3. Der rechte Weg zum Fürstendienst

[102] Dschou Siau9 fragte den Mong Dsï und sprach: »Sind die Edlen der alten Zeiten in Fürstendienst getreten?«

Mong Dsï sprach: »Sie haben gedient. In der Überlieferung10 heißt es: ›Wenn Meister Kung drei Monate lang ohne Herren war, so war er beunruhigt. Und wenn er über die Grenze ging, nahm er immer Einführungsgaben mit.‹ Gung-Ming I11 sagte: ›Wenn die Edlen der alten Zeit drei Monate ohne Herren waren, so bezeugte man ihnen Beileid.‹«

Dschou Siau sprach: »Beileid zu bezeugen, wenn einer drei Monate ohne Herrn ist, ist das nicht allzu eilig?«

Mong Dsï sprach: »Wenn ein Ritter sein Amt verliert, ist es, wie wenn ein Fürst sein Reich verliert. Im Buch der Ordnungen12 heißt es: ›Der Fürst führt den Pflug unter Beihilfe der Diener, um die Opferhirse zu gewinnen. Seine Gemahlin zieht Seidenraupen und spinnt Seide, um Feierkleider zu bereiten. Sind die Opfertiere nicht vollkommen, ist die Hirse in den Opfergefäßen nicht rein, sind die Kleider nicht bereit, so wagt er nicht zu opfern. Hat ein Ritter kein Feld13, so opfert er auch nicht ... Wagt er nicht zu opfern, so wagt er auch kein frohes Mal zu halten.‹ Ist das nicht Grund genug zum Beileid?«

Dschou Siau fragte weiter: »Was bedeutet es, daß Meister Kung, wenn er über die Grenze ging, immer Einführungsgaben mit sich nahm?«[102]

Mong Dsï sprach: »Für den Ritter ist der Dienst wie für den Bauern das Pflügen. Läßt ein Bauer, der über die Grenze geht, etwa Pflug und Pflugschar dahinten?«

Dschou Siau sprach: »Unser Dsin-Reich ist auch ein Beamtenstaat, aber ich habe noch nie gehört, daß es mit der Anstellung eine solche Eile hätte. Wie kommt es dann übrigens, daß der Edle, wenn er es so eilig hat, dennoch so schwer ein Amt übernimmt?«

Mong Dsï sprach: »Wird ein Knabe geboren, so wünscht man ihm ein Weib, wird ein Mädchen geboren, so wünscht man ihr einen Mann: diese elterlichen Gefühle haben alle Menschen. Wenn nun aber die jungen Leute, ohne der Eltern Willen und der Vermittler Worte abzuwarten, Löcher in die Wände bohren, um einander zu erspähen oder über die Mauern klettern, um beieinander zu sein, so werden sie von den Eltern und Mitbürgern insgesamt verachtet. Nie war es der Fall, daß die Alten nicht wünschten, ein Amt zu haben, aber sie verschmähten es, auf krummen Wegen dazu zu kommen. Ohne daß sich ein geziemender Weg zeigt, hinzugehen, um ein Amt zu übernehmen, das ist gerade so, wie wenn jene jungen Leute Löcher durch die Wand bohren.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 102-103.
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