2. Programm und Reglement der öffentlichen Allianz

[467] Indem die sozialistische Minorität der Friedens- und Freiheitsliga (!) sich von dieser Liga trennte infolge des Majoritätsvotums auf dem Kongreß zu Bern, welches Votum sich ausdrücklich gegen das Grundprinzip aller Arbeitergenossenschaften, das Prinzip der ökonomischen und sozialen Gleichheit der Klassen und Individuen, aussprach, ist diese Minorität hierdurch von selbst den von den Arbeiterkongressen zu Genf, Lausanne und Brüssel ausgesprochenen Prinzipien beigetreten. Mehrere verschiedenen Nationen angehörige Mitglieder der erwähnten Minorität haben uns den Vorschlag gemacht, eine neue Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie zu organisieren, die, zwar vollständig in der großen Internationalen Arbeiter-Assoziation aufgegangen, sich doch die besondere Mission stelle, die politischen und philosophischen Fragen auf der Grundlage dieses großen Prinzips der allgemeinen und sittlichen Gleichheit aller Menschenwesen auf Erden zu studieren.

Unsererseits von dem Nutzen eines solchen Unternehmens überzeugt, das den aufrichtigen sozialistischen Demokraten Europas und Amerikas das Mittel gewähren wird, sich zu verständigen und ihre Ideen zu befestigen außerhalb jeder Pression jenes falschen Sozialismus, welchen die Bourgeois-Demokratie heute zur Förderung ihrer Zwecke zur Schau trägt, haben wir, in Übereinstimmung mit den gedachten Freunden, geglaubt, die Initiative für diese neue Organisation ergreifen zu müssen.

[467] Demgemäß haben wir uns als Zentralsektion der Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie organisiert und veröffentlichen heute das Programm und Reglement derselben.


Programm der Internationalen Allianz der Sozialistischen Demokratie

1. Die Allianz erklärt sich als atheistisch; sie will die Abschaffung aller Religionskulte und die Ersetzung des Glaubens durch die Wissenschaft sowie der göttlichen Gerechtigkeit durch die menschliche.

2. Sie will vor allem die politische, ökonomische und soziale Gleichmachung der Klassen und der Individuen beider Geschlechter, indem sie mit der Abschaffung des Erbrechts den Anfang macht, damit in Zukunft der Genuß gleich sei der produktiven Arbeit eines jeden und, dem vom letzten Arbeiterkongreß zu Brüssel gefaßten Beschlüsse gemäß, der Grund und Boden, die Arbeitswerkzeuge sowie alles andere Kapital, als Kollektiveigentum der gesamten Gesellschaft, nur dem Nutzen der Arbeiter, d.h. der ackerbauenden und industriellen Assoziationen dienen.

3. Sie will für alle Kinder beiderlei Geschlechter von ihrer Geburt an die Gleichheit der Mittel zu ihrer Entwickelung, d.h. ihres Unterhaltes, ihrer Erziehung und ihres Unterrichtes auf allen Stufen der Wissenschaft, der Industrie und der Künste; sie hegt die Überzeugung, daß diese zunächst nur ökonomische und soziale Gleichheit die Folge haben wird, eine immer größere natürliche Gleichheit der Individuen zu schaffen, indem sie alle künstlichen Ungleichheiten, historische Produkte einer ebenso falschen als unbilligen sozialen Organisation, verschwinden macht.

4. Als Feindin jedes Despotismus und keine andere politische Form als die republikanische anerkennend sowie jedes reaktionäre Bündnis absolut verwerfend, weist sie jede politische Tätigkeit von sich, die nicht den Triumph der Sache der Arbeiter gegen das Kapital zum unmittelbaren und direkten Zweck hat.

5. Sie bekennt, daß alle gegenwärtig existierenden politischen Autoritätsstaaten, sich mehr und mehr zu einfachen Funktionen der Verwaltung des öffentlichen Dienstes in ihren betreffenden Ländern umwandelnd, in der universellen Einigung freier, ackerbauender wie industrieller Genossenschaften verschwinden müssen.

6. Da die soziale Frage nur auf der Grundlage der internationalen oder allgemeinen Solidarität der Arbeiter aller Länder ihre schließliche und wirkliche Lösung finden kann, verwirft die Allianz jede auf dem sogenannten Patriotismus und der Rivalität der Nationen begründete Politik.

7. Sie will die universelle Genossenschaft aller lokalen Genossenschaften vermittelst der Freiheit.[468]


Reglement

1. Die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie konstituiert sich als ein Zweig der Internationalen Arbeiter-Assoziation, deren sämtliche allgemeine Statuten sie annimmt.

2. Die Gründungsmitglieder (membres fondateurs) organisieren provisorisch ein Zentralbüro in Genf.

3. Die Gründungsmitglieder ein und desselben Landes konstituieren das Nationalbüro dieses Landes.

4. Die Nationalbüros haben die Aufgabe, an allen Orten Lokalgruppen der Allianz der sozialistischen Demokratie zu gründen, die sodann vermittelst ihrer bezüglichen Nationalbüros beim Zentralbüro der Allianz ihre Aufnahme in die Internationale Arbeiter-Assoziation zu beantragen haben.

5. Alle Lokalgruppen bilden ihre Büros in der bei den Lokalsektionen der Internationalen Arbeiter-Assoziation üblichen Weise.

6. Alle Mitglieder der Allianz verpflichten sich zur Zahlung eines monatlichen Beitrages von zehn Centimes. Die Hälfte des Beitrages hält jede nationale Gruppe für ihre eigenen Bedürfnisse zurück, die andere Hälfte fließt in die Kasse des Zentralbüros für die allgemeinen Zwecke.

In den Ländern, in welchen man diesen Beitrag für zu hoch erachtet, können ihn die Nationalbüros in Übereinstimmung mit dem Zentralbüro ermäßigen.

7. Bei dem jährlichen Arbeiterkongreß wird die Delegation der Allianz der sozialistischen Demokratie, als Zweig der Internationalen Arbeiter-Assoziation, ihre öffentlichen Sitzungen in einem besonderen Lokale halten.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 18, S. 467-469.
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