6. Macht des Beispiels

[105] Mong Dsï redete zu Dai Bu Schong19, dem Kanzler von Sung, und sprach: »Ihr wollt, daß Euer König gut sei? Ich will frei heraus Euch sagen, wie Ihr's machen müßt. Angenommen, ein Herr aus Tschu wünschte, daß sein Sohn die Sprache von Tsi lerne; wird er einen Mann aus Tsi als Lehrer für ihn nehmen oder einen Mann aus Tschu?«

Jener sprach: »Er wird einen Mann aus Tsi als Lehrer für ihn nehmen.«

Mong Dsï fuhr fort: »Wenn nun aber der eine Mann aus Tsi ihn lehrt und alle Tschuleute fortwährend dazwischenreden, so mag er ihn täglich schlagen, damit er die Sprache von Tsi lerne, und er wird's doch nicht fertig bringen. Wenn er ihn aber mit sich nimmt und bringt ihn in einem Quartier der Hauptstadt von Tsi unter, so wird er in ein paar Jahren so weit sein, daß er ihn täglich schlagen kann, damit er die Sprache von Tschu rede, und er es nicht fertig bringen wird.

Ihr seht in Süo Gü Dschou einen guten Menschen und habt ihn in die Umgebung des Königs gebracht. Wenn nun in der Umgebung des Königs alt und jung, hoch und niedrig lauter Süo Gü Dschous wären, wen hätte dann der König, in dessen Gesellschaft er schlecht sein könnte? Wenn aber in der Umgebung des Königs unter alt und jung, unter hoch und niedrig keiner ist wie Süo Gü Dschou, wen hat dann der König, in dessen Gesellschaft er gut sein könnte? Was soll ein einziger Süo Gü Dschou in Sung ausrichten können?«.

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 105-106.
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