4. Verantwortlichkeit

[80] Mong Dsï kam nach Ping Lu4 und sagte zu dem Amtmann: »Wenn einer unter Euren Hellebardenträgern an einem Tage dreimal seinen Posten verließe, würdet Ihr ihn entlassen oder nicht?«

Der Amtmann sprach: »Ich würde nicht erst aufs dritte Mal warten.«

Mong Dsï sprach: »So? Aber es ist auch recht häufig vorgekommen, daß Ihr nicht auf dem Posten waret. In schlimmen Jahren der Teurung, da gab es unter Euren Leuten Greise und Schwache, die sich vor Hunger in den Gräben wälzten, und junge Leute, die in alle Winde zerstreut waren, zu Tausenden.«

Der Amtmann sprach: »Dafür zu sorgen steht nicht mir zu.«

Mong Dsï sprach: »Angenommen, es hat einer die Rinder und Schafe eines andern übernommen, um sie für ihn zu weiden, so sucht er gewiß grasreiche Weideplätze für sie. Wenn er aber grasreiche Weideplätze sucht und nicht findet, wird er dann die Herden ihrem Besitzer wieder zustellen, oder wird er einfach dabeistehen und zusehen, wie sie sterben?«

Der Amtmann sprach: »Wenn es also ist, so lag die Schuld an mir.«

Tags darauf trat Mong Dsï vor den König und sprach: »Von den Amtleuten Eurer Hoheit kenne ich fünf, aber nur Kung Gü Sin bringt es fertig, seine Fehler zu erkennen.« Darauf erzählte er den Vorfall dem König.

Der König sprach: »Wenn es also ist, so lag die Schuld an mir.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 80.
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