ernste Schwierigkeiten stieß. Selbstverständlich konnte Frankreich in dem Zustand, in dem es sich befand, keine Delegierten wählen. In Italien war die einzige damals organisierte Sektion die von Neapel – im Augenblick der Ernennung eines Delegierten wurde sie durch die bewaffnete Macht aufgelöst. In Osterreich und[9] Ungarn waren die aktivsten Mitglieder eingekerkert. In Deutschland wurden einige der bekanntesten Mitglieder wegen Hochverrats verfolgt, andere saßen im Gefängnis, und die finanziellen Mittel der Partei waren für die Hilfe, die ihren Familien gewährt werden mußte, aufgebraucht. Die Amerikaner richteten an die Konferenz ein detailliertes Memorandum über die Situation der Internationale in ihrem Lande und verwandten die Delegationskosten zur Unterstützung der Flüchtlinge. Übrigens erkannten alle Föderationen die Notwendigkeit an, eine interne Konferenz statt eines öffentlichen Kongresses abzuhalten.

Nachdem die Konferenz vom 17. bis 23. September 1871 in London getagt hatte, war es die Sorge des Generalrats, ihre Resolutionen zu veröffentlichen, die Verwaltungsverordnungen zusammenzufassen und sie mit den revidierten und korrigierten Allgemeinen Statuten in drei Sprachen zu veröffentlichen; den Beschluß über die Einführung von Beitragsmarken an Stelle von Mitgliedskarten durchzuführen; die Internationale in England zu reorganisieren und schließlich die für diese verschiedenen Arbeiten erheischten Ausgaben zu bestreiten.

Gleich nach der Veröffentlichung der Materialien der Konferenz verkündete die reaktionäre Presse von Paris bis Moskau, von London bis New York, daß die Resolution über die Politik der Arbeiterklasse so gefährliche Absichten in sich schließe – die »Times« beschuldigte sie »einer kaltblütig berechnenden Verwegenheit« –, daß es dringend notwendig wäre, die Internationale außerhalb des Gesetzes zu stellen. Andererseits diente die Resolution, die mit den eingeschmuggelten sektiererischen Sektionen abrechnete, als Vorwand für die auf der Lauer liegende internationale Polizei, sich lautstark für die autonome Freiheit der Arbeiter, ihrer Schützlinge, gegen den entwürdigenden Despotismus des Generalrats und der Konferenz einzusetzen. Die Arbeiterklasse fühlte sich so »schwer unterdrückt«, daß der Generalrat aus Europa, Amerika, Australien und selbst aus Ostindien Beitrittserklärungen und Mitteilungen über die Bildung neuer Sektionen erhielt.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 18, S. 7-10.
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