Viertes Kapitel.

[86] 1. Nun folgt der Hausbau.

2. An einem glücklichen Tage38 lasse er das Haus bauen.[86]

3. In den einzelnen Gruben39 zu demselben opfert er: »Dem nicht fallenden, irdischen. Svâhâ!«

4. Er richtet den Balken auf: »Hier richte ich auf den Nabel der Welt, den Strom des Gutes, den Mehrer der Schätze. Hier baue ich ein festes Haus; in Sicherheit stehe es, Butter träufelnd.« – »Reich an Rossen, Rindern, freundlicher Rede erhebe dich zum grossen Glücke. Dich schreie an das Kind, dich die melkenden Kühe brüllend.« – »Zu dir komme der zarte Knabe, zu dir das Kalb mit den Hütern40, zu dir der Krug geistigen Trankes41, mit den Töpfen saurer Milch.«42 – »Des Friedens Gattin, grosse, schön gekleidete, schenke uns Reichthum, o glückliche, kräftigen. Von Rossen, Rindern und Nahrung werde, wie das Laub des Waldes, unser Reichthum erfüllt, hier mit Glück umkleidet.« Mit diesen Sprüchen tritt er an die vier (Balken) hinan.43

5. Im Innern legt er ein Feuer an, südlich setzt er den Brahman nieder, nördlich stellt er ein Wassergefäss hin, kocht eine Topfspeise, geht hinaus, tritt in die Nähe der Thür, und redet den Brahman an: »Brahman, ich trete hinein.«

6. Wenn der Brahman es erlaubt hat, tritt er hinein, indem er spricht: »An die Ordnung trete ich hinan, an das Glück trete ich hinan.«[87]

7. Nachdem er zerlassene Butter geweihet und mit den beiden Sprüchen: »Hier ist Lust«44 zwei Butterspenden geopfert, opfert er die folgenden Spenden45:


»O Wohnungsherr, erkenn uns als die deinen,

schaff guten Eingang uns, entfern die Leiden;

Was wir dich bitten, das gewähr uns huldreich,

zum Heil sei Menschen und zum Heil den Thieren. Svâhâ!«


»O Wohnungsherr, sei hülfreich uns und schenke

dem Haus Gedeihn an Rind und Ross, o Indu,

In deiner Freundschaft lass uns nicht ermatten,

und sei uns liebreich wie dem Sohn der Vater. Svâhâ!«


»Lass Wohnungsherr uns deiner Huld Gemeinschaft,

der starken, lieben, segnenden geniessen,

Schütz unser Gut in Arbeit und in Ruhe,

ihr Götter schützt uns stets mit eurem Segen. Svâhâ!«


»Der Leid du tilgst, o Wohnungsherr,

du gehst in alle Formen ein,

sei uns ein heilbegabter Freund. Svâhâ!«


8. Dann opfert er von der Topfspeise: »Agni, Indra, Bṛĭhaspati, alle Götter rufe ich her; Sarasvatî und Vâjî46, Wohnung gebt mir, o kräftige. Svâhâ!« – »Den Schlangen, Göttern, Menschen allen, dem Himavat, der schön zu schauen, den Vasus, Rudras, Âdityas, dem Herrscher (Çiva) mit seinen Begleitern47, diesen allen nahe ich, Wohnung gebt mir, o kräftige. Svâhâ!« – »Dem Vormittage und dem Nachmittage beiden, mit dem Mittage, der Nacht und der[88] Mitternacht, der göttlichen Morgenröthe mit grossem Pfade, diesen allen nahe ich, Wohnung gebt mir, o kräftige. Svâhâ!« – »Dem Macher und dem Veränderer, dem Viçvakarman, den Kräutern und den Bäumen, diesen allen nahe ich, Wohnung gebt mir, o kräftige. Svâhâ!« – »Dem Schöpfer und dem Ordner und dem Herrn der Schätze zugleich, diesen allen nahe ich, Wohnung gebt mir, o kräftige. Svâhâ!« – »Lieblich, glücklich gebet diese Wohnung, o Brahman und Prajâpati und alle Gottheiten. Svâhâ!«

9. Nach dem Essen legt er in ein messingenes Gefäss die herbeigebrachten Gegenstände, Udumbara-Blätter mit geistigem Getränk, Gras, Kuhdünger, saure Milch, Honig, Butter, Kuça und Gerste, und dann besprengt er die Sessel und die Standorte48 (der Götter).

10. Die östliche Wand berührt er mit den Worten: »Glück und Ruhm mögen dich an der östlichen Wand schützen.«

11. Die südliche Wand berührt er mit den Worten: »Opfer und Opferlohn mögen dich an der südlichen Wand schützen.«

12. Die westliche Wand berührt er mit den Worten: »Speise und Brâhmaṇa mögen dich an der westlichen Wand schützen.«

13. Die nördliche Wand berührt er mit den Worten: »Kraft und freundliche Rede mögen dich an der nördlichen Wand schützen.«

14. Dann geht er hinaus und verehrt die Himmelsgegenden, indem er spricht: »Mögen Ketâ mich und Suketâ im Osten schützen. Agni ist Ketâ (der Wille?), die Sonne Suketâ (die gutwillige), ihnen nahe ich, ihnen sei Verehrung, sie mögen mich im Osten schützen.«

15. Dann nach Süden: »Das Schützende und das Hütende mögen mich im Süden schützen. Der Tag ist der[89] Schützende, die Nacht die Hütende, ihnen nahe ich, ihnen sei Verehrung, sie mögen mich im Süden schützen.«

16. Dann nach Westen: »Möge der Leuchtende mich und der Wachsame im Westen schützen. Speise ist der Leuchtende, Athem der Wachsame, ihnen nahe ich, ihnen sei Verehrung, sie mögen mich im Westen schützen.«

17. Dann nach Norden: »Möge der Schlaflose mich und der Nichtschlummernde im Norden schützen. Der Mond ist der Schlaflose, der Wind der Nichtschlummernde, ihnen nahe ich, ihnen sei Verehrung, sie mögen mich im Norden schützen.«

18. Dem fertigen Hause nahet er, indem er spricht: »Dem Rechts-Hauptpfosten, dem Glücksdache, dem Tage und der Nacht, den beiden Thürbrettern (nahe ich; dies sind) Indra's Häuser, schatzreich, Schutz gewährend; ihnen nahe ich mit den Kindern, mit dem Viehe. Was mir irgend ist, herbeigerufen, umgeben von allen Schaaren, Freunden und Guten (nahe ich) dir, o Haus. Mögen unsere Häuser voll unverletzter Männer sein allerseits.«49

19. Dann folgt Speisung der Brâhmaṇas.

38

Es braucht also nicht grade während des nördlichen Laufes der Sonne oder während des zunehmenden Mondes zu sein. Vp.

39

In den vier Gruben, in welche die Eckbalken gestellt werden. Beim Bau eines dhavalagṛĭha (eines steinernen, welches mit Kalk überzogen wird) opfert er an den vier Stellen der Ecksteine, weil diese die Stelle der Balken vertreten. Er beginnt an der südöstlichen Ecke. Jr.

40

In jede Grube wird stillschweigend ein Stein gelegt und auf diesen der Balken gestellt. Vp.

41

jagadaiḥ anugaiḥ raxakaiḥ. Jr.

42

Der Text ist verdorben. Vgl. Çânkh. Gṛĭ. 3, 2. Âçv. Gṛĭ. 2, 8, 16. AS. 3, 12, 7.

43

Wenn keine Balken aufgerichtet werden (also wenn ein steinernes Haus gebaut wird), so werden mit denselben Sprüchen die Steine in die Gruben gelegt. Vp.

44

VS. 8, 51.

45

Die Verse stehen RS. 7, 54, 1–55, 1, der erste und dritte Vers auch TS. 3, 4, 10, 1. Ich habe Grassmann's Uebersetzung gegeben.

46

vâjîm annamayîṃ sîtâm. Jr.

47

jagadaiḥ unucaraiḥ. Jr. S. oben §. 4.2).

48

Sessel aus Elfenbein oder anderem Material und Standorte für Götter (devatâyatanâdîni; Postamente für Götterbilder?) sind nach den Vorschriften der Baukunst (vâstuçâstra) notwendige Geräthe eines Hauses. Jr.

49

Vgl. krit. Anm. Meine Uebersetzung ist natürlich ganz zweifelhaft. Jr. nimmt ein Wort sakhâya an, welches s.v.a. mitrasamûha bedeuten soll.

Quelle:
Indische Hausregeln. In: Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 6. Leipzig 1878, S. 86-90.
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