2. Die menschliche Natur. II: Das Wasser

[160] Gau Dsï sprach: »Die Natur gleicht einem Wasserwirbel: läßt man im Osten einen Ausweg, so fließt das Wasser nach Osten; öffnet man nach Westen einen Ausweg, so fließt es nach Westen. Die Natur kennt keinen Unterschied zwischen Gut und Nichtgut, ebenso wie das Wasser keinen Unterschied zwischen Ost und West kennt.«

Mong Dsï sprach: »Sicherlich kennt das Wasser keinen Unterschied zwischen Ost und West; ist aber auch kein Unterschied zwischen oben und unten? Die menschliche Natur neigt zum Guten, wie das Wasser nach unten fließt. Unter den Menschen gibt es keinen, der nicht gut wäre, ebenso wie es kein Wasser gibt, das nicht abwärts fließt. Man kann das Wasser, wenn man hineinschlägt, aufspritzen machen, daß es einem über die Stirn geht; man kann es durch eine Wasserleitung treiben, daß es auf einen Berg hinaufsteigt; aber ist das etwa die Natur des Wassers? Es ist nur die Folge äußerer Bedingungen. Ebenso ist die menschliche Natur so beschaffen, daß man sie dazu bringen kann, nicht gut zu sein.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 160.
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