Drittes Kapitel.

Ueber den zweyten oder ehelichen Stand.

[69] 1. Um eine Erziehung nach den drey Vedas zu erhalten, ist es Schülern erlaubt in dem Hause ihrer Lehrer 36 Jahre, oder die Hälfte, oder ein Viertel dieser Zeit, oder überhaupt so lange zu bleiben, bis sie dieselben völlig inne haben.


2. Jedem Schüler der seine Vorschriften nicht übertreten hat, ist es vergönnt in den Ehestand zu treten, doch muß er zuvor in der Ordnung einen Sac'ha oder Zweig aus allen drey Vedas, aus zweyen, oder aus einem derselben, lesen.


3. Zuförderst ertheile man ihm das verdiente Lob über die genaue Erfüllung seiner Pflicht: dann beschenke ihn sein natürlicher oder geistlicher Vater mit der heiligen Gabe des Veda; hierauf setze er sich auf ein stattliches mit einer Blumenflechte geschmücktes Bett, und der Vater verehre ihm vor seiner Hochzeit eine Kuh.


4. Wenn ein Wiedergeborner die Einwilligung seines verehrungswürdigen Führers erlangt und, nach der Vorschrift des Gesetzes, das Reinigungsbad mit den verordneten Ceremonien bey seiner Rückkehr nach Hause verrichtet hat, heurathe er eine Frau aus der nehmlichen Classe, welche die Merkmale der Vortreflichkeit besitzt.


5. Ein wiedergeborner Mann hat Erlaubniß die jenige Frau zur Ehe und zur heiligen Vereinigung zu wählen,[70] welche nicht von seinen Vorfahren väterlicher oder mütterlicher Seite bis ins sechst Glied abstammt und aus deren Familien-Nahmen sich keine Verwandschaft mit seinem Familienstamme vom Vater oder von der Mutter her abnehmen läßt.


6. Wenn er sich mit einer Frau vermählen will, muß er sorgfältig folgende zehn Familien vermeiden, sie mögen auch noch so vornehm und reich an Kühen, Ziegen, Schaafen, Gold und Getreide seyn:


7. Die Familie welche die vorgeschriebenen religiösen Ceremonien verabsäumt hat; die, welche keine männliche Erben hat; die, in welcher der Veda nicht gelesen wird; die, welche dickes Haar auf dem Leibe hat; und diejenigen Familien, welche zu Hämorrhoiden, Schwindsucht, schlechter Verdauung, fallender Sucht, Aussatz und geschwollenen Beinen, geneigt sind.


8. Eine Jungfrau mit röthlichem Haare oder mit irgend einem umgestalten Gliede, eine von Natur kränkliche, eine die zu viele oder keine Haupthaare hat, eine die unerträglich geschwätzig ist, oder die entzündeten Augen hat, soll er nicht heurathen;


9. Noch eine, die den Nahmen eines Gestirns, eines Baumes, eines Flusses, einer barbarischen Nation, eines Bergs, eines geflügelten Thieres, einer Schlange oder eines Sclaven hat, oder deren Nahme etwas Entsetzen erregendes bezeichnet.


10. Er muß eine Jungfrau zur Frau wählen, deren Gestalt keinen Fehler und die einen angenehmen Nahmen hat, deren Gang voll Anstand so wie der Gang eines Flamingo oder eines jungen Elephanten ist; deren Haar und Zähne sowohl an Stärke als Größe das Mittel halten und deren Körper vorzüglich weich ist.
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11. Kein verständiger Mann heurathe eine Frau, die keinen Bruder hat, oder deren Vater nicht hinlänglich bekannt ist, weil er sonst, im ersten Falle, zu befürchten hat, daß der Vater ihren ersten Sohn, als seinen eigenen, zur Vollziehung seines Leichenbegängnisses nehmen werde, und im zweyten, daß die gestiftete Ehe unerlaubt sey.


12. Zur ersten Ehe der wiedergebohrnen Classen wird eine Frau aus der nehmlichen Classe empfohlen; aber diejenigen, welche Neigung haben, wieder zu heurathen, müssen Frauen, wie sie nach den Classen aufeinander folgen, den Vorzug geben.


13. Eine Sudra Frau allein darf blos einen Sudra heurathen; diese und eine Vaisya einen Vaisya; diese beyde und eine Cshatriya einen Cshatriya; diese beyden und eine Brahmani einen Brahminen.


14. In keiner alten Geschichtserzählung findet sich ein Beispiel, daß ein Brahmin oder Cshatriya zur ersten Ehe eine Frau aus der dienenden Classe genommen hätten, wenn es ihnen auch noch so schwer gefallen wäre eine Gattinn nach ihrem Wunsche zu finden.


15. Männer der wiedergebornen Classen, welche sich aus Verstandesschwäche in gesetzwidrige Ehen mit Frauen aus der niedrigsten Classe einlassen, bringen ihre Familien und Nachkommen sehr bald zum Stande der Sudras herab.


16. Nach dem Ausspruche des Atri und (Gotama) Sohns des Utat'hya, erniedrigt sich derjenige, welcher auf diese Art eine Frau aus der dienenden Classe heurathet, wenn er ein Priester ist, sogleich um einen Grad; und nach dem Ausspruche des Saunaca,[72] bey der Geburt eines Sohnes, wenn er ein Krieger ist, und wenn er ein Handelsmann ist, bey der Geburt eines Enkels, nach (meinem) Bhrigu's Urtheile.


17. Wenn ein Brahmin eine Sudra zur ersten Ehe in sein Bette nimmt, sinkt er in die Gegenden der Quaal, und wenn er ein Kind mit ihr zeugt, verliert er sogar seinen Rang als Priester.


18. Und da die Frau hauptsächlich das, was er den Göttern opfert, was er den abgeschiedenen Seelen darbringt, und womit er Fremde bewirthet, zu besorgen hat, so werden die Götter und abgeschiedenen Seelen nichts von dem Ueberreichten essen; noch kann der Himmel durch solche Gastfreyheit erworben werden.


19. Denn wer auf diese unrechtmäßige Weise das Naß der Lippen einer Sudra trinkt, wer durch ihren Athem befleckt wird, und wer sogar ein Kind mit ihr zeugt, dessen Verbrechen erklären die Gesetze für unversöhnbar.


20. Lerne nun kürzlich die acht Arten der Verheurathungsceremonie, die unter den vier Classen gewöhnlich sind und bald gute bald schlimme Folgen in dieser und in der zukünftigen Welt haben:


21. Die Zeremonie des Brahma, der Devas, der Rishis, der Prajapatis der Asuras, der Gandharvas und der Racshasas; die achte und böseste ist die der Pisachas1.


22. Welche von diesem Ceremonien jeder Classe durch das Gesetz erlaubt, und welches die guten und bösen Eigenschaften jeder Ceremonie sind, alles das will[73] ich Euch auch weitläufig bekannt machen, wie auch durch was für gutes und böses sich ihre Kinder auszeichnen.


23. Laßt die Menschen wissen, daß die sechs ersten in gerader Folge von einigen bey einem Priester für gültig gehalten werden; die vier letzten bey einem Krieger; und die nehmlichen vier, ausgenommen die Racshasa Heurath, bey einem Handelsmann und einem aus der dienenden Classe.


24. Einige sind der Meynung, daß Priestern nur die vier ersten Arten erlaubt find; daß eine Art, nehmlich die der Racshasas Soldaten eigenthümlich ist, und daß die Asuras-Verheurathung einem Handelsmanne und einem aus der dienenden Classe zukomme.


25. Aber nach diesem Gesetzbuche werden drey der fünf letzten für rechtmäßig, und zwey für gesetzwidrig angesehen: die Ceremonien der Pisachas und Asuras müssen nie vollzogen werden.


26. Einem Krieger erlaubt das Gesetz die vorerwähnten Heurathen der Gandharvas und Rac shasas sowohl einzeln als vermischt z.B. wenn eine Jungfrau von ihrem Liebhaber nach einem Siege über ihre Verwandten zur Gefangenen gemacht wird.


27. Wenn ein Vater seine Tochter blos in ein einziges Gewand kleidet, sie einem Veda-Gelehrten schenkt, den er aus freyen Stücken dazu einladet und achtungsvoll aufnimmt: diese Heurathsceremonie wird Brahma genannt.


28. Der Gebrauch, den die Weisen Daiva nennen, besteht darinn, wenn ein Vater seine Tochter mit stattlichen Kleidern ausschmückt und nach schon angefangenem[74] Opfer demjenigen Priester giebt, welcher diese religiöse Zeremonie aus Amtspflicht verrichtet.


29. Wenn der Bräutigam ein oder zwey Paar Kühe zu solchem Gebrauche als das Gesetz vorschreibt, dem Vater giebt, und von diesem seine Tochter erhält, so wird die Heurath Arsha genannt.


30. Der Hochzeitgebrauch, welcher Prajapatya heißt, besteht darinn, wenn ein Vater seine Tochter mit geziemender Ehrbarkeit übergiebt und dabey vernehmlich sagt: »Möget ihr beyde zusammen eure bürgerlichen und religiösen Pflichten erfüllen!«


31. Wenn der Bräutigam so viel Reichthum als seine Umstände erlauben, dem Vater, den Verwandten väterlicher Seite, und der Jungfrau selbst gegeben hat, und sie aus freyen Stücken zu seiner Braut wählt, so wird die Verheurathung Asura genannt.


32. Wenn sich Jüngling und Jungfrau aus gegenseitigem Verlangen verbinden, so heißt die Vermählung Gandharva; Umarmungen der Liebe und sinnlicher Genuß sind der Zweck derselben.


33. Wenn die Jungfrau nach einem Treffen, in welchem ihre Verwandten und Freunde erschlagen, oder verwundet, oder die Häuser derselben erbrochen worden sind, weinend und um Hülfe rufend, gewaltsam aus ihrem Hause geschleppt wird: Diese Verbindung heißt Racshasa.


34. Wenn Jemand seine Geliebte verstohlen umarmt, während daß sie schläft, durch berauschendes Getränke erhitzt oder überhaupt wahnsinnig ist: diese sündliche Heurath heißt Paisacha, und ist die achte und ruchloseste.
[75]

35. Die Verheiratung der Töchter in der Priesterclasse wird am meisten gebilligt, wenn sie zuvor Wasser in die Hände des Bräutigams gegossen haben; aber die Ceremonien der andern Classen mögen nach ihrem eigenen Gefallen eingerichtet werden.


36. Vernehmt nun von mir ihr Brahminen, was für eine Eigenschaft einer jeden dieser Hochzeitceremonien beygelegt wird, vernehmt es alle von mir, ich will es euch ausführlich bekannt machen.


37. Wenn der Sohn einer Brahmi, oder einer Frau nach der ersten Ceremonie, tugendhafte Handlungen ausübt, befreyt er zehn Vorfahren, zehn Nachkommen und sich selbst, als den ein und zwanzigsten, von Sünde.


38. Ein Sohn von einer Frau nach der Daiva-Heurath befreyt sieben und sieben in höhern und niedern Graden; von einer Frau nach der Arsha drey und drey; von einer Frau nach der Prajapatya sechs und sechs.


39. Aus vier Ehen, von der des Brahma an zu rechnen in gerader Folge, werden Söhne gebohren, die durch den Veda erleuchtet sind, gelehrte Leute, von den Gelehrten geliebt,


40. Mit Schönheit und mit Güte geschmückt, reich, berühmt, und hinlänglich zufrieden mit erlaubten Vergnügungen; sie erfüllen alle Pflichten und leben hundert Jahre.


41. Aber in den Andern vier bösen Ehen, welche übrig sind, werben Söhne gebohren die grausam handeln, falsch reden und den Veda und die darin vorgeschriebenen Pflichten verabscheuen.
[76]

42. Aus den untadelhaften Hochzeitgebräuchen der Menschen entspringt eine untadelhafte Nachkommenschaft; aus den tadelswürdigen eine verwerfliche: daher müssen die Sterblichen sorgfältig sträfliche Heurathsceremonien vermeiden.


43. Der Gebrauch die Hände zusammenzufügen, ist für diejenigen verordnet, welche Frauen aus ihrer eigenen Classe heurathen; aber bey Frauen von einer andern Classe müssen die folgenden Ceremonien beobachtet werden.


44. Wenn sich eine Cshatriya mit einem Brahminen vermählt, muß sie einen Bogen in ihrer Hand halten; eine Vaisya mit einem Bräutigam aus der Classe der Priester oder der Krieger, muß eine Peitsche halten; und eine Sudra Braut, wenn sie einen Priester, Soldaten, oder Handelsmann heurathet, muß den Saum eines Mantels in ihrer Hand halten.


45. Der Mann nähere sich seiner Frau zu gehöriger Zeit, das ist zu der Zeit, welche für die Schwangerschaft am bequemsten ist, und er sey beständig mit ihr allein zufrieden; übrigens kann er sich ihr mit einem Verlangen ehelicher Umarmung nahen, wenn es auch ausser der gehörigen Zeit seyn sollte, ausgenommen an den verbotenen2 Tagen des Mondes.


46. Sechzehn Tage und Nächte in jedem Monate mit vier besondern Tagen, die von den Tugendhaften übersehen werden, heißen die natürlich Zeit der Weiber.


47. Unter diesen sechzehn werden die vier ersten Nächte, die elfte und die dreizehnte gemißbilligt, die übrigen zehn Nächte sind erlaubt.
[77]

48. Einige sagen, daß in den gleichen Nächten Söhne, und in den ungleichen Töchter gezeugt werden: daher muß der Mann welcher einen Sohn zu haben wünscht, sich seiner Frau zu gehöriger Zeit in den gleichen Nächten nahen.


49. Aber eigentlich wird ein Knabe durch die größere Stärke männlicher Kraft, und ein Mädchen durch die größere Wirksamkeit der weiblichen, erzeugt; durch Gleichheit ein Zwitter oder ein Knabe und Mädchen; bey Schwäche oder Mangelhaftigkeit hat gar kein Empfängniß statt.


50. Wer sich der ehelichen Umarmungen in den sechs gemißbillgten Nächten und in acht andern enthält, gleicht an Keuschheit einem Brahmachari, in welcher der zwey nächsten Stände er sich auch befinden mag.


51. Kein der Gesetze kundiger Vater muß irgend ein auch noch so kleines Geschenk für die Verheurathung seiner Tochter nehmen, denn der, welcher aus Geitz ein Geschenk deswegen nimmt, ist ein Verkäufer seines Kindes.


52. Wenn sich einer Frauen Anverwandter, aus Verblendung des Verstandes, ihr Eigenthum zueignet, wäre es auch nichts weiter als ihre Wagen und Kleider, so sinkt er in die Gegend der Qual wegen dieses Verbrechens.


53. Einige sagen, daß der Stier und die Kuh, welche bey der Hochzeitceremonie der Rishis zum Geschenke gegeben werden, eine Bestechung des Vaters wären; aber dieß ist falsch: wahrlich eine große oder kleine Bestechung ist wirklicher Verkauf der Tochter.


54. Wenn eine Jungfrau Geld oder Güter zum Geschenke erhält, wovon sich ihre Anverwandten nichts zu[78] eigenem Gebrauche anmaßen, so kann man das keinen Verkauf nennen, sondern blos einen Beweis der Höflichkeit und Zuneigung gegen die Bräute.


55. Ehefrauen müssen von ihren Vätern und Brüdern, von ihren Männern und von den Brüdern ihrer Männer geehrt und geschmückt werden, wenn diesen anders die Vermehrung ihres Wohlstandes am Herzen liegt.


56. Wo die Frauen in Ehren gehalten werden, da ist Wohlgefallen der Götter; aber wo sie verachtet werden, da sind alle religiöse Handlungen vergebens.


57. Die Familie desjenigen, welcher seine Verwandten bedrückt und betrügt, geht bald gänzlich zu Grunde; aber die Familie, wo man sie nicht bekümmert, wächst beständig.


58. Wenn die Frauen einer Familie, denen man nicht die gehörige Achtung erwiesen hat, über ein Haus ihren Fluch aussprechen, so geht es mit allem, was dazu gehört, gänzlich zu Grunde, eben so als ob es durch das Opfer für den Tod eines Feindes vernichtet worden wäre.


59. Daher müssen Männer, welche reich werden wollen, die Frauen beständig mit Schmuck, Kleidern und Nahrung an Festen und Freudentagen versorgen3.


60. Diejenige Familie, in welcher der Mann mit seiner Frau, und die Frau mit ihrem Manne zufrieden ist, wird gewiß in ununterbrochenem Wohlstande bleiben.
[79]

61. Gewiß, wenn eine Frau nicht mit Sorgfalt gekleidet ist, kann sie ihren Mann nicht aufheitern; und wenn es ihrem Herrn an Heiterkeit fehlt, so werden sie keine Kinder bekommen.


62. Wenn eine Frau schön geputzet ist, so ist ihr ganzes Haus geziert; aber wenn sie nicht geschmückt ist, so wird es allen andern an Ansehn mangeln.


63. Durch sträfliche Heurathen, durch Vernachlässigung vorgeschriebener Ceremonien, durch verabsäumtes Lesen des Veda, und durch Unachtsamkeit gegen Brahminen sind große Familien heruntergekommen.


64. Deßgleichen wenn sie Handwerke trieben, Geld auf Zinsen liehen, oder sich in andre Geldgeschäfte einließen, wenn sie blos mit Sudra-Frauen Kinder zeugten, wenn sie mit Kühen, Pferden und Wagen handelten, und wenn sie Ackerbau trieben, oder einem Könige aufwarteten.


65. Große Familien welche, aus Mangel an heiliger Kenntniß, denen opfern, die nicht dazu berechtigt sind, und auch läugnen, daß gute Handlungen künftig gelohnt werden, richten sich in kurzer Zeit zu Grunde.


66. Aber Familien, welche durch die Kenntniß des Veda bereichert find, ob sie gleich wenig zeitliche Güter besitzen, werden unter die Großen gerechnet und erwerben ausgebreiteten Ruhm.


67. Ein Hausvater muß die häuslichen Ceremonien mit dem Hochzeit-Feuer verrichten, wie es die Gesetze vorschreiben, ferner die Ceremonien der fünf großen Sacramente und die verschiedenen auf alle Tage festgesetzten Gebräuche beobachten.


68. Ein Hausvater hat fünf Mordplätze, oder wo kleine lebendige Geschöpfe umkommen können,[80] seinen Küchenherd, seinen Schleifstein, seinen Besen, seinen Stößel und seinen Mörser, und sein Wassergefäß, durch deren Gebrauch er ein Sklave der Sünde wird.


69. Um die Vergehungen, deren er sich wider sein Wissen in diesen nach der Reihe angeführten Orten schuldig gemacht hat, auszusöhnen, haben vortrefliche Weisen verordnet, daß ein Hausvater alle Tage die fünf großen Sacramente feyern soll.


70. Die Schrift lehren und studiren ist das Sacrament des Veda; Kuchen und Wasser darbringen das Sacrament der abgeschiedenen Seelen, eine Spende ins Feuer das Sacrament der Gottheiten; Reiß oder andre Lebensmittel lebendigen Geschöpfen geben das Sacrament der Geister; Gäste mit Ehrerbietung aufnehmen das Sacrament der Menschen4.


71. Wer diese fünf großen Ceremonien nicht unter läßt, wenn er sie ausüben kann, den beflecken die Sünden der fünf Mordplätze nicht, ob er gleich beständig zu Hause bleibt.


72. Aber wer nicht fünf Classen von Wesen Ehren hält, nehmlich die Gottheiten; die, welche um Bewirthung bitten; die, welche er nach den Gesetzen erhalten muß; seine verstorbenen Vor-Aeltern und sich selbst: ein solcher lebt nicht, ob er gleich athmet.
[81]

73. Einige nennen die fünf Sakramente ahuta und huta, prahuta, brahmya huta und prasita.


74. Ahuta, oder nicht dargebracht, ist göttliches Studium; Huta, oder dargebracht ist die Spende ins Feuer; Prahuta, oder wohl dargebracht ist die Nahrung, welche Geistern gegeben wird; Brahmya huta ist die Hochachtung die man wiedergebohrnen Gästen erzeigt; und Prasita, oder wohlgegessen ist Reiß oder Wasser, welches den abgeschiedenen Seelen der Vorfahren dargebracht wird.


75. Jedermann beschäftige sich in diesem zweyten Stande mit täglichem Lesen der Schrift und mit Feyerung des Sacraments der Götter; denn er unterhält diese ganze Thier- und Pflanzenwelt während daß er sich mit dem Sacramente der Gottheiten beschäftiget;


76. Weil seine gehörig in die Flammen gegossene Spende gesäuberter5 Butter im Rauche zur Rauche Sonne aufsteigt, und aus der Sonne wieder im Regen herabfällt; aber vermittelst des Regens sprießen die eßbaren Pflanzen empor, und von diesen nähren sich die Thiere.


77. Die Hausväter sind eben so nothwendig zur Erhaltung der verschiedenen Stände unter den Menschen, als die Lust allen Geschöpfen zum Leben ist.


78. Und weil Männer aus den drey andern Ständen täglich von ihnen mit göttlicher Gelehrsamkeit und mit Lebensmitteln versorgt werden, deßwegen gehören Hausväter zum vorzüglichsten Stande.


79. Wer nun nach unvergänglicher Glückseligkeit im Himmel, und nach frohen Gefühlen in dieser Welt strebt,[82] muß das Ansehn dieses Standes auf das sorgfältigste behaupten, welches Niemand zu thun im Stande ist, der nicht seinen Körper beherrscht.


80. Die göttlichen Weisen, die abgeschiedenen Seelen, die Götter, die Geister und die Gäste flehen Segen und Wohlstand auf die Hausväter herab; daher muß sie ein Hausvater, welcher seine Pflicht kennen will, auf folgende Art ehren:


81. Er ehre die Weisen durch das Studium des Veda, die Götter durch gesetzmäßige Spenden ins Feuer; die abgeschiedenen Seelen durch fromme Todtenfeyern; Menschen durch Unterstützung mit Lebensmitteln; und Geister durch Geschenke an alle belebte Geschöpfe.


82. Er opfre alle Tage eine Sraddha mit gekochtem Reiß und dergleichen mit Wasser oder mit Milch, mit Wurzeln und Früchten, denn so erlangt er die Gunst der Vorfahren.


83. Zu demjenigen der fünf Sacramente, welche für die Pitris gefeyert wird, kann er einen Brahminen einladen; aber wenn er allen Göttern opfert, darf er keinen einzigen Priester einladen.


84. Ein Brahmin muß auf dem Feuer in seinem Hause, welches er nach der Vorschrift des Gesetzes zur Zubereitung der Speise für alle Götter unterhält, den folgenden Gottheiten täglich ein Opfer bringen6:
[83]

85. Erst dem Agni, dem Gott des Feuers und dem Mond Gott, jedem besonders; dann beyden zugleich; nachher den versammleten Göttern und dem Dhanwantari, dem Gott der Heilkunde;


86. Der Cuhu, Göttinn des Tages, an welchem man den Neumond sehen kann; der Anumati, Göttinn des Tages nach der Opposition; dem Prajapati oder dem Herrn der Geschöpfe; der Dyava und Prithivi, Göttinnen der Lust und Erde, und zuletzt dem Feuer des guten Opfers.


87. Wenn er auf diese Art mit unverrückter Aufmerksamkeit gesäuberte Butter nach allen Weltgegenden von Morgen an nach Mittag zu, dem Indra, Yama und Varuna und dem Gott Soma dargebracht hat, denn muß er seine Gabe den belebten Geschöpfen mit folgenden Worten überreichen:


88. »Ich grüße die Maruts oder Winde« und Reiß an ihre Thüre schütten. Unter Hersagung der Worte: »ich grüße die Wassergötter« schütte er Reiß ins Wasser, und dann auf seinen Mörser und seinen Stößel mit den Worten: »ich grüße die Götter der großen Bäume.«


89. Das Nehmliche soll er nach Nordosten zu thun, oder bey seinem Hauptkissen zu Ehren der Sri, Göttinn des Ueberflusses: nach Südosten zu oder am Fuße seines Betts, zu Ehren der gnädigen Göttinn Bhadracali; in der Mitte seiner Wohnung zu Ehren Brahma's und seines Familien-Gottes.


90. Das Opfer für die sämtlichen Götter werfe er in die freye Luft; bey Tag für die Geister die im Lichte wandeln, und bey Nacht für die welche in der Finsterniß wandeln.
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91. Er werfe auf den obersten Theil seines Hauses, oder hinter seinen Rücken das Opfer für die Wohlfahrt aller Geschöpfe; und was übrig ist, gebe er, mit seinem Gesichte nach Mittag zu gekehrt, den Pitris.


92. Was bestimmt ist für Hunde7, für Ausgestoßene, für Hundeführer, für Sünder mit dicken Füssen oder Auszehrung bestraft, für Krähen und Ungeziefer, das soll er allmählig auf die Erde fallen lassen.


93. Ein Brahmin, welcher auf diese Art täglich alle Wesen ehrt, wird gerades Weges in die höchste Sphäre mit verklärter Gestalt empor steigen.


94. Wenn er diese Pflicht der Opfer erfüllt hat, dann nöthige er seinen Gast zu dem was aufgetragen ist, ehe er selbst etwas davon genießt und gebe etwas Reiß dem Bettler, welcher den Veda studiert, wie es verordnet ist.


95. Die Tugend des wiedergeboren Hausvaters, welcher einem religiösen Bettler einen Mund voll Reiß gegeben hat, soll eben so reichlich belohnt werden als die Freygebigkeit eines Schülers, der, um der Vorschrift des Gesetzes nachzukommen, seinem Lehrer eine Kuh dargereicht hat.
[85]

96. Einen Brahminen, welcher das wahre Prinzip des Veda kennt, gebe er nach Verrichtung gehöriger Ceremonien etwas Reiß, oder einen Topf voll Wasser, mit Früchten und Blumen bekränzt.


97. Ueberreste der Opfer, die den Göttern, oder den abgeschiedenen Seelen dargebracht worden sind, verderben gänzlich, wenn Leute, welche ihre Pflicht nicht achten, sie, aus Verblendung, unwissenden Brahminen geben, die bloße Asche sind.


98. Aber ein Opfer in das Feuer eines Priester-Mundes, welcher in hellen Flammen wahrer Kenntniß und Frömmigkeit lodert, wird den Geber aus Noth und selbst von Todsünde erlösen.


99. Einen Gast, welcher von selbst kommt, lasse er, nach geziemenden Höflichkeitsceremonien, sich setzen, und gebe ihm Wasser und ein Mahl, so gut er es zubereiten kann8.


100. Ist der angekommene Gast ein Brahmin, und nicht mit gebührender Achtung aufgenommen worden, so eignet er sich selbst alle die Belohnung der vorigen Tugend des Hausvaters zu, hätte dieser auch so mäßig gelebt, daß er sich von aufgelesenen Aehren nährte, wäre er auch so fromm gewesen, daß er in fünf besondre Feuer Spenden dargebracht hätte.


101. Gras und Erde, sich darauf zu setzen, Wasser zum Füße-Waschen, und viertens freundliche Worte fehlen in den Wohnungen der Guten nie, ob sie gleich noch so arm seyn mögen.
[86]

102. Ein Brahmin, welcher nur eine Nacht über als Gast verweilt, heißt ein Atit'hi, weil er seinen kurzen Aufenthalt nicht einmal auf einen ganzen tit'hi oder einen Mondtag ausdehnt.


103. Ein Hausvater darf den, welcher in der nehmlichen Stadt wohnt und ihn blos besucht, oder einen Brahminen, der Geschäfte halber zu ihm kömmt, als keinen Atithi betrachten, wenn er auch in das Haus kommt, wo seine Frau wohnt und wo seine Feuer brennen.


104. Wenn sich Hausväter als vorgebliche Gäste bey Andern unverständiger weise zu Mahlzeiten eindrängen, so werden sie, wegen dieser Niederträchtigkeit, nach ihrem Tode in den Zustand des Viehes herabsinken, welches dem Geber der Nahrungsmittel zugehört.


105. Des Abends schicke ein Hausvater keinen Gast fort, denn die untergehende Sonne sendet ihn, und er darf nicht ohne Erfrischung im Hause gelassen werden, sein Besuch mag nun zu gelegener oder ungelegener Zeit treffen.


106. Auch esse er keine leckern Speisen, ohne dem Gaste davon angeboten zu haben; die Zufriedenheit des Gastes wird dem Hausvater gewiß Reichthum, Ehre, langes Leben und einen Platz im Himmel verschaffen.


107. Vornehme Gäste behandle er mit der größten, niedrige mit der wenigsten und seines Gleichen mit gebührender Aufmerksamkeit, er biete ihnen Sitze und Ruheplätze an, begleite sie beym Abschiede ihrem Stande gemäß und betrage sich, während des Besuchs, ehrerbietig gegen sie.


108. Wenn ein Gast, nach schon vollendetem Opfer für alle Götter, kommt, so muß ihm der Hausherr[87] zwar ein Mahl zubereiten, aber er braucht das Opfer für beseelte Wesen nicht zu wiederhohlen.


109. Kein Brahmin-Gast muß, bloß um eine Mahlzeit zu erhalten, seine Familie und Ahnen herpreisen; wer dies thut, wird von den Weisen ein Vantasi, oder ein sich schändlich nährender Dämon genannt.


110. In dem Hause eines Brahminen wird ein Soldat nicht Gast genannt, eben so wenig als Jemand aus der Handels-Caste oder dienenden Classe, ein vertrauter Freund, ein Verwandter von väterlicher Seite oder sein Lehrer.


111. Aber wenn ein Krieger in sein Haus kommt; so muß etwas zu essen für ihn zubereitet werden, so wie ers verlangt, wenn zuvor die oben erwähnten Brahminen gegessen haben.


112. Selbst einem Handelsmanne, oder einem Arbeiter, welche als Gäste in sein Haus kommen, muß er zu essen geben, und sich nebst seinen Bedienten gegen sie freundlich betragen.


113. Andern, zum Beyspiel vertrauten Freunden, und den übrigen oben erwähnten, wenn sie aus Freundschaft in seine Wohnung kommen, bereite er ein gemeinschaftliches Mahl zu, an welchem er und seine Frau Theil nehmen können, und schaffe alles, nach seinem Vermögen, reichlich herbey.


114. Einer Braut und einer Jungfrau, Kranken, und schwangern Weibern muß er ohne Anstand und noch ehe er seine Gäste bedient, zu essen darreichen.


115. Wer so thöricht ist, sein Mahl zu sich zu nehmen, ohne den eben genannten Personen etwas davon anzubieten, weiß, indem er sich vollstopft, nicht, daß er nach[88] dem Tode eine Speise für Kettenhunde und Geyer seyn wird.


116. Nach der Mahlzeit des Brahminen-Gasts, seiner Verwandten und seiner Bedienten, kann das Ehepaar des Hauses essen, was unberührt übrig geblieben ist.


117. Wenn der Hausvater den Geistern, den heiligen Weisen, Männern, Vorfahren und Haus-Göttern seine Hochachtung bezeigt hat, kann er die Ueberbleibsel dieser Opfer selbst genießen.


118. Wer blos das genießt, was für ihn selbst zubereitet ist, ißt nichts als Sünde, aber ein Mahl oder Ueberreste nach den Sacramenten heißt der Schmauß der Guten9.


119. Wenn ein Hausvater einen König, einen Opferer, einen Schüler, der von seinem Lehrer zurückgekehrt ist, einen Schwiegersohn, einen Schwiegervater oder einen Oheim mütterlicher Seite bewirthet hat, so lege er ihnen wiederum ein Jahr darauf mit einem Madhuperca, oder Geschenke von Honig Matten und Früchten seine Achtung an den Tag.


120. Wenn ein König oder ein Brahmin unter der Feyer eines Sacraments kommt, so verehre man ihnen ein Madhuperca, aber nicht wenn es schon vorüber ist: diese Regel ist unveränderlich.


121. Abends opfre die Frau die zugerichteten Speisen, aber ohne sich einiger Vedasprüche dabey zu bedienen; des Abends und de Morgens ist ein Opfer für die versammelten Götter verordnet, welches deßwegen Vaiswadeva heißt.
[89]

122. Die Wiedergeboren müssen alle Monate am finstern Tage des Mondes, nach dem täglichen Sacramente der Pitris, und wenn ihr Feuer noch flammt, die feyerliche Sraddha, Pindanwaharya genannt, verrichten.


123. Weise haben die monatliche Sraddha durch den Nahmen Anwaharya, oder nachgegessen, das heißt nach der Pinda oder Reißkugel gegessen, ausgezeichnet; und sie muß mit äußerster Sorgfalt und mit sehr guter Fleischspeise10 verrichtet werden.


124. Ich will nun ausführlich und vollständig darthun, welche Brahminen bey dieser Ceremonie bewirthet und welche ausgeschlossen werden müssen, und wie viele, und was für Speisen man zu essen geben muß.


125. Bey der Sraddha der Götter kann er zwey Brahminen bewirthen; bey der seines Vaters, seines väterlichen Großvaters und seines väterlichen Aeltervaters drey; oder nur einen bey der Sraddha der Götter und einen bey der seiner drey Vorfahren von väterlicher Seite: ob er gleich sehr reich seyn mag, so muß er doch nicht wünschen eine große Gesellschaft zu bewirthen.


126. Eine große Gesellschaft raubt folgende fünf Vortheile: Hochachtung für die Priester, gehörige Rücksicht auf Zeit und Ort, Reinigkeit und die Erwerbung tugendhafter Brahminen; daher muß es ihm nie darum zu thun seyn, daß er sehr viele bewirthe.


127. Die geziemende Ehre, welche den abgeschiedenen Seelen an dem finstern Tage des Monds erzeigt wird,[90] ist unter dem Nahmen Pitrya oder vorälterlich berühmt; die gesetzmäßige Ceremonie, zur Ehre der abgeschiedenen Geister, belohnt den, welcher solche Todtenfeyern unternimmt, mit immerwährender Frucht.


128. Spenden für die Götter und Ahnen sollten einem höchst verehrungswürdigen Brahminen gegeben werden, welcher völlig im Veda bewandert ist, da das, was ihm gegeben wird, die größte Belohnung nach sich zieht.


129. Dafür, daß er einen gelehrten Mann bey dem Opfer der Götter und bey dem der Vorfahren bewirthet, wird er reichlicher belohnt, als wenn er dem gemeinen Volke zu essen giebt, welches die heiligen Schriftlehren nicht versteht.


130. Er muß sich nach den Vorfahren, selbst nach den entferntesten, eines Brahminen, welcher bis ans Ende des Veda gekommen ist, erkundigen: ein solcher Mann, wenn er von guten Männern herstammt, kann füglich zu den Opfern, die man Göttern und Ahnen darbringt, gelassen werden; so ein Mann heißt mit Recht ein Atithi, oder Gast.


131. Wahrlich wenn man auch eine Million von Leuten, die nicht in heiligen Grundsätzen unterrichtet sind, speisen wollte, so wurde doch ein einziger Mann, der in der Schrift gelehrt und völlig mit seiner Bewirthung zufrieden ist, mehr werth seyn, als die übrigen alle zusammen.


132. Speisen, welche den Göttern und den abgeschiedenen Seelen geheiligt sind, müssen einem Gottesgelehrten von vorzüglicher Gelehrsamkeit dargereicht werden; denn gewiß, wenn Hände mit Blut befleckt sind, so können sie nicht mit Blut allein gereinigt werden, [91] und Sünde kann nicht von einer Menge Sündern getilgt werden.


133. Der Geber der Sraddha muß in der künftigen Welt eben so viele glühende eiserne Kugeln verschlingen, als ein Ungelehrter bey einem Opfer der Götter und Vorfahren Bissen verschluckt hat.


134. Einige Brahminen streben nach Kenntniß der Schrift; andre nach strenger Kasteyung, manche nach beyden, und andre bemühen sich um die Ausübung heiliger Gebräuche.


135. Opfer für die abgeschiedenen Seelen der Vorfahren sollte man sorgfältig denen vorsetzen, welche sich um heilige Gelehrsamkeit bemühen; aber Opfer für die Götter kann man mit den gehörigen Ceremonien den Brahminen aller vier Gattungen darreichen.


136. Es ist möglich, daß man einen Brahmin findet, dessen Vater nicht die Schrift studirt hatte, ob der Sohn gleich bis aus Ende derselben gekommen ist; oder es ist möglich, daß man einen findet, dessen Sohn den Veda nicht gelesen hat, ob der Vater gleich bis ans Ende desselben gereist war11.


137. Unter diesen beyden sollen die Menschen den für vorzüglicher halten, dessen Vater die Schrift studirt hatte; aber wegen der Verrichtung der Ceremonien mit heiligen Schriftstellen verdient auch der Andre Ehrerbietung.


138. Bey verordneten Todtenfeyern soll niemand seinem vertrauten Freunde Speise darreichen, weil man einem Freunde durch Geschenke andrer Art zu nützen suchen[92] muß. Aber wer eine Sraddha verrichtet, soll dem Brahminen den er weder für seinen Freund noch Feind hält, Nahrungsmittel geben.


139. Derjenige dessen Leichenbegängniß und Opfer von gesäuberter Butter, vornehmlich aus Freundschaft besorgt werden, hat im künftigen Leben, wegen seines Leichenbegängnisses und seines Opfers, keinen Vortheil zu erwarten.


140. Derjenige welcher aus Selbstbetrug zeitliche Verbindungen durch Leichenfeyerlichkeiten knüpft, ist von den himmlischen Wohnungen als ein Geber der Sraddha, der Freundschaft wegen, ausgeschlossen, und ist der Niedrigste der Wiedergeboren12.


141. Das Geschenk eines solchen Schmauses unter Männern aus den drey höchsten Classen heißt die Gabe der Pisachas, und wird hienieden zurückgehalten, wie eine blinde Kuh in einem Stalle.


142. Gleich wie ein Landmann welcher auf einen unfruchtbaren Boden gesäet hat, kein Getreyde ärndtet, so erhält der, welcher die heiligen Ceremonien verrichtet, wenn er einem ungelehrten13 Brahminen gesäuberte Butter gegeben hat, keine Belohnung im Himmel.


143. Aber wenn man, nach der Verordnung des Gesetzes, einen gelehrten Theologen ein Geschenk macht, so[93] genießen sowohl der Geber als der Empfänger, in dieser und in der künftigen Welt, die Vortheile davon.


144. Wenn kein gelehrter Brahmin in der Nähe ist, so kann er einen Freund nach seinem Gefallen zur Sraddha einladen; aber keinen Feind, wenn er auch noch so gelehrt ist: denn wenn ein Feind vom Opfer ißt, so verliert es allen guten Erfolg im künftigen Leben.


145. Er muß es sich sehr angelegen seyn lassen bey der Sraddha einen Priester zu speisen, welcher die ganze Schrift gelesen, und vornehmlich den Rigveda studiret hat; ferner einen, der alle Abtheilungen, aber besonders die Yajush inne hat, und einen welcher sich das Ganze zu eigen gemacht und dem Saman besondre Aufmerksamkeit gewidmet hat.


146. Wenn einer dieser drey Brahminen, nach gehörigen Ehrenbezeugungen von einem Opfer gegessen hat, so werden die Vorfahren dessen, welcher es darbrachte, beständig bis zur siebente Person, oder bis in den sechsten Grad befriedigt seyn.


147. Dieß ist die Hauptvorschrift, wenn man Göttern und Vorfahren eine Sraddha darbringen will; folgendes aber kann man als eine Vorschrift zur Aushülfe betrachten, wo keine solche gelehrte Priester zu finden sind, und wird beständig von guten Leuten beobachtet:


148. Er bewirthe seinen Großvater und Oheim mütterliche Seite, den Sohn seiner Schwester, seinen Schwiegervater, seinen geistlichen Führer, den Sohn seiner Tochter, oder ihren Gatten, seinen Vater mütterlicher Seite, seinen Haus-Priester, oder den, der sein Opfer verrichtet.
[94]

149. Niemand welcher Kenntniß von den Gesetzen hat, soll, wenn er den Göttern opfern will, sehr genau nach den Verwandten eines Brahminen fragen: wenn er aber den Vorfahren eine Spende zubereitet hat, so soll er mit großer Sorgfalt sich darnach erkundigen.


150. Diejenigen Brahminen welche einen kleinen Diebstahl, oder ein größeres Verbrechen begangen haben sie der Mannheit beraubt sind, oder die offenbar kein künftiges Leben glauben14, sind von Menu für unwürdig erklärt worden, an der Ehre einer Sraddha für die Götter oder Vorfahren Theil zu nehmen.


151. Einen Beflissenen der Gottesgelahrheit, welcher den Veda nicht gelesen hat, einen Mann, welcher für vorige Verbrechen dadurch bestraft ist, daß er ohne Vorhaut geboren wurde, einen Spieler, und die, welche viele Opfer für andre Leute verrichten, muß er nie bey heiligen Leichenbegängnissen speisen.


152. Aerzte, gewinnsüchtige Bilder-Verehrer, Eßwaarenhändler, und die welche von Krämerey leben, dürfen bey Opfern für die Götter und Vor-Aeltern nie zugegen seyn.


153. Ein öffentlicher Diener der ganzen Stadt oder des Fürsten, ein Mann mit weißen Geschwüren an seinen Nägeln, oder mit schwarzgelben Zähnen, ein Gegner seines Lehrers, einer der das heilige Feuer verläßt und ein Wucherer,


154. Ein Schwindsüchtiger, ein Vieh-Fütterer, einer der die fünf großen Sacramente verabsäumt, ein Verächter der Brahminen, ein jüngerer Bruder, welcher eher als sein älterer verheurathet ist, ein älterer Bruder,[95] welcher nicht vor seinen jüngern verheurathet ist, und ein Mann, welcher von dem Reichthume vieler Verwandten lebt;


155. Ein Tänzer, einer der die Vorschrift der Keuschheit im ersten oder vierten Stande15 übertreten hat, der Ehemann einer Sudra, der Sohn einer zweymal verheuratheten Frau, ein Einäugiger und ein Ehemann, in dessen Hause ein Ehebrecher wohnt;


156. Einer der sich für seinen Unterricht im Veda bezahlen läßt, und einer der einem solchen Lehrer Lohn giebt, der Schüler eines Sudra und der Sudra-Lehrer, einer der unhöflich spricht, und der Sohn einer Ehebrecherinn, welcher vor oder nach dem Todte des Mannes gebohren ist;


157. Der, wer ohne gerechte Ursache seine Mutter, seinen Vater, oder Lehrer verläßt, und ein Mann, welcher sich entweder durch Schrift-, oder Heuraths-Verwandtschaft, mit großen Sündern in Verbindung einläßt;


158. Ein Mordbrenner, ein Giftmischer, wer Speisen ißt, die ihm der Sohn einer Ehebrecherinn darreicht, wer die Mondpflanze16, eine Art von Bergraute, verkauft, ein Schiffer auf dem Meere, ein[96] dichterischer Lobredner, ein Oelverkäufer, und einer der zum Meineyd anreizt;


159. Einer der mit seinem Vater zankt, einer der Spieler zu seinem Vortheile braucht, einer der starke Getränke trinkt, ein Mann der wegen seiner Sünde mit dem Aussatze gestraft ist, einer der im üblen Rufe ist, ein Betrüger, und einer der mit Getränken handelt;


160. Einer der Bogen und Pfeile macht, der Mann einer jüngern Schwester, welche sich eher als die ältere, die ihre rechte Schwester war, verheurathet hat, einer der seinem Freunde schadet, einer der ein Spielhaus hält, und ein Vater, der von seinem eigenen Sohne im Veda unterrichtet worden ist;


161. Einer der die fallende Sucht hat, ein öffentlicher Angeber, ein Mondsüchtiger, ein blinder Mann und ein Verächter der Schrift, müssen alle vermieden werden.


162. Ein Bezähmer von Elephanten, Stieren, Pferden, oder Kamelen, ein Sterndeuter, eine der Vögel hält, und einer der den Gebrauch der Waffen lehrt;


163. Einer der das Wasser ableitet, und der welcher sich ein Vergnügen daraus macht, den Lauf desselben zu hemmen, der welcher Häuser für Gewinn baut, ein Bote, und einer der Bäume für Geld pflanzt17;


164. Einer der Jagdhunde zieht, ein Falkonier18, ein Verführer der Jungfrauen, ein Schadenfroh ein Brahmin[97] der wie ein Sudra lebt, einer der bloß den Untergöttern opfert;


165. Einer, der die gebilligten Gebräuche nicht beobachtet, und einer, welcher auf vorgeschriebene Pflichten nicht achtet, einer der immer ungestümm um Gefälligkeiten bittet, einer der sich durch Ackerbau unterhält, ein keulfüßiger Mann, und einer den die Tugendhaften verachten;


166. Ein Schäfer, einer der Büffel hält, der Ehemann einer zweymal19 verheuratheten Frau, und der welcher todte Körper für Geld fortschaft, müssen sehr sorgfältig vermieden werden.


167. Die niedrigsten unter den Brahminen, deren Sitten verächtlich sind, und die nicht in die Gesellschaft bey einem Mahle können zugelassen werden, muß ein vornehmer und gelehrter Priester bey beyden Sraddha vermeiden.


168. Ein Brahmin welcher nicht in der heiligen Schrift unterrichtet ist, verlöscht in einem Augenblicke wie ein Feuer aus trocknem Grase: ihm muß kein Opfer gegeben werden; denn man soll die gesäuberte Butter nicht auf Asche gießen.


169. Nun will ich umständlich melden was für eine Belohnung derjenige im folgenden Leben zu erwarten hat, welcher bey der Sraddha der Götter und der Vorfahren[98] Männer gespeist hat, die man nicht in Gesellschaften aufnehmen sollte.


170. Die Racshases verzehren begierig die Speisen, welche man Brahminen giebt, die die Vorschriften ihres Standes überschritten haben, oder einem jüngern Bruder, welcher eher als der ältere heurathet, und den übrigen, welche nicht in Gesellschaften aufgenommen werden dürfen.


171. Wer sich in einen Heurath-Vertrag mit dem ehelichen Feuer einläßt, während daß sein älterer Bruder noch unverheurathet bleibt, heißt Perivettri; und der ältere Bruder ein Perivitti.


172. Der Perivettri, der Perivitti, die Jungfrau also verehlicht, der welcher sie verheurathet, und fünftens der Vollzieher des Hochzeitopfers, alle sinken in ein Gegend von Qual.


173. Der, welcher mit der Witwe seines verstorbenen Bruders unzüchtigt scherzt, ob sie gleich nach dem Gesetze an ihn verheurathet ist, heißt der Mann einer Didhishu.


174. Zwey Söhne, genannt ein Cunda und ein Golaca werden im Ehebruche geboren; der Cunda während daß der Ehemann noch bey Leben ist, und der Golaca wenn der Ehemann todt ist.


175. Diese von Ehebrechern gebornen Thiere, vernichten in dieser und in der künftigen Welt die Speisen, die ihnen von denen dargereicht werden, welche den Göttern oder den abgeschiedenen Seelen Opfer bringen.


176. Wer törichterweise ein Sraddha giebt, verliert im künftigen Leben den Vortheil so vieler annehmlicher Gäste, als ein Dieb oder eine dergleichen Person, welche nicht in Gesellschaften[99] aufgenommen werden muß, zu sehen im Stande ist.


177. Wenn man einen Blinden dahin stellt, wo ein Sehender seine Augen nutzen könnte, so verscherzt man die Vergeltung von neunzigen; wenn man einen Einäugigen dahin stellt, so verscherzt man die Belohnung von sechzigen; durch einen Aussätzigen von hundert; und durch einen, der mit geschwollenen Beinen gestraft ist, von tausend.


178. Wenn nun jemand für einen Sudra opfert und einen der hier genannten Verworfenen einladet, so bringen ihm die Geschenke, welche er bey der Sraddha den Brahminen giebt, nicht den geringsten Vortheil, wenn er auch so viele beschenkt hätte, als er berühren kann.


179. Und wenn ein Brahmin, welcher den Veda versteht, von dem, welcher ein solches Opfer darbringt, aus Geitz Geschenke annimmt, so wird er in kurzer Zeit, wie eine Figur von ungebranntem Thone im Wasser zu Grunde gehen.


180. Nahrungsmittel, die man einem Verkäufer der Mondpflanzen20 giebt, werden in einer andern Welt zu Unrath; die welche man einem Arzte giebt, werden zu eyterndem Blute; und der Geber wird zu einem Ungeziefer, welches sich darin erzeugt; bietet man sie einem Bilderverehrer an, so sind sie weggeworfen und bey einem Wucherer infam.


181. Speise die man einem Kaufmanne giebt, dauert weder in diesen noch in dem künftigen Leben, und die[100] welche, man einem Brahminen schenkt, welcher eine Witwe geheurathet hat, gleicht gereinigter Butter die auf Asche als eine Spende ins Feuer geworfen wird.


182. Die Speise welche den andern vorerwähnten bösen, unzuläßlichen Leuten gegeben wird, ist nach dem Ausspruche der Weisen weiter nichts als thierisches Oehl, Blut, Fleisch, Haut und Knochen.


183. Vernimm nun kürzlich durch welche Brahminen eine Gesellschaft kann gereiniget werden wenn sie durch unzuläßliche Personen ist verunreiniget worden: Brahminen, die die vorzüglichsten ihrer Classe, und Reiniger jeder Gesellschaft sind.


184. Man muß diejenigen Priester als die Reiniger einer Gesellschaft betrachten, die am gelehrtesten in allen Vedas und in allen Angas derselben sind, so wie ihre Nachkommen, welche die ganze Schrift gelesen haben.


185. Ein Priester welcher einen Haupttheil des Yajurveda versteht; einer der die fünf Feuer21 nie ausgehen läßt, einer der in einem Haupttheile des Rigveda erfahren ist, einer der die sechs Vedangas auslegt; der Sohn einer Brahmi oder einer Frau, welche mit der Brahma-Ceremonie ist verheurathet worden; und einer welcher den vorzüglichsten Saman singt;


186. Einer der den Sinn der Vedas, den er von seinem Lehrer lehnte, auslegen kann, ein Schüler welcher[101] tausend Kühe zu frommen Absichten gegeben hat, und ein hundertjähriger Brahmin, müssen alle als Reiniger einer Gesellschaft bey einer Sraddha angesehen werden.


187. Entweder an dem Tage vor einem heiligen Leichenbegängnisse, oder am Tage selbst, wenn es gehalten wird, sollte der welcher es feyert, mit gehöriger Ehrerbietung dergleichen Brahminen einladen, als hier erwähnt worden sind; gewöhnlich einen vom höhern Range welcher drey unter sich hat.


188. Der Brahmin welcher zu einer Sradha für Vorfahren ist eingeladen worden, muß immer enthaltsam seyn und nicht einmal die Vedas lesen; und der welcher die Ceremonien errichtet, muß sich eben so verhalten.


189. Die verblichenen Ahnen besinnen sich ohne Zweifel bey solchen eingeladenen Brahminen; sie schweben um sie wie reine Geister, und sitzen bey ihnen, wenn diese sich gesetzt haben.


190. Wenn ein Priester gehörig zu einer Sraddha eingeladen worden ist und seine Zusage nicht hält, so macht er sich ein schweren Vergehens schuldig, und wird bey seiner künftigen Geburt ein Eber.


191. Wer nach erhaltener Einladung zu einem eiligen Leichenbegängnisse eine Sudra-Frau liebkoset, nimmt alle die Sünde auf sich, welche der Wirth des Gastmahls begangen hat.


192. Die Pitris oder großen Erzeuger, sind frey vom Zorne, nie sinnlichen Lüsten ergeben und mit großen Vorzügen begabt; sie sind Gottheiten der Vorzeit, welche die Waffen bey Seite gelegt haben.
[102]

193. Höre nun vollständig woher sie stammten, und von wem und durch welche Ceremonien sie geehrt werden müssen.


194. Die Söhne des Marichi und aller andern Rishis, welche die Nachkommen Menu's, Sohns des Brahma waren, werden die Gesellschaften der Pitris oder Vorväter genannt.


195. Die Somasads, welche von Viraj herstammen, werden als die Vorfahren der Sadhyas beschrieben, und die Agnishwattas welche unter den erschaffenen Wesen als Kinder des Marichi berühmt sind, werden für die Vorväter der Devas gehalten.


196. Die Daityas, Danavas, Yacshas, Gandharvas, Uragas, oder Schlangen die Racshases, Garudas und Cinnaras sind Nachkommen der Barhishads, welche vom Atri stammen.


197. Die Vorältern der Brahminen sind die sogenannten Somapas, die Cshatriyas stammen von den Havishmats; die Vaisyas von den Ajyapas; die Sudras von den Sucalins.


198. Die Somapas stammen von mir Bhrigu; die Havishmats von Angiras; die Ajyapas von Pulastya die Sucalins von Vasisht'ha22.


199. Diejenigen, welche vom Feuer verzehrt und nicht verzehrt werden können, heißen Agnidagdhas und [103] Anagnidagdhas, die Cavyas, Barhishads, Agnishwattas, und Saumyas, und müssen von den Menschen als die Hauptahnen der Brahminen betrachtet werden.


200. Von diesen, welche gemeiniglich für die Hauptstämme der Pitris gehalten werden, stammen Söhne und Enkel, die ohne Unterschied für erhabne Vorfahren in dieser Welt gelten.


201. Von den Rishis kommen die Pitris, oder Patriarchen her; von diesen die Devas und Danavas; von den Devas diese ganze Welt von Thieren und Pflanzen in gehöriger Ordnung.


202. Wenn man bloßes Wasser in Gefäßen, die entweder ganz aus Silber verfertiget, oder damit verziert sind, den Vorältern der Menschen aus redlichen Absichten darbringt, so wird es eine Quelle der Unvergänglichkeit.


203. Wenn Brahminen ihren Vorältern opfern, so ist es von größerer Wichtigkeit, als wenn sie Gottheiten opfern, weil dieses Opfer nur eine bloße Einleitung und Vollendung des ersteren ist.


204. Als ein Verwahrungsmittel des Opfers für die Vorältern muß jeder Hausvater damit anfangen, daß er den Göttern opfert; denn wenn ein Opfer kein solches Verwahrungsmittel hat, so zerreissen es die Racshases in Stücken.


205. Man opfere den Göttern vor und nach einer Sraddha, fange aber nie mit einem Opfere für die Vorfahren an, und ende auch nicht damit, denn wer mit einem Opfer für die Pitris anfängt und endet, geht samt seinen Nachkommen bald zu Grunde.
[104]

206. Der Brahmin beschmiere ein gereinigtes und abgelegenes Stück Land mit Kuhmist23, trage aber dabey Sorge einen solchen Platz auszuwählen, welcher einen Abhang nach Mittag zu hat.


207. In leeren Wald-Oeffnungen die an sich sauber sind, an Ufern von Flüssen und an einsame Oertern ist den göttlichen Manen eine Spende jederzeit angenehm.


208. Erst gehe er, wie sichs gehört, eben so wie die eingeladenen Brahminen in das Reinigungsbad und dann führe er einen nach den andern von ihnen auf die bestimmten zuvor mit Cusa-Gras geweyheten Plätze.


209. Hat er sie nun achtungsvoll auf ihre Sitze geführt, so muß er erst den Göttern und dann ihnen mit duftenden Blumenkränzen und Wohlgerüchen seine Ehrerbietung bezeugen.


210. Wenn ihnen nun der Brahmin Wasser, Cusa-Gras und Tila gebracht hat, so soll er mit den andern Brahminen die Spende nach der Vorschrift des Gesetzes in das heilige Feuer gießen.


211. Hat er vorgeschriebener maßen erst den Agni, Soma und Yama mit gesäuberter Butter befriediget, so muß er zunächst die abgeschiedenen Seelen seiner Vorfahren befriedigen.


212. Falls er kein geheiligtes Feuer hat, z.B. wenn er noch unverheurathet, oder wenn seine Frau so eben gestorben ist, so muß er das Opfer in die Hand eines Brahminen tröpfeln: denn ein Brahmin besitzt, wie Veda-gelehrte Priester sagen, die nehmliche Kraft, welche Feuer hat.
[105]

213. Bey heiligen Weisen heißen die Hauptwiedergebornen die Götter der Todtenfeyern, und werden beschrieben als Zornfrey, von wohlwollender Miene, und aus einem uralten Geschlechte entsprossen, die sich mit dem Nutzen des Menschengeschlechts beschäftigen.


214. Wenn er gehöriger maßen von Morgen nach Mittag fortgeschritten ist, und alle Bestandteile seiner Spende ins Feuer geworfen hat, sprütze er mit seiner rechten Hand Wasser aufs die Erde.


215. Ferner mache er mit dem Ueberreste der gesäuberten Butter drey Reißkugeln, und opfere sie mit unverwandter Aufmerksamkeit und mit seinem Gesichte nach Mittag gewendet eben so wie das Wasser.


216. Wenn er diese Kugeln unter gehörigen Ceremonien und mit Aufmerksamkeit den abgeschiedenen Seelen seines Vaters, seines väterlichen Großvaters und Aeltervaters dargebracht hat, soll er die nehmliche Hand mit Cusa-Wurzeln, die er zuvor schon gebraucht hatte, abwischen, zum besten seiner väterlichen Vorfahren im vierten, fünften und sechsten Grade, welche den Reiß und die gesäuberte Butter, die man auf jene Art daran abwischt, genießen.


217. Dann wasche er sich, wende sich wieder nach Mitternacht zu; halte dreymal den Athem24 langsam an sich, und begrüße die Götter der sechs Jahrszeiten, und auch die Pitris, da ihm schickliche Stellen aus den Veda hinlänglich bekannt sind.


218. Alles übrige Wasser in seinem Kruge muß er bedächtig zu den Reißkuchen zurücktragen, und dann mit[106] steter Aufmerksamkeit an die Kuchen in der nehmlichen Ordnung riechen, in welcher sie geopfert wurden.


219. Darauf nehme er etwas weniges von den Kuchen nach der Reihe und lasse, wie das Gesetz verordnet, die sitzenden Brahminen davon essen.


220. Wenn sein Vater noch lebt, so muß er die Sraddha seinen Vorältern in den drey höhern Graden darbringen; oder er muß seinen Vater eben so wie einen Brahminen bey dem Leichenbegängnisse essen lassen.


221. Ist aber sein Vater todt und sein Großvater lebt noch, so muß er, wenn er den Nahmen seines Vaters feyert, das ist, wenn er ihm ein Leichenbegängniß veranstaltet, auch seinem väterlichen Aeltervater ein feyerliches Andenken widmen.


222. Ein Großvater väterlicher Seite kann entweder (so spricht Menu) an der Sraddha Theil nehmen, oder wenn sein Enkel von ihm bevollmächtigt ist, so kann er die Ceremonie nach seinem Gutdünken verrichten.


223. Nachdem er nun Cusa-Gras und Tila in die Hände der Brahminen gelegt und Wasser darauf gegossen hat, gebe er ihnen den obern Theil der Kuchen und sage: »Swadha den abgeschiedenen Seelen!«


224. Darauf muß er selbst in beyden Händen ein Gefäß mit Reiß gefüllt, herbeybringen, es bedächtig den Brahminen vorsetzen und dabey immer an die Pitris denken.


225. Den Reiß welchen man fortträgt und nicht in beyden Händen hält, zerstreuen die mißgünstigen Asuras in viele Theile.
[107]

226. Er muß sich erst waschen und dann die Brühen, Gemüse und andere Speisen, welche auf den Reiß gelegt sind, so wie die frische und geronnene Milch, die gesäuberte Butter und den Honig, zuförderst auf die Erde setzen und dabey an nichts anders denken.


227. Dann muß er gewürzte Puddings und verschiedne Milchgerichte, Kräuter, Wurzeln und reise Früchte, schmackhafte Speisen und wohlriechende Getränke dazu setzen.


228. Endlich sich gehörig reinigen, mit vollkommner Geistesgegenwart alle Gerichte einzeln aufheben, sie nach der Ordnung den Brahminen darreichen und ihre Eigenschaften hernennen.


229. Er muß dabey nie eine Thräne fallen und sich durch nichts zum Zorne reizen lassen, er muß die Gerichte nicht mit seinem Fuße berühren, noch die Speisen rütteln.


230. Eine Thräne sendet die Speisen zu unruhigen Geistern; Zorn zu Feinden; Falschheit zu Hunden; Berührung mit dem Fuße zu Dämonen; Erschütterung zu Sündern.


231. Alles was den Brahminen angenehm ist, muß er ohne Neid hergeben, und dann über die Eigenschaften Gottes sprechen: die abgeschiedenen Seelen erwarten eine Rede darüber.


232. Bey den Todtenfeyern der Vorfahren muß er den Brahminen Stellen aus dem Veda, aus den Gesetzbüchern, aus moralischen Erzählungen, aus Heldengedichten, aus den Puranas und aus theologischen Aussprüchen hören lassen.


233. Wenn er nun selbst vergnügt ist, dann bemühe er sich auch die Brahminen aufzuheitern, und nöthige[108] sie allmählig von den Gerichten zu essen; er suche sie zu wiederhohlten malen mit gekochtem Reiße und andern Speisen dazu einzuladen und erwähne die Güte derselben.


234. Den Sohn seiner Tochter, ob er gleich nur ein Schüler der Gottesgelahrtheit ist, muß er bey einer Sraddha, mit Vorsicht bewirthen; er muß ihm zu seinem Sitze eine weiße Decke aus Nepal geben, und die Erde mit Tila bespritzen.


235. Bey solchen Todtenfeyern werden drey Sachen für rein gehalten, der Tochter Sohn, die Nepal-Decke und der Tila; und drey Dinge werden von den Weisen dabey gelobt, Reinigkeit, Verhütung des Zorns, und Behutsamkeit daß man sich nicht übereile.


236. Man muß darauf sehen, daß alle gekochte Speisen sehr heiß sind; die Brahminen müssen sie ganz stillschweigend essen und nicht über die Beschaffenheit derselben ihre Meynung sagen, ob sie der Wirth gleich fragt.


237. So lange als die Speisen warm bleiben, so lange die Brahminen stillschweigend davon essen, so lange sie nichts über die Beschaffenheit derselben sagen, so lange schmausen auch die abgeschiedenen Seelen davon.


238. Was ein Brahmin mit bedecktem Haupte ißt, was er ißt mit seinem Gesichte nach Mittag zu gekehrt, und was er ißt während daß er Pantoffeln an seinen Füßen25 hat, das fressen die Dämonen sicherlich auf.
[109]

239. Kein Chandala, kein Stadtschwein, Hahn, kein Hund26, kein Frauenzimmer in ihrer Monatszeit und kein Verschnittener muß die Brahminen essen sehen.


240. Sieht eines von diesen bey einer Spende ins Feuer zu, oder bey einem feyerlichen Geschenke von Kühen und Gold, bey einem Gastmahle, welches man den Brahminen giebt, bey heiligen Ceremonien zu Ehren der Götter, oder bey Todtenfeyern zum Andenken der Vorfahren, so hat das was jene ansichtig geworden sind, nicht den beabsichtigten Nutzen.


241. Das Schwein vernichtet es durch seinen Geruch; der Hahn durch den Wind seiner Flügel; der Hund durch die Art seines Anblicks und ein Mann aus der niedrigsten Classe durch sein Antasten.


242. Wenn ein Lahmer, ein Einäugiger, oder Jemand der an irgend einem Theile seines Körpers mißgestaltet ist, auch sogar im Dienste des Wirths wäre, so muß ihn sein Herr doch von dem Orte entfernen.


243. Wenn ein andrer Brahmin, oder ein Bettler in sein Haus kommt, um bey ihm zu essen, so ersuche er die eingeladenen Brahminen um Erlaubniß den Fremden bewirthen zu dürfen, und thue es nach seinen besten Kräften.


244. Er trage so fort allerley Speisen, zum Beyspiel gekochten Reiß und dergleichen auf, sprütze Wasser darüber,[110] reiche sie erst den Brahminen welche bereits gegessen haben, und lasse dann etwa davon auf die Blätter des Cusa-Grases fallen, welches vorher auf den Boden ausgebreitet worden war.


245. Was in den Schüsseln zurückbleibt, und was auf das Cusa-Gras gefallen ist, muß als die Zubehörde der verstorbenen Brahminen betrachtet werden, welche nicht mit dem Opferbande umgürtet sind, und derer die unbilligerweise die Frauen ihrer Classe verlassen haben.


246. Was bey einer Sraddha der Vorfahren auf den Boden gefallen ist, haben die Weisen den Dienern zugesprochen, welche in ihren Handlungen gerade und nicht träge oder heimtückisch sind.


247. Ehe die Todtenfeyern der Vorfahren bis ins sechste Glied vollzogen werden, muß man eine solche Ceremonie zu Ehren eines unlängst verstorbenen Brahminen veranstalten; in diesem Falle aber muß der, welcher sie veranstaltet, die Sraddha ohne die Ceremonie für die Götter verrichten, und bloß einen runden Kuchen opfern; und diese Todtenfeyer für einen einzigen Vorfahren sollte jährlich an seinem Todtestage gehalten werden.


248. Wenn nun nachgehends die Todtenfeyern der Vorfahren bis ins sechste Glied, ihn mit eingerechnet, dem Gesetze nach gehalten worden sind, dann müssen die Nachkommen Kuchen opfern, so wie es vorher für die monatlichen Ceremonien ist verordnet worden.


249. Derjenige Thor welcher, nach dem Genusse der Sraddha, die Ueberreste einem Manne aus der Dienstclasse giebt, stürzt gerade herab in die Hölle, Calasutra genannt.
[111]

250. Wenn Jemand an dem nehmlichen Tage, wo er die Sraddha gegessen hat, in das Bette einer Verführerinn steigt, so müssen seine Vorfahren einen Monat lang auf ihren Exkrementen schlafen.


251. Zunächst muß er mit dem Worte Swaditam die Brahminen fragen: ob sie wohl gespeist haben und wenn sie satt sind, muß er ihnen Wasser zur Reinigung geben und höflich zu ihnen sprechen: »Ruhet entweder zu Hause oder hier.«


252. Dann sollen die Brahminen ihn mit dem Worte Swadha anreden: denn bey allen Ceremonien die sich auf die Vorfahren beziehen, ist das Wort Swadha der höchste Seegen.


253. Drauf sage er den Gästen was noch für Speisen übrig geblieben sind, höre wie sie die Brahminen wollen angewendet wissen, und vertheile sie nach ihren Befehlen.


254. Nach einer Sraddha für seine Vorfahren frage er die Brahminen mit dem Worte Swadita, ob sie satt sind; nach einer Familien Sraddha mit dem Worte Susruta; nach einer Sraddha zu seinem Vortheile, mit dem Worte Sampanna; nach einer Sraddha zu Ehren der Götter mit dem Worte Ruchita.


255. Der Nachmittag, das Cusa-Gras, die Reinigung des Fußbodens, die Tilas, die großmüthigen Geschenke von Speisen, die gehörige Zubereitung zum Mahle, und die Gesellschaft sehr erhabner Brahminen sind wahre Reichthümer bey den Todtenfeyern der Vorfahren.


256. Das Cusa-Gras, die heiligen Sprüche, der Vormittag, alle die Opfer welche sogleich sollen[112] genannt werden, und die vorerwähnte Reinigung müssen als Reichthum bey einer Götter-Sraddha betrachtet werden.


257. Wildwachsende Getreyde Arten, dergleichen Einsiedler essen, Milch, der Saft der Mondpflanze27, frische Nahrungsmittel und nicht durch die Kunst zubereitetes Salz sind ihrer Eigenschaften wegen am schicklichsten für das eben erwähnte Opfer.


258. Wenn er die eingeladenen Brahminen entlassen hat, muß er sich mit Aufmerksamkeit und Stillschweigen waschen, nach Mittag zu sehen und folgende Segen von den Pitris erbitten:


259. »O daß doch unser Haus immer viele großmüthige Geber haben möge! daß doch in denselben die Schrift immer fleißig gelesen und die Nachkommenschaft vermehrt werden möge! daß Redlichkeit nimmer von uns weiche und daß wir doch immer viel haben möchten den Armen zu geben!«


260. Wenn er nun die Sraddha geendig hat, so lasse er die Ueberreste der Kuchen entweder von einer Kuh, von einem Priester, von einer Geis oder vom Feuer verzehren, wenn er sie nicht ins Wasser werfen will.


261. Einige opfern runde Kuchen nach dem Mahle der Brahminen, andre lassen Vögel den Rest essen, oder werfen ihn ins Feuer oder ins Wasser.


262. Eine rechtmäßige Frau die ihrem Herrn immer getreu ist, und beständig seine Vorfahren verehrt, muß[113] den mittelsten der drey Kuchen, oder den essen, welcher seinem Großvater von väterlicher Seite dargebracht worden ist, und unter gehörigen Ceremonien um Kinder bitten.


263. Dergestalt kann sie einen Sohn gebähren, welcher lange leben, berühmt, entschlossen, reich, Vater vieler Nachkommen, mit den besten Eigenschaften begabt seyn und alle religiöse und bürgerliche Pflichten erfüllen wird.


264. Hierauf wasche er sich beyde Hände, schlürfe Wasser und bereite etwas Reiß für seine Anverwandten von väterlicher Seite zu, den gebe er ihnen mit gehöriger Hochachtung, und bereite dann auch ein Mahl für seine Verwandten von mütterlicher Seite zu.


265. Die Ueberbleibsel lasse er an ihrer Stelle, bis die Brahminen entlassen sind; dann kann er die übrigen häuslichen Sacramente feyern.


266. Nun will ich euch vollständig aus einander setzen, was für Opfer den abgeschiedenen Seelen auf lange Zeit oder auf ewig gefallen, wenn sie ihnen gehörig dargebracht werden.


267. Die Vorfahren der Menschen sind einen ganzen Monat mit Tila Reiß, Gerste, schwarzen Linsen oder Wicken, Wasser, Wurzeln und Früchten zufrieden, wenn sie ihnen mit den vorgeschriebenen Ceremonien gegeben werden.


268. Zwey Monate mit Fischen, drey Monate mit Wildpret, vier Monate mit Schöpfenfleisch; fünfe mit dem Fleische solcher Geflügel als die Wiedergebornen essen können28.
[114]

269. Sechs Monate mit Ziegenfleisch, sieben mit dem Fleische gefleckter Tannhirsche, achte mit dem Fleische des Tannhirsches oder Antelopen, genannt Ena; neun mit dem Fleische des Ruru;


270. Zehn Monate sind sie zufrieden mit dem Fleische wilder Eber und wilder Büffelochsen; elf Monate mit dem Fleisch der Kaninchen oder Hasen, und der Schildkröten.


271. Ein ganzes Jahr mit Kuhmilch und Speisen aus solcher Milch zubereitet; mit dem Fleische der weißen Ziegen mit langen Ohren sind sie ganzer zwölf Jahre zufrieden.


272. Das Küchenkraut Calasaca, der Fisch Mahasalca, oder der Diodon, das Fleisch eines Rhinoceros, oder einer eisenfarbigen Ziege, Honig und alle dergleichen Waldkräuter als Einsiedler essen, sind von der Art, daß sie ohne Aufhören ihren Wohlgefallen daran haben.


273. Alle reine Lebensmittel mit Honig vermischt, die man am dreizehnten Tage des Mondes in der Regenzeit und unter dem Mondgestirne Magha opfert, dauern gleichfalls beständig.


274. »O, sagen die abgeschiedenen Seelen, möge doch der Mann in unserer Geschlechtsreihe geboren werden, der uns Milchspeisen mit Honig und reiner Butter am dreyzehnten Tage des Mondes und auch dann giebt, wenn der Schatten eines Elephanten nach Morgen zu fällt29
[115]

275. Dasjenige was ein Mann von starkem Glauben aus Frömmigkeit und nach der Vorschrift des Gesetzes opfert, gewährt seinen Vorfahren in der künftigen Welt beständiges und unvergängliches Vergnügen.


276. In der finstern Monatshälfte sind der zehnte und die folgenden (ausgenommen der vierzehnte) die Tage des Monds, welche man am meisten für heilige Todtenfeyern schicklich hält: die andern sind nicht so wie diese sind.


277. Wer die abgeschiedenen Seelen an gleichen Mondtagen und unter Conjunctionen ehrt, erreicht alle seine Wünsche; wer ihnen an ungleichen Mondtagen und unter Oppositionen opfert, wird eine berühmte Nachkommenschaft zeugen.


278. Wie zur Vollziehung einer Todtenfeyer die letzte oder finstere Hälfte des Monats weit besser ist, als die erste oder lichte Hälfte, so ist zu eben dieser Absicht die letztere Hälfte des Tages weit vorzüglicher als die erstere.


279. Das Opfer für die Vorfahren, sammt der Austheilung an das Gesinde muß bis ans Ende (ja sogar bis ans Ende des Lebens) auf die vorgeschriebene Art von einem Brahminen gehörig verrichtet werden, welcher sein Band auf der rechten Schulter trägt: er muß dann ohne Saumseligkeit von der Rechten30 zur Linken gehen und Cusa-Gras in seine Hand nehmen.


280. Todtenfeyern müssen nicht bey Nacht begangen werden, denn die Nacht wird Racshasi, oder von Dämonen beunruhiget, genannt; noch während[116] Auf- oder Untergang der Sonne, noch gleich nach Aufgang derselben31.


281. Ein Hausvater, welcher nicht alle Monate ein Gastmahl zu geben im Stande ist, kann die Todtenfeyern hienieden nach der heiligen Verordnung, nur dreymal des Jahres in den Jahrszeiten Hemanta, Grishma und Versha begehen; aber die fünf Sacramente muß er täglich beobachten.


282. Die Gesetze befehlen, daß das Opfer bey den Todtenfeyern der Vorältern nicht mit gemeinem Feuer verrichtet werde und die monatliche Sraddha eines Brahminen, der ein beständiges Feuer unterhält, sollte an keinem andern Tage als an dem der Conjunction gehalten werden.


283. Wenn ein Wiedergeborner nach seinem Reinigungsbade den abgeschiedenen Seelen ein Opfer zu ihrer Zufriedenheit, bloß mit Wasser darbringt, weil er kein Gastmahl geben kann, so gewinnt er durch dieses Opfer alle Vortheile einer Sraddha.


284. Unsere Väter werden von den Weisen Vasus genannt, unsere väterlichen Großväter Rudras; unsere väterlichen Aelterväter Adityas (das ist alle müssen wie Gottheiten verehrt werden), und hierüber befindet sich eine sehr alte Stelle im Veda.


285. Derjenige, dessen Umstände es erlauben, muß sich beständig mit Vighasa und Amrita nähren: Vighasa heißt der Ueberrest des Mahls bey einer Todtenfeyer, und Amrita das was von einem Opfer für die Götter übrig bleibt.


286. Dieser vollständige Inbegriff von Vorschriften zur Feyer der fünf Sacramente und dergleichen, ist euch[117] nun hier verkündiget worden: vernehmt jetzt die Gesetze über diejenigen Mittel sich Lebensunterhalt zu verschaffen, welche den vorzüglichsten der Wiedergebornen erlaubt sind.


Fußnoten

1 Vergleiche die Hindoogesetze p. 182.


2 Verbotenen Tagen vergleiche die Anmerk. zu II. 19.


3 »Der Schmuck der Weiber (es versteht sich der reichern) ist ausnehmend kostbar; sie tragen Juwelen an den Fingern, und um den Hals, in den Ohren und an der Nase; sie haben nicht allein Armbänder am Gelenke der Hand, sondern auch über den Ellbogen und ähnliche Zierrathen an den Beinen um die Knöchel«. Travels C. 4. A.I. 331.


4 Durch die Verletzung des letzten Sacramentes der Gastfreundschaft wird der Hauptknoten in der Sacontala p. 40. geknüpft, und die Beobachtung derselben wird an mehrern Stellen Menu's und in den Fabeln des Wischnu Sarma S. 34. 35. angelegentlich empfohlen, und in einer derselben heißt es: »Feuer beherrscht die Brahminen, der Brahmin beherrscht die Casten, der Mann beherrscht die Frau, aber der fremde Gast beherrscht sie Alle.« Wie sehr sie noch auch unter den ärmsten Hindus zu Hause ist, rühmt einer der neuesten Reisenden, der Mahler Hodges in seinen Nachrichten S. 34.


5 Vom Ghi siehe M. die Anmerk. zu I. 94


6 Unter den hier befohlenen Opfern ist das erste zu Ehren des Agni, welchem das Feuer heilig ist. Anstatt den gelehrten Leser mit ihm längst bekannten Stellen der Schriftsteller, wovon der Verehrung des Feuers bey allen alten Völkern die Rede ist, heimzusuchen, ist es genug zu sagen, daß der Hindu es auch für heilig hält. Siehe den Anfang der angeführten Stelle in der vorhergehenden Anmerkung. Vergleiche Sketches I. 232.


7 Für Hunde (vergl. § 239) welche bey den Hindus für unrein gehalten werden, so wie alle gefräßige Thiere z.B. die Schweine, weil man die Geister (Daityas, Dewtahs) welche sie beseelen unter die verruchtesten zählt. Dies ist der Grund, sagt Holweli II. 77. warum sie sich durch die Berührung eines Hundes für verunreinigt halten. Hunde, Schweine und Christen werden in dieser Rücksicht auf gleiche Weise vermieden. Wenn sich zwey Hindus gezankt und gebalgt haben, so scheiden sie oft mit folgender Versicherung von einander: »ich würde dich noch schärfer bestraft haben, wenn ich dich nicht eben so sehr verabscheuete als die Berührung einer Sau oder eines Christen.« S. Travels in C.A.A. II. 66.


8 Ausser diesem Höflichkeiten erwähnen auch Reisende noch den Khellaut d.i. einen Anzug, oder Zeug dazu, welches vornehme Hindus Leuten vom Stande geben, die zu ihnen kommen. s. Sketches II. 174.


9 »Die, welche bloß das essen, was von Opfern übrig bleibt, sollen von allen ihren Vergehungen gereinigt werden; wer aber sein Mahl bloß für sich zubereitet, ist nichts als Sünde.« Gita p. 46.


10 Eine Stelle aus Narada, welche in der allgemeinen Anmerkung IV. angeführt ist, zeigt, daß in unserm oder Cali-Zeitalter bey der Sraddha keine Fleischspeise mehr üblich ist.


11 In der Englischen Uebersetzung: had travelled to the end of it.


12 Verblendung oder Moha. Einige Hindu-Philosophen sagen, daß sich alle Formen äußerer Gegenstände unserer Seele vermöge der Moha darstellen; schlagt diesen Schleyer der Unwissenheit zurück, sagen sie, und es wird sich zeigen, daß die Materie weiter nichts als ein Hirngespinnst ist.


13 Vergl. IV. 9. Reisende versichern, daß die mehresten Brahminen unwissend sind, und als Secretäre etc. dienen müssen. Sie bleiben zwar immer in ihrer Caste und genießen die großen Vorrechte derselben, dürfen aber nicht opfern.


14 Vergl. die Anmerk. zu II. 11.


15 Im ersten oder vierten Stande d.i. als ein Brachmachari oder Sanyassi. s. das Glossar.


16 D.i. Soma, welche Pflanze Jones für ruta Linn. hält. Wilkins zu Bhagvatgeeta p. 80. sagt: »die heiligen Bücher verordnen, daß nach vollendetem Opfer sowohl derjenige für welchen und auf wessen Unkosten geopfert worden, als auch die Brahminen, welche die Ceremonien dabey am Altare verrichten, den Saft der Pflanze Som trinken sollen.« – Die Worte: »diejenigen welche den Saft der Som trinken« werden an obiger Stelle durch »Veda-Gläubige, Verehrer des Veda« erklärt.


17 In dem nehmlichen Grade werden diejenigen noch von ihren Nachkommen gepriesen, welche irgendwo Teiche oder Brunnen gegraben haben, weil unter einem solchen Himmelsfrische nichts nothwendiger ist, als Wasser zum Trinken und Baden s. hist. de la Miss. Dan. I. p. 153. und Hodges Reisen p. 30.


18 Ein Falkonier. Die Falkenjagd ist eins der Hauptvergnügungen der Indischen Großen.


19 Zweymal verheurathete Frau. Im Menu findet sich zwar an keiner Stelle der ausdrückliche Befehl für Weiber sich mit ihren verstorbenen Gatten zu verbrennen, aber eine zweyte Heurath scheint schon damals, wie man aus unserer Stelle sieht, verächtlich gewesen zu seyn. Im viertem Bande der researches befindet sich eine Sammlung verschiedener Stellen aus Sanscrit-Büchern; über die Pflichten einer frommen Hindu Witwe.


20 Mondpflanze vergl. die Anmerk. zu 158.


21 Die fünf Feuer sind die oben §. 70. erwähnten fünf Sacramente. – Was das Singen des Saman eigentlich bedeutet, bin ich nicht im Stande zu erklären, wenn es sich nicht etwa darauf bezieht, was in der Mission Danoise p. 90. erwähnt wird: »Wenn etwas auswendig zu lernen ist, so singen sie es laut, um nicht einzuschlafen.


22 Wie dieß mit I. 31. zusammenhängt, wo die vier Casten von Brahma gebohren werden, ist ein Knoten, den ich nicht lösen kann. Wäre es einer unsrer Glaubensartikel, so würde man folgende theologische Waffe auf Menu's eigenes Ansehen aus Kap. II. 14. herbeyhohlen können: »Wenn zwey heilige Sprüche dem Anscheine nach einander widersprechen sollten, so sind beyde Gesetz, denn die Weisen sagen, daß beyde gültig und vereinbar sind.«


23 Siehe zu Q. 182.


24 Was für Kraft das Zurückhalten des Athems hat siehe im II. 83. VI. 69. und die Anmerk. zu II. 85.


25 Pantoffeln an seinen Füßen. Es ist bekannt, daß schon in den ältesten Zeiten bloße Füße in Gegenwart der Götter und vornehmerer Leute von den Asiaten für ein Zeichen der Achtung gehalten wurden. In Indien ist das so sehr der Fall, daß, wie mich ein glaubwürdiger Reisender versicherte, man Jemanden keinen größern Schimpf anthun könnte, als wenn man einen Schuh oder Pantoffel nach ihm wirft. Damit geschlagen zu werden ist eine höchst empfindliche Strafe für den Hindu. S. Travels in C.A.A. II. 66.


26 S. oben §. 92.


27 Salz. Vergl. VI. 12. In einer Gegend, genannt Nuun, zwischen Agra und Delhi, gewinnt man das schönste weiße Salz, das keiner weitern Zubereitung bedarf, wie auch Herr T. – S. versichert. Zwischen dem Indus und Ihylum sind berühmte Steinsalzwerke. S. Rennel Mem. S. 82.


28 Das ist alles im Cali-Alter abgeschafft, S. die allgemeine Anmerkung von Jones.


29 Wenn der Schatten. Wahrscheinlich heißt das weiter nichts als gegen Abend. Denn es ist schon oben erinnert worden, daß außer der monatlichen Sraddha den Manen der Vorältern noch täglich Wasser geopfert wird.


30 Siehe zu II. 44.


31 S. zu II. 221.

Quelle:
Hindu Gesetzbuch oder Menu's Verordnungen nach Cullucas Erläuterung. Weimar 1797, S. 69-118.
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