b) Zahlungsmittel

[115] Die beiden Formen, worin Geld sich bisher vom Zirkulationsmittel unterschied, waren die der suspendierten Münze und des Schatzes. Die erste Form reflektierte in der vorübergehenden Verwandlung der Münze in Geld, daß das zweite Glied von W – G – W der Kauf G – W, sich innerhalb einer bestimmten Zirkulationssphäre zersplittern muß in eine Reihe sukzessiver Käufe. Die Schatzbildung aber beruhte einfach auf Isolierung des Akts W – G, der nicht zu G – W fortging, oder war nur selbständige Entwicklung der ersten Metamorphose der Ware, das Geld, entwickelt als das entäußerte Dasein aller Waren im Gegensatz zum Zirkulationsmittel als dem Dasein der Ware in ihrer sich stets veräußernden Form. Münzreserve und Schatz waren nur Geld als Nichtzirkulationsmittel, Nichtzirkulationsmittel aber nur, weil sie nicht zirkulierten. In der Bestimmung, worin wir das Geld jetzt betrachten, zirkuliert es oder tritt in die Zirkulation, aber nicht in der Funktion des Zirkulationsmittels. Als Zirkulationsmittel war das Geld stets Kaufmittel, jetzt wirkt es als Nichtkaufmittel.

Sobald das Geld durch die Schatzbildung als Dasein des abstrakten gesellschaftlichen Reichtums und materieller Repräsentant des stofflichen Reichtums entwickelt ist, erhält es in dieser seiner Bestimmtheit als Geld eigentümliche Funktionen innerhalb des Zirkulationsprozesses. Zirkuliert das Geld als bloßes Zirkulationsmittel und darum als Kaufmittel, so ist unterstellt, daß Ware und Geld sich gleichzeitig gegenüberstehen, also dieselbe Wertgröße doppelt vorhanden ist, auf dem einen Pol als Ware in der Hand des Verkäufers, auf dem andern Pol als Geld in der Hand des Käufers. Diese gleichzeitige Existenz der beiden Äquivalente auf entgegengesetzten Polen und ihr gleichzeitiger Stellenwechsel oder ihre wechselseitige Entäußerung unterstellt ihrerseits, daß Verkäufer und Käufer sich nur als Besitzer vorhandener Äquivalente aufeinander beziehn. Indes der Prozeß der Metamorphose der Waren, der die verschiedenen Formbestimmtheiten des Geldes erzeugt, metamorphosiert auch die Warenbesitzer oder verändert die gesellschaftlichen Charaktere, worin sie einander erscheinen. In dem Prozeß der[115] Metamorphose der Ware wechselt der Warenhüter ebensooft die Haut als die Ware wandelt oder das Geld in neuen Formen anschießt. So standen sich die Warenbesitzer ursprünglich nur als Warenbesitzer gegenüber, wurden dann der eine Verkäufer, der andre Käufer, dann jeder abwechselnd Käufer und Verkäufer, dann Schatzbildner, endlich reiche Leute. So kommen die Warenbesitzer nicht aus dem Zirkulationsprozeß heraus, wie sie in ihn eingetreten sind. In der Tat sind die verschiedenen Formbestimmtheiten, die das Geld im Zirkulationsprozeß erhält, nur kristallisierter Formwechsel der Waren selbst, der seinerseits nur gegenständlicher Ausdruck der wandelnden gesellschaftlichen Beziehungen ist, worin die Warenbesitzer ihren Stoffwechsel vollziehn. Im Zirkulationsprozeß entspringen neue Verkehrsverhältnisse, und als Träger dieser veränderten Verhältnisse erhalten die Warenbesitzer neue ökonomische Charaktere. Wie innerhalb der innern Zirkulation das Geld sich idealisiert und bloßes Papier als Repräsentant des Goldes die Funktion des Geldes verrichtet, so gibt derselbe Prozeß dem Käufer oder Verkäufer, der als bloßer Repräsentant von Geld oder Ware in ihn eintritt, d.h. zukünftiges Geld oder zukünftige Ware repräsentiert, die Wirksamkeit des wirklichen Verkäufers oder Käufers.

Alle Formbestimmtheiten, wozu sich Gold als Geld entwickelt, sind nur Entfaltung der in der Metamorphose der Waren eingeschlossenen Bestimmungen, die aber in dem einfachen Geldumlauf, der Erscheinung des Gelds als Münze oder der Bewegung W – G – W als prozessierender Einheit, nicht zu selbständiger Gestalt ausgeschieden wurden, oder auch, wie z.B. die Abbrechung der Metamorphose der Ware, als bloße Möglichkeiten erschienen. Wir sahen, daß im Prozeß W – G die Ware als wirklicher Gebrauchswert und ideeller Tauschwert sich auf das Geld als wirklichen Tauschwert und nur ideellen Gebrauchswert bezog. Indem der Verkäufer die Ware als Gebrauchswert veräußerte, realisierte er ihren eigenen Tauschwert und den Gebrauchswert des Geldes. Umgekehrt, indem der Käufer das Geld als Tauschwert veräußerte, realisierte er seinen Gebrauchswert und den Preis der Ware. Es fand dementsprechend Stellenwechsel von Ware und Geld statt. Der lebendige Prozeß dieses doppelseitig polarischen Gegensatzes wird nun wieder in seiner Verwirklichung gespalten. Der Verkäufer veräußert die Ware wirklich und realisiert ihren Preis zunächst selbst nur wieder ideell. Er hat sie zu ihrem Preis verkauft, der aber erst in einer später festgesetzten Zeit realisiert wird. Der Käufer kauft als Repräsentant von künftigem Geld, während der Verkäufer als der Besitzer von gegenwärtiger Ware verkauft. Auf der Seite des Verkäufers wird die Ware als Gebrauchswert wirklich veräußert, ohne daß sie als Preis wirklich realisiert wäre; auf der Seite des Käufers wird[116] das Geld wirklich im Gebrauchswerte der Ware realisiert, ohne daß es als Tauschwert wirklich veräußert wäre. Statt daß früher das Wertzeichen, vertritt hier der Käufer selbst symbolisch das Geld. Wie aber früher die allgemeine Symbolik des Wertzeichens die Garantie und den Zwangskurs des Staates, ruft jetzt die persönliche Symbolik des Käufers gesetzlich erzwingbare Privatkontrakte unter den Warenbesitzern hervor.

Umgekehrt kann im Prozeß G – W das Geld als wirkliches Kaufmittel entäußert und der Preis der Ware so realisiert werden, ehe der Gebrauchswert des Geldes realisiert oder die Ware veräußert wird. Dies findet z.B. statt in der alltäglichen Form der Pränumeration. Oder in der Form, worin die englische Regierung das Opium der Ryots in Indien, oder in Rußland ansässige fremde Kaufleute großenteils russische Landeserzeugnisse kaufen. So wirkt jedoch das Geld nur in der schon bekannten Form des Kaufmittels und erhält daher keine neue Formbestimmtheit.102 Wir verweilen daher nicht bei dem letztem Fall, bemerken jedoch mit Bezug auf die verwandelte Gestalt, worin beide Prozesse G – W und W – G hier auftreten, daß der bloß gemeinte Unterschied von Kauf und Verkauf, wie er unmittelbar in der Zirkulation erscheint, jetzt zum wirklichen Unterschied wird, indem in der einen Form nur die Ware, in der andern nur das Geld vorhanden ist, in beiden aber nur das Extrem, von dem die Initiative ausgeht. Zudem haben beide Formen gemein, daß in beiden das eine Äquivalent nur in dem gemeinsamen Willen des Käufers und Verkäufers vorhanden ist, ein Wille, der beide bindet und bestimmte gesetzliche Formen erhält.

Verkäufer und Käufer werden Gläubiger und Schuldner. Wenn der Warenbesitzer als Hüter des Schatzes eher eine komische Figur spielte, wird er nun schrecklich, indem er nicht sich selbst, sondern seinen Nächsten als Dasein einer bestimmten Geldsumme auffaßt und nicht sich, sondern ihn zum Märtyrer des Tauschwerts macht. Aus einem Gläubigen wird er zum Gläubiger, aus der Religion fällt er in die Jurisprudenz.


»I stay here on my bond!«


In der veränderten Form W – G also, worin die Ware vorhanden und das Geld nur repräsentiert ist, funktioniert das Geld zunächst als Maß der Werte. Der Tauschwert der Ware wird in Geld als seinem Maß geschätzt, aber als kontraktlich gemeßner Tauschwert existiert der Preis nicht nur im Kopf des[117] Verkäufers, sondern zugleich als Maß der Verpflichtung des Käufers. Zweitens funktioniert das Geld hier als Kaufmittel, obgleich es nur den Schatten seines künftigen Daseins vor sich herwirft. Es zieht nämlich die Ware aus ihrer Stelle, aus der Hand des Verkäufers in die des Käufers. Wird der Termin für Erfüllung des Kontrakts fällig, so tritt das Geld in Zirkulation, denn es wechselt die Stelle und geht aus der Hand des vergangnen Käufers in die des vergangnen Verkäufers über. Aber es tritt nicht in Zirkulation als Zirkulationsmittel oder Kaufmittel. Als solches funktionierte es, ehe es da war, und es erscheint, nachdem es aufgehört hat, als solches zu funktionieren. Es tritt vielmehr in Zirkulation als das einzige adäquate Äquivalent für Ware, als absolutes Dasein des Tauschwerts, als letztes Wort des Austauschprozesses, kurz als Geld, und zwar als Geld in der bestimmten Funktion als allgemeines Zahlungsmittel. In dieser Funktion als Zahlungsmittel erscheint das Geld als die absolute Ware, aber innerhalb der Zirkulation selbst, nicht wie der Schatz außerhalb derselben. Der Unterschied von Kaufmittel und Zahlungsmittel macht sich sehr unangenehm bemerkbar in den Epochen der Handelskrisen.103

Ursprünglich erscheint in der Zirkulation die Verwandlung des Produkts in Geld nur als individuelle Notwendigkeit für den Warenbesitzer, sofern sein Produkt Gebrauchswert nicht für ihn ist, sondern es erst durch seine Entäußerung werden soll. Um aber zu zahlen am kontraktlichen Termin, muß er vorher Ware verkauft haben. Ganz unabhängig von seinen individuellen Bedürfnissen ist daher der Verkauf durch die Bewegung des Zirkulationsprozesses in eine gesellschaftliche Notwendigkeit für ihn verwandelt. Als vergangner Käufer einer Ware wird er zwangsweise Verkäufer einer andern Ware, nicht um das Geld als Kaufmittel, sondern um es als Zahlungsmittel zu erhalten, als die absolute Form des Tauschwerts. Die Verwandlung von Ware in Geld als abschließender Akt, oder die erste Metamorphose der Ware als Selbstzweck, die in der Schatzbildung Laune des Warenbesitzers schien, ist jetzt zu einer ökonomischen Funktion geworden. Das Motiv und der Inhalt des Verkaufs, um zu zahlen; ist aus der Form des Zirkulationsprozesses selbst entspringender Inhalt desselben.

In dieser Form des Verkaufs vollzieht die Ware ihren Stellenwechsel, zirkuliert, während sie ihre erste Metamorphose, ihre Verwandlung in Geld aufschiebt. Auf der Seite des Käufers dagegen wird die zweite Metamorphose vollzogen, d.h. Geld in Ware rückverwandelt, ehe die erste Metamorphose vollzogen ist, d.h. Ware in Geld verwandelt worden ist. Die erste Metamorphose[118] erscheint also hier in der Zeit nach der zweiten. Und damit erhält das Geld, die Gestalt der Ware in ihrer ersten Metamorphose, neue Formbestimmtheit. Geld oder die selbständige Entwicklung des Tauschwerts ist nicht mehr vermittelnde Form der Warenzirkulation, sondern ihr abschließendes Resultat.

Daß solche Zeitverkäufe, worin beide Pole des Verkaufs getrennt in der Zeit existieren, naturwüchsig aus der einfachen Warenzirkulation hervorgehn, bedarf keines ausführlichen Beweises. Zunächst bringt es die Entwicklung der Zirkulation mit sich, daß das wechselseitige Auftreten derselben Warenbesitzer füreinander als Verkäufer und Käufer sich wiederholt. Die wiederholte Erscheinung bleibt nicht bloß zufällig, sondern Ware wird z.B. bestellt für einen künftigen Termin, an welchem sie geliefert und bezahlt werden soll. In diesem Fall ist der Verkauf ideell, d.h. hier juristisch vollzogen, ohne daß Ware und Geld leiblich erscheinen. Beide Formen des Geldes als Zirkulationsmittel und Zahlungsmittel fallen hier noch zusammen, indem einmal Ware und Geld gleichzeitig die Stelle wechseln, andrerseits das Geld nicht die Ware kauft, sondern den Preis der früher verkauften Ware realisiert. Ferner bringt es die Natur einer Reihe von Gebrauchswerten mit sich, daß sie nicht mit tatsächlicher Überlieferung der Ware, sondern nur durch Überlassung derselben für eine bestimmte Zeit wirklich veräußert werden. Z.B. wenn der Gebrauch eines Hauses verkauft wird für einen Monat, ist der Gebrauchswert des Hauses erst nach Ablauf des Monats geliefert, obgleich es im Anfang des Monats die Hände wechselt. Da das faktische Überlassen des Gebrauchswerts und seine wirkliche Entäußerung hier der Zeit nach auseinanderfallen, findet die Realisierung seines Preises ebenfalls später statt als sein Stellenwechsel. Endlich aber veranlaßt der Unterschied der Zeitdauer und Zeitepoche, worin die verschiedenen Waren produziert werden, daß der eine als Verkäufer auftritt, während der andere noch nicht als Käufer auftreten kann, und bei der öftern Wiederholung von Kauf und Verkauf unter denselben Warenbesitzern fallen so die beiden Momente des Verkaufs auseinander, entsprechend den Produktionsbedingungen ihrer Waren. So entsteht ein Verhältnis von Gläubiger und Schuldner unter den Warenbesitzern, das zwar die naturwüchsige Grundlage des Kreditsystems bildet, aber vollständig entwickelt sein kann, bevor das letztre existiert. Es ist indes klar, daß mit der Ausbildung des Kreditwesens, also der bürgerlichen Produktion überhaupt, die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel sich ausdehnen wird auf Kosten seiner Funktion als Kaufmittel und noch mehr als Element der Schatzbildung. In England z.B. ist Geld als Münze beinahe ausschließlich in die Sphäre des Detailhandels und des Kleinhandels zwischen[119] Produzenten und Konsumenten gebannt, während es als Zahlungsmittel die Sphäre der großen Handelstransaktionen beherrscht.104

Als allgemeines Zahlungsmittel wird Geld die allgemeine Ware der Kontrakte – zunächst nur innerhalb der Sphäre der Warenzirkulation.105 Jedoch mit seiner Entwicklung in dieser Funktion lösen sich allmählich alle andern Formen der Zahlung in Geldzahlung auf. Der Grad, worin Geld als ausschließliches Zahlungsmittel entwickelt ist, zeigt den Grad an, worin der Tauschwert sich der Produktion in ihrer Tiefe und Breite bemächtigt hat.106

Zunächst ist die Masse des als Zahlungsmittel zirkulierenden Geldes bestimmt durch den Belauf der Zahlungen, d.h. die Preissumme der veräußerten Waren, nicht der zu veräußernden, wie im einfachen Geldumlauf. Die so[120] bestimmte Summe wird jedoch doppelt modifiziert, erstens durch die Geschwindigkeit, womit dasselbe Geldstück dieselbe Funktion wiederholt oder sich die Masse der Zahlungen als prozessierende Kette von Zahlungen darstellt. A zahlt B, worauf B C zahlt und so fort. Die Geschwindigkeit, womit dasselbe Geldstück seine Funktion als Zahlungsmittel wiederholt, hängt einerseits ab von der Verkettung der Verhältnisse von Gläubiger und Schuldner unter den Warenbesitzern, so daß derselbe Warenbesitzer der Gläubiger gegenüber dem einen, Schuldner gegenüber dem andern ist usw., andererseits von der Zeitlänge, die die verschiedenen Zahlungstermine trennt. Diese Kette von Zahlungen oder nachträglichen ersten Metamorphosen der Waren ist qualitativ verschieden von der Kette der Metamorphosen, die sich im Umlauf des Gelds als Zirkulationsmittel darstellt. Letztere erscheint nicht nur in zeitlicher Sukzession, sondern wird erst in derselben. Die Ware wird Geld, dann wieder Ware und befähigt so die andere Ware, Geld zu werden usw., oder der Verkäufer wird Käufer, wodurch ein anderer Warenbesitzer Verkäufer wird. Dieser Zusammenhang entsteht zufällig im Prozeß des Warenaustauschs selbst. Daß aber Geld, womit A den B bezahlt hat, von B an C, von C an D usw. fortgezahlt wird, und zwar in rasch aufeinanderfolgenden Zeiträumen – in diesem äußerlichen Zusammenhang tritt nur ein schon fertig vorhandener gesellschaftlicher Zusammenhang an den Tag. Dasselbe Geld läuft nicht durch verschiedene Hände, weil es als Zahlungsmittel auftritt, sondern es läuft als Zahlungsmittel um, weil die verschiedenen Hände schon ineinandergeschlagen haben. Die Geschwindigkeit, womit das Geld als Zahlungsmittel umläuft, zeigt also ein viel tieferes Hereinziehen der Individuen in den Zirkulationsprozeß, als die Geschwindigkeit, womit das Geld als Münze oder als Kaufmittel umläuft.

Die Preissumme gleichzeitiger und daher räumlich nebeneinanderfallender Käufe und Verkäufe bildet die Grenze für Ersetzen der Münzmasse durch Umlaufsgeschwindigkeit. Diese Schranke fällt fort für das als Zahlungsmittel funktionierende Geld. Konzentrieren sich gleichzeitig zu leistende Zahlungen an einem Platz, was zunächst naturwüchsig nur an den großen Sammelpunkten der Warenzirkulation stattfindet, so gleichen sich die Zahlungen als negative und positive Größen gegeneinander aus, indem A an B zu zahlen, zugleich von C Zahlung zu erhalten hat usw. Die als Zahlungsmittel erheischte Summe Geldes wird daher bestimmt sein nicht durch die Preissumme der gleichzeitig zu realisierenden Zahlungen, sondern durch die größere oder geringere Konzentration derselben und die Größe der Bilanz, die nach ihrem wechselseitigen Aufheben als negative und positive Größen übrigbleibt. Eigne Vorrichtungen zu diesen Ausgleichungen entstehen ohne alle[121] Entwickelung des Kreditwesens, wie z.B. im alten Rom. Die Betrachtung derselben gehört aber ebensowenig hierher, wie die der allgemeinen Zahlungstermine, die sich überall in bestimmten Gesellschaftskreisen festsetzen. Hier sei nur noch bemerkt, daß der spezifische Einfluß, den diese Termine auf die periodischen Schwankungen in der Quantität des umlaufenden Geldes ausüben, erst in neuester Zeit wissenschaftlich untersucht worden ist.

Soweit sich die Zahlungen ausgleichen als positive und negative Größen, findet gar keine Dazwischenkunft von wirklichem Geld statt. Es entwickelt sich hier nur in seiner Form als Maß der Werte, einerseits im Preis der Ware, andererseits in der Größe der wechselseitigen Obligationen. Außer seinem ideellen Dasein erhält der Tauschwert hier also kein selbständiges Dasein, nicht einmal das Dasein als Wertzeichen, oder das Geld wird nur zu idealem Rechengeld. Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel schließt also den Widerspruch ein, daß es einerseits, soweit sich die Zahlungen ausgleichen, nur ideell als Maß wirkt, andrerseits, soweit die Zahlung wirklich zu verrichten ist, nicht als verschwindendes Zirkulationsmittel, sondern als das ruhende Dasein des allgemeinen Äquivalents, als die absolute Ware, mit einem Wort, als Geld in die Zirkulation hereintritt. Wo daher die Kette der Zahlungen und ein künstliches System ihrer Ausgleichung sich entwickelt hat, schlägt bei Erschütterungen, die den Fluß der Zahlungen gewaltsam unterbrechen und den Mechanismus ihrer Ausgleichung stören, das Geld plötzlich aus seiner gasartigen hirngewebten Gestalt als Maß der Werte in hartes Geld oder Zahlungsmittel um. In Zuständen entwickelter bürgerlicher Produktion also, worin der Warenbesitzer längst Kapitalist geworden ist, seinen Adam Smith kennt, und vornehm über den Aberglauben lächelt, daß Gold und Silber allein Geld oder daß Geld überhaupt im Unterschied von andern Waren die absolute Ware sei, erscheint Geld plötzlich wieder, nicht als Mittler der Zirkulation, sondern als allein adäquate Form des Tauschwerts, als der einzige Reichtum, ganz wie es der Schatzbildner auffaßt. Als solch ausschließliches Dasein des Reichtums offenbart es sich nicht, wie etwa im Monetarsystem, in der bloß vorgestellten, sondern in der wirklichen Entwertung und Wertlosigkeit alles stofflichen Reichtums. Es ist dies das besondere Moment der Weltmarktskrisen, das Geldkrise heißt. Das summum bonum, wonach in solchen Momenten als dem einzigen Reichtum geschrien wird, ist Geld, bares Geld, und daneben erscheinen alle andern Waren, eben weil sie Gebrauchswerte sind, als nutzlos, als Tand, Spielzeug, oder wie unser Doktor Martin Luther sagt, als bloßer Schmuck und Fraß.[122] Dies plötzliche Umschlagen des Kreditsystems in das Monetarsystem fügt den theoretischen Schrecken zum praktischen panic, und die Zirkulationsagenten schaudern vor dem undurchdringlichen Geheimnis ihrer eigenen Verhältnisse.107

Die Zahlungen machen ihrerseits einen Reservefonds, eine Akkumulation von Geld als Zahlungsmittel nötig. Die Bildung dieser Reservefonds erscheint nicht mehr wie bei der Schatzbildung als der Zirkulation selbst äußerliche Tätigkeit, noch wie bei der Münzreserve als bloß technische Stockung der Münze, sondern Geld muß allmählich aufgesammelt werden, um an bestimmten künftigen Zahlungsterminen vorhanden zu sein. Während also die Schatzbildung in der abstrakten Form, worin sie als Bereicherung gilt, mit der Entwickelung der bürgerlichen Produktion abnimmt, wächst diese durch den Austauschprozeß unmittelbar erheischte Schatzbildung, oder vielmehr ein Teil der Schätze, die sich überhaupt in der Sphäre der Warenzirkulation bilden, wird als Reservefonds von Zahlungsmitteln absorbiert. Je entwickelter die bürgerliche Produktion ist, um so mehr werden diese Reservefonds auf das notwendige Minimum beschränkt. Locke gibt in seiner Schrift über die Herabsetzung des Zinsfußes108 interessante Aufschlüsse über die Größe dieser Reservefonds zu seiner Zeit. Man ersieht daraus, welchen bedeutenden Teil des überhaupt umlaufenden Geldes die Reservoirs für Zahlungsmittel in England absorbierten grade in der Epoche, wo sich das Bankwesen zu entwickeln begann.

Das Gesetz über die Quantität des zirkulierenden Geldes, wie es sich aus der Betrachtung des einfachen Geldumlaufs ergab, wird wesentlich modifiziert durch den Umlauf des Zahlungsmittels. Bei gegebener Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, sei es als Zirkulationsmittel, sei es als Zahlungsmittel, wird die Gesamtsumme des in einem gegebenen Zeitabschnitt zirkulierenden Geldes bestimmt sein durch die Gesamtsumme der zu realisierenden[123] Warenpreise [plus] der Gesamtsumme der in derselben Epoche fälligen Zahlungen minus der durch Ausgleichung sich gegeneinander aufhebenden Zahlungen. Das allgemeine Gesetz, daß die Masse des umlaufenden Geldes von den Warenpreisen abhängt, wird dadurch nicht im geringsten berührt, da der Belauf der Zahlungen selbst durch die kontraktlich festgesetzten Preise bestimmt ist. Es zeigt sich aber schlagend, daß selbst Geschwindigkeit des Umlaufs und Ökonomie der Zahlungen als gleichbleibend vorausgesetzt, die Preissumme der in einer bestimmten Periode, z.B. einem Tag, zirkulierenden Warenmassen und die Masse des an demselben Tag zirkulierenden Geldes sich keineswegs decken, denn es zirkulieren eine Masse Waren, deren Preis erst künftig in Geld realisiert wird, und es zirkuliert eine Masse Geld, wofür die entsprechenden Waren längst aus der Zirkulation herausgefallen sind. Die letztere Masse selbst wird davon abhängen, wie groß die Wertsumme der Zahlungen ist, die an demselben Tag fällig werden, obgleich sie zu ganz verschiedenen Perioden kontrahiert sind.

Wir sahen, daß der Wechsel im Wert des Goldes und Silbers ihre Funktion als Maß der Werte oder Rechengeld nicht affiziert. Dieser Wechsel wird jedoch entscheidend wichtig für das Geld als Schatz, denn mit dem Steigen oder Fallen des Gold- und Silberwerts steigt oder fällt die Wertgröße des goldnen oder silbernen Schatzes. Noch wichtiger für das Geld als Zahlungsmittel. Die Zahlung erfolgt erst später als der Verkauf der Ware oder das Geld wirkt zu zwei verschiedenen Zeiträumen in zwei verschiedenen Funktionen, erst als Maß der Werte, dann als dieser Messung entsprechendes Zahlungsmittel. Wechselt in dieser Zwischenzeit der Wert der edeln Metalle, oder die zu ihrer Produktion erheischte Arbeitszeit, so wird dasselbe Quantum Gold oder Silber, wenn es als Zahlungsmittel erscheint, mehr oder weniger wert sein als zur Zeit, wo es als Maß der Werte diente oder der Kontrakt abgeschlossen wurde. Die Funktion einer besondern Ware wie Gold und Silber als Geld oder verselbständigter Tauschwert kommt hier in Kollision mit ihrer Natur als besondrer Ware, deren Wertgröße vom Wechsel ihrer Produktionskosten abhängt. Die große soziale Revolution, die das Fallen im Wert der edlen Metalle in Europa hervorrief, ist ebenso bekannte Tatsache, wie die umgekehrte Revolution, die in einer frühen Epoche der altrömischen Republik bewirkt wurde durch das Steigen im Wert des Kupfers, worin die Schulden der Plebejer kontrahiert waren. Ohne die Wertschwankungen der edlen Metalle in ihrem Einfluß auf das System der bürgerlichen Ökonomie weiter zu verfolgen, ergibt sich schon hier, daß das Fallen im Wert der edeln Metalle die Schuldner auf Kosten der Gläubiger, ein Steigen in ihrem Wert umgekehrt die Gläubiger auf Kosten der Schuldner begünstigt.[124]

102

Kapital wird natürlich auch in der Form des Geldes avanciert und das vorgeschoßne Geld mag vorgeschoßnes Kapital sein, dieser Gesichtspunkt fällt aber nicht in den Horizont der einfachen Zirkulation.

103

Unterschied von Kaufmittel und Zahlungsmittel bei Luther betont. [Note im Handexemplar.]

104

Herr Macleod verkennt, trotz seines doktrinären Definitionsdünkels, so sehr die elementarischsten ökonomischen Verhältnisse, daß er das Geld überhaupt entspringen läßt aus seiner entwickeltsten Form, der des Zahlungsmittels. Er sagt unter anderm: Da die Leute nicht immer gleichzeitig ihre wechselseitigen Dienste bedürfen, und nicht in demselben Wertumfang, »so würde ein gewisser Unterschied oder Betrag des Dienstes übrigbleiben, vom Ersten an den Zweiten zahlbar – Schuld«. Der Besitzer dieser Schuld braucht die Dienste eines andern, der der seinigen nicht unmittelbar bedarf, und »überträgt dem Dritten die Schuld, die der Erste an ihn hat. Der Schuldschein geht so von einer Hand zur andren – Umlaufmittel... Wenn jemand eine Schuldverpflichtung empfängt, die in Metallgeld ausgedrückt ist, so kann er nicht nur über die Dienste des ursprünglichen Schuldners verfügen, sondern über die der ganzen arbeitenden Gemeinschaft.« Macleod, »Theory and Practice of Banking etc.«, London 1855, v. I. ch. 1 [p. 23 f., 29].

105

Bailey, l.c. p. 3: »Geld ist die allgemeine Ware der Kontrakte, oder diejenige, in der die Mehrzahl der Eigentumsverträge, die in späterer Zeit erfüllt werden sollen, abgeschlossen werden.«

106

Senior, l.c. p. 221, sagt: »Da der Wert aller Dinge in einem bestimmten Zeitraum wechselt, so nimmt man als Zahlungsmittel die Sache, deren Wert am wenigsten wechselt, die am längsten eine gegebene Durchschnittsfähigkeit, Sachen zu kaufen, bewahrt. So wird das Geld Ausdruck oder Repräsentant der Werte.« Umgekehrt. Weil Gold, Silber etc. Geld, d.h. Dasein des verselbständigten Tauschwerts geworden sind, werden sie allgemeine Zahlungsmittel. Wo die von Herrn Senior erwähnte Rücksicht auf die Dauer der Wertgröße des Geldes eintritt, d.h. in Perioden, wo das Geld durch die Gewalt der Umstände sich als allgemeines Zahlungsmittel durchsetzt, wird grade auch das Schwanken in der Wertgröße des Geldes entdeckt. Eine solche Periode war in England die Zeit der Elisabeth, und es war zu ihrer Zeit, daß Lord Burleigh und Sir Thomas Smith, mit Rücksicht auf die sichtbar werdende Depreziation der edeln Metalle eine Parlamentsakte durchsetzten, die die Universitäten von Oxford und Cambridge verpflichtet, ein Drittel ihrer Grundrenten sich in Weizen und Malz zu reservieren.

107

Boisguillebert, der die bürgerlichen Produktionsverhältnisse verhindern möchte, sich gegen die Bürger selbst auf die Hinterfüße zu stellen, faßt mit Vorliebe die Formen des Geldes auf, worin es nur ideell oder nur verschwindend erscheint. So früher das Zirkulationsmittel. So das Zahlungsmittel. Was er wieder nicht sieht, ist der unvermittelte Umschlag aus der idealen Form des Geldes in seine äußerliche Wirklichkeit, daß das harte Geld schon im nur gedachten Maß der Werte latent enthalten ist. Daß, sagt er, das Geld bloße Form der Waren selbst ist, zeigt sich bei dem Großhandel, wo der Austausch vor sich geht ohne Intervention des Geldes, nachdem »les marchandises sont appréciées« »Le détail de la France«, l.c. p. 210.

108

Locke, l.c. p. 17, 18.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1961, Band 13, S. 115-125.
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