Vorwort.

Eine deutsche Uebersetzung der »Fragen des Menandros« (Milinda-Panha) bedarf so wenig der Rechtfertigung, dass man vielmehr fragen kann, wie es kommt, dass dieses berühmte Werk, das einzige der sehr umfangreichen ausserkanonischen Literatur des Buddhismus, das zugleich von der nord- und der südbuddhistischen Kirche anerkannt wird, bisher noch nicht ins Deutsche übertragen worden ist, auch nicht, nachdem vor nun schon mehr als zehn Jahren eine Autorität ersten Ranges es für das »Meisterstück der indischen Prosa« erklärt hat. Liegt darin der Grund, dass manche Indologen diesem begeisterten Urteil ihre Zustimmung versagen? Schwerlich! Denn die formelle Schönheit des Werkes ist unverkennbar, und unbestritten vor allem der innere Wert, den es als die wirksamste der älteren buddhistischen Apologien besitzt. Es kann also nur der Gedanke an den Umfang gewesen sein, der die deutsche Uebersetzung bisher nicht hat Zustandekommen lassen. Auch meiner Ansicht nach würde bei uns eine vollständige Uebersetzung des Werkes nicht auf ihre Kosten kommen. Ich halte eine solche aber überhaupt für wenig empfehlenswert, aus Gründen, die in der Einleitung zur Sprache kommen werden, und biete in dem vorliegenden Werke dem deutschen Publikum eine Uebersetzung, die durch historisch und sachlich begründete Kürzungen einerseits, durch zahl- wie inhaltreiche Anmerkungen andererseits den Wünschen der meisten Leser entsprechen dürfte.

Der historische, erste Teil meiner Einleitung ist ein erster Versuch, von dem Ursprung, Bestand und Verfall des indo-griechischen Reiches eine Skizze zu geben. Ausser den Schriften Droysens und den zitierten Werken, besonders dem von Gutschmid's, hat mir dabei noch gute Dienste geleistet A. von Sallet, »Die Nachfolger Alexanders des Grossen in Baktrien und Indien«, eine numismatische Arbeit.

Im literarischen, zweiten Teil der Einleitung wird von Wiederholungen aus früheren Arbeiten über den Milinda-Panha (von Rhys Davids und Garbe, s. Einleitung) in der Regel abgesehen, zumal wo es sich um gelehrte Einzelheiten handelt, an denen besonders die Einleitungen des englischen Uebersetzers reich sind.

Abweichungen von der englischen Uebersetzung sind, wo es nötig schien, besonders bemerkt. Im allgemeinen war Rhys Davids' Arbeit eine gute Hülfe für mich.

Den Anhang über die chinesischen Ausgaben der »Fragen des Menandros« verdanke ich zum grossen Teil meinem Freunde Kaikioku Watanabe, Lehrer an der buddhistischen Hochschule zu Tokio. Für das Interesse, das er an meiner Arbeit genommen hat, sei ihm hiermit mein herzlicher Dank ausgesprochen![4]

Von grossem Nutzen, so hoffe ich, werden dem Leser meine Anmerkungen sein. Durch sie dürfte auch derjenige unseren Text verstehen lernen, der vom Buddhismus noch wenig oder nichts weiss.

Das Register endlich ist u.a. besonders zur Orientierung über die Pāli- und die ihnen entsprechenden Sanskrit-Formen der indischen Kunstausdrücke bestimmt, die zumal in den Anmerkungen auf Schritt und Tritt gebraucht werden mussten.


Hamburg, Februar 1905.


Dr. phil. F. Otto Schrader.

Quelle:
Die Fragen des Königs Menandros. Berlin [1905], S. IV4-V5.
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