Proudhon

[518] »Herr Stein hat sich selbst das glänzendste Armutszeugnis ausgestellt, da er diesen Proudhon en bagatelle behandelte« (vgl. »Einundzw[anzig] Bogen«, p. 84). »Es gehört freilich etwas mehr als Hegelscher abgekochter Kohl dazu, um diese inkarnierte Logik zu verfolgen.« p. 411.

Einige wenige Beispiele mögen zeigen, daß Herr Grün auch in diesem Abschnitte sich treu bleibt.

Er übersetzt von p. 437-444 einige Auszüge aus den nationalökonomischen Beweisen Proudhons, daß das Eigentum unmöglich sei, und ruft am Ende aus:

»Dieser Kritik des Eigentums, welche die vollständige Auflösung desselben ist, brauchen wir nichts hinzuzufügen! Wir wollen hier nicht eine neue Kritik schreiben,[518] welche wieder die Gleichheit der Produktion, die Vereinzelung der gleichen Arbeiter aufhöbe. Schon oben habe ich das Nötige angedeutet, das Übrige« (was Herr Grün nämlich nicht angedeutet hat) »wird sich beim Wiederaufbau der Gesellschaft, bei der Gründung der wahren Besitzverhältnisse finden.« p. 444.

So sucht Herr Grün dem Eingehen auf die nationalökonomischen Entwicklungen Proudhons zu entschlüpfen und zugleich sich darüber zu erheben. Proudhons sämtliche Beweise sind falsch, doch das wird sich für Herrn Grün finden, sobald es von Andern nachgewiesen ist.

Die in der »Heiligen Familie« gegebenen Bemerkungen über Proudhon, namentlich, daß Proudhon die Nationalökonomie vom nationalökonomischen, das Recht vom juristischen Standpunkte aus kritisiere, werden von Herrn Grün abgeschrieben. Er hat indes so wenig verstanden, w[or]u[m] es sich handelte, daß er die [ei]gentliche Pointe wegläßt, [nämlich] daß Proudhon die Illusi[onen der] Juristen und Ökonomen ge[genüber] ihrer Praxis geltend m[acht, und] rein sinnlos[e Phrasen] für den obigen Satz gibt.

Das Wichtigste in Proudhons Buch »De la création de l'ordre dans l'humanité« ist seine dialectique sérielle, der Versuch, eine Methode des Denkens zu geben, wodurch an die Stelle der selbständigen Gedanken der Denkprozeß tritt. Proudhon sucht von französischem Standpunkte aus nach einer Dialektik, wie Hegel sie wirklich gegeben hat. Die Verwandtschaft mit Hegel ist hier also realiter vorhanden, nicht durch phantastische Analogie. Hier war es also leicht, eine Kritik der Proudhonschen Dialektik zu geben, wenn man mit der Kritik der Hegelschen fertig geworden war. Dies war aber um so weniger von den wahren Sozialisten zu verlangen, als der von ihnen sich vindizierte Philosoph Feuerbach damit nicht zustande gekommen war. Herr Grün sucht auf eine wirklich drollige Weise seine Aufgabe zu eskamotieren. Gerade an der Stelle, wo er sein deutsches schweres Geschütz spielen lassen sollte, reißt er aus mit einer unanständigen Gebärde. Er füllt erst einige Blätter mit Übersetzungen aus und erklärt dem Proudhon dann mit breitspuriger belletristischer captatio benevolentiae, daß er mit seiner ganzen dialectique sérielle nur den Gelehrten spielen wolle. Er sucht ihn freilich durch den Zuruf zu trösten:

»Ach, mein lieber Freund, was das Gelehrt-« (und »Privatdozent-)sein anbetrifft, so täusche dich nicht. Wir haben Alles wieder verlernen müssen, was uns unsre Scholarchen und Universitätsmaschinen« (mit Ausnahme von Stein, Reybaud und Cabet) »mit so unendlicher Mühe, mit so vielem Widerwillen von ihrer und von unsrer Seite beizubringen suchten.« p. [457.][519]

Zum Beweise, daß Herr Grün jetzt nicht mehr »mit so unendlicher Mühe«, wenn auch vielleicht noch mit eben »so vielem Widerwillen« lernt, beginnt er seine sozialistischen St[ud]ien und Briefe in Paris am 6. November [und] hat bis zum nächsten 20. Januar [nicht] nur die Studien, sondern auch [die Darstellung de]s »wahren Gesamteindrucks des voll stän[dig]en Verlaufs mit Notwendigkeit« voll[en]det.[520]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1958, Band 3, S. 518-521.
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